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Basis-Begehren erfolgreich FDP muss Mitglieder zu Ampel-Verbleib befragen

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Aus ihrer eigenen Unzufriedenheit in der Ampel machen Lindner und Djir-Sarai keinen Hehl, doch die Mitgliederbefragung kommt dennoch zur Unzeit - denn mit einem Austritt aus der Koalition hätte die Partei wenig zu gewinnen.

Aus ihrer eigenen Unzufriedenheit in der Ampel machen Lindner und Djir-Sarai keinen Hehl, doch die Mitgliederbefragung kommt dennoch zur Unzeit - denn mit einem Austritt aus der Koalition hätte die Partei wenig zu gewinnen.

(Foto: IMAGO/Achille Abboud)

Bindend wäre das Ergebnis für die FDP-Spitze nicht, aber die Partei muss nun ihre Mitglieder befragen, ob sie einen Verbleib der Liberalen in der Ampelkoalition wünschen. Es ist ein weiterer Stein im Weg der Partei.

Christian Lindner dürfte gerade andere Sorgen haben, als sich um die unzufriedenen Parteifreunde da draußen im Land zu sorgen. Als Finanzminister muss er in Berlin nachsitzen und schnell noch einen verfassungsgemäßen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr schnüren - und einen neuen für 2024 aufs Gleis setzen. Doch sein anderes Ich, das des FDP-Chefs, müsste mit Sorge nach Hessen schauen. Dort hat eine kleine Gruppe Ampel-Frustrierter erreicht, dass die Partei ihre 77.000 Mitglieder zum Verbleib in der Regierungskoalition befragen muss.

Nur 500 Unterschriften waren für das Vorhaben erforderlich und wie Matthias Noelke, der Initiator, ntv.de bestätigte, wurde diese Hürde mittlerweile genommen. Der 44-Jährige kennt die Bundespolitik aus eigener Anschauung. Von 2020 bis 2021 saß er im Bundestag, mittlerweile ist er Stadtkämmerer von Kassel. Nach den für die FDP enttäuschenden Wahlen in Hessen und Bayern startete er einen Aufruf, der bundesweit Beachtung fand.

Darin hieß es, "Deutschlands wirtschaftliche Substanz" leide unter einer Politik, die "in Krisenzeiten die falschen Prioritäten" setze. Daher habe sich die FDP Kassel "aus Verantwortung gegenüber dem ganzen Land und aus Sorge um die Zukunft des politischen Liberalismus" entschlossen, Bemühungen um eine Mitgliederbefragung zu unterstützen. Dafür wurde eine eigene Website eingerichtet. Wann und wie die Befragung abläuft, ist noch offen. Der Kasseler Initiative schwebt eine einfache Frage vor: Soll die FDP in der Ampel bleiben - ja oder nein?

"Nicht zuschauen, wie wir untergehen"

Es war nicht die einzige Unmutsbekundung. Nach den schlechten Ergebnissen bei den Landtagswahlen verfassten 26 Kommunalpolitiker aus ganz Deutschland einen offenen Brief, den sie mit "Weckruf Freiheit" überschrieben. Darin heißt es, die FDP habe sich zum "Komplizen einer Politik" gemacht, die von "über 70 Prozent der Bevölkerung abgelehnt" werde. Wirtschaft, Bürokratieabbau, Energiepolitik, Migration, Bürgergeld und auch Corona - überall setze die Ampel-Koalition die falschen Akzente.

Man kann davon ausgehen, dass es noch mehr Unzufriedene in der Partei gibt. So hatte der Bundestagsabgeordnete Christoph Hoffmann bei ntv.de scharfe Kritik an der Ampel geübt und einen radikalen Kurswechsel in der Migrationspolitik gefordert. "Wir können nicht einfach zuschauen, wie wir untergehen", sagte er. An der Seite der Rebellen an der Basis steht er aber nicht. Er ist dagegen, die Ampelkoalition zu verlassen. "Wir müssen aber besser erklären, womit auch wir in Berlin unzufrieden sind", sagte er ntv.de. Auch der FDP-Abgeordnete Frank Scheffler, einst als harscher Kritiker der Euro-Rettung bekannt geworden, attackiert die Ampel immer wieder, tat wichtige Vorhaben von SPD und Grünen etwa als "Sozialklimbim" ab.

Parteichef Lindner hat sich bereits gegen ein Verlassen der Koalition ausgesprochen. Die FDP hätte dabei auch nicht viel zu gewinnen. Die Umfragen sehen schlecht aus. Im Trendbarometer von RTL und ntv steht die Partei aktuell bei fünf Prozent, lag in den vergangenen Wochen aber auch schon darunter. Eine eigene Mehrheit haben die Ampel-Parteien in den Umfragen schon lange nicht mehr. Für eine schwarz-gelbe Koalition, noch immer die Wunschkonstellation vieler Liberaler, reicht es hingegen auch nicht. Bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 waren die Liberalen noch auf 10,8 Prozent gekommen.

Ein leidenschaftlicher Verteidiger der Ampel ist Lindner aber längst nicht mehr. Gerade erst machte er in der Schweiz mit dieser Äußerung auf sich aufmerksam: "Nachdem die politischen Realitäten mich zwingen, mit Sozialdemokraten und Grünen zu regieren, freue ich mich, die Luft der Freiheit zu atmen", sagte er an der Uni Luzern. Dass auch die Parteispitze unzufrieden in der Ampel ist, vermag auch nicht zu überraschen. Zu groß waren die inhaltlichen Unterschiede in den vergangenen zwei Jahren insbesondere zu den Grünen - sei es beim Verbrennerverbot, der Atomkraft, dem Gebäudeenergiegesetz oder der Kindergrundsicherung.

"Lieber nicht regieren als falsch regieren"

Von den Beschwörungen einer "Fortschrittskoalition" wie in den frühen Tagen der Ampel hört man nichts mehr. Lindner spricht nun viel von "staatspolitischer Verantwortung", die die FDP übernommen habe. Dabei dürfte vielen der parteiinternen Kritiker ein anderes Lindner-Zitat besser gefallen. Mit den Worten "Lieber nicht regieren, als falsch regieren", hatte er 2017 die Sondierungen mit Grünen und Union abgebrochen.

Sympathie für das Vorhaben aus der Basis äußerte niemand in der Parteiprominenz. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle sagte im "Frühstart" von ntv, man übernehme in der Regierung Verantwortung und müsse dieser dann auch in schwierigen Zeiten gerecht werden. Auf Konfrontationskurs geht die Parteispitze aber auch nicht gerade. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zeigte sogar Verständnis für die Basis-Initiative. "Ich nehme jede Stimme ernst", sagte Djir-Sarai in der ntv Sendung #beisenherz: "Das sind Leute, die sich natürlich auch Gedanken machen: Wie geht's weiter mit der FDP? Wie steht's um die Zukunft der FDP. Ich meine, das sind ja alles legitime Gedanken." Djir-Sarai hat inzwischen mit einigen der parteiinternen Kritiker telefoniert: "Die, mit denen ich gesprochen habe, sind der Meinung, dass diese Koalition oder die Parteien, die diese Koalition bilden, nicht zusammenpassen. Ich glaube, das ist jetzt keine große Überraschung."

Der "Spiegel" zitiert FDP-Urgestein Gerhart Baum mit den Worten, ein Austritt aus der Ampel sei "Selbstmord aus Angst vor dem Tod". Angst vor dem politischen Tod haben die Rebellen an der Basis tatsächlich. Denn die aktuelle Lage dürfte so manchem wie ein Déjà-vu vorkommen. Schon die letzte Regierungsbeteiligung in Form der schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel (2009 bis 2013) endete traumatisch für die Partei. Sie flog anschließend aus dem Bundestag.

Quelle: ntv.de

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