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FDP-Politiker zu Ampelfrust "Wir können nicht einfach zuschauen, wie wir untergehen"

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FDP-Politiker Christoph Hoffmann sitzt seit 2017 für den Wahlkreis Lörrach-Müllheim im Bundestag. Der langjährige Förster war zehn Jahre Bürgermeister des Heilbades Bad Bellingen. Er ist seit 2021 amtierender Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der sich mit der Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration beschäftigt.

FDP-Politiker Christoph Hoffmann sitzt seit 2017 für den Wahlkreis Lörrach-Müllheim im Bundestag. Der langjährige Förster war zehn Jahre Bürgermeister des Heilbades Bad Bellingen. Er ist seit 2021 amtierender Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der sich mit der Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration beschäftigt.

(Foto: picture alliance / photothek)

Die Ampel zerstritten, miese Wahlergebnisse in Bayern und Hessen sowie erstmals seit Langem unter der Fünfprozenthürde im Bund - für die FDP sieht es nicht gut aus. Der Bundestagsabgeordnete Christoph Hoffmann macht bei ntv.de seinem Unmut Luft und spart nicht mit Kritik an der eigenen Partei. Mit den Grünen könne es so nicht weitergehen, sagt er. Sogar einen Koalitionsbruch hält er für möglich.

ntv.de: Herr Hoffmann, im jüngsten RTL/ntv-Trendbarometer liegt die FDP bei vier Prozent - damit käme sie nicht wieder in den Bundestag. Was haben Sie gedacht, als Sie die Zahl gesehen haben?

Christoph Hoffmann: Der Trend ist ja schon seit Langem zu erkennen. Die Menschen und besonders unsere Anhänger sind nicht mit der Arbeit der Ampel zufrieden. Das muss man konstatieren. Ich denke, wir als FDP können nicht einfach zuschauen, wie wir untergehen und die Wirtschaft vor die Wand gefahren wird.

Wie wollen Sie da herauskommen?

Wir brauchen einen radikalen Kurswechsel. Etwa so wie vor 20 Jahren, als Kanzler Gerhard Schröder die Agenda 2010 verkündete. Er hat gesehen, dass es so nicht weiterging. Es hat ihm zwar politisch den Kopf gekostet. Aber dennoch war es richtig. Die Frage ist, ob Kanzler Scholz die Kraft hat, auch so ein Momentum auszulösen.

Die Ampel unterhält die Republik auch mit viel Streit - ist die Unbeliebtheit vor allem ein Problem der Außendarstellung?

Wir müssen selbstkritisch sehen, dass wir nicht durch gute Kommunikation glänzen. Als FDP leisten wir einen großen Beitrag für gute Gesetze, aber anschließend gelingt es uns nicht, das zu verkaufen. Ein Beispiel ist das Gebäudeenergiegesetz. Der ursprüngliche Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium war nicht umsetzbar. Wir haben das diametral geändert. Das ist aber draußen im Land überhaupt nicht angekommen. Im Wahlkreis sagen mir die Leute immer noch: Jetzt muss ich meine Heizung rausreißen. Nein, das ist de facto nicht so.

Das stand so nicht einmal im Ursprungsentwurf des damaligen Staatssekretärs Patrick Graichen. War der wochen-, wenn nicht monatelange Streit das Problem, bei dem noch der Letzte den Überblick verlor?

Wenn man die Leute mit immer neuen Vorschlägen verunsichert, dann gibt man kein gutes Bild ab. Es muss Einigkeit da sein. Es muss erst intern diskutiert werden, danach muss eine Einigung gelten, die dann gemeinsam nach außen vertreten werden kann. Ein Beispiel: Beim Thema Pelletheizungen haben wir uns im Gebäudeenergiegesetz eigentlich darauf geeinigt, diese als erneuerbare Energien anzuerkennen. Beim Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung wollen die Grünen das wieder streichen. Das erinnert an den Alleingang von Lisa Paus, so sind die Grünen nicht regierungsfähig.

Dass die Kommunikation besser werden soll, sagen alle Ampelparteien schon seit Monaten. Haben Sie noch das Vertrauen, dass das gelingen kann?

Wenn ich verhindern will, dass die rechtspopulistischen Tendenzen innerhalb der Bevölkerung weiter steigen, muss man sich vielleicht noch einmal zusammensetzen und das eine oder andere Lieblingsprojekt aus dem Koalitionsvertrag weglassen. Das Demokratiefördergesetz zum Beispiel. Die Demokratie wird bereits in Schulen, politischen Stiftungen und von den Landes- und Bundeszentralen für politische Bildung gefördert. Trotzdem gibt es einen Trend hin zu anti-demokratischen Strömungen, wenn ich mir die AfD-Umfragewerte ansehe. Da wird zusätzliches Geld keinen Unterschied machen. Wir müssen uns jetzt auf das Wesentliche konzentrieren. Zum Beispiel auf das Thema Migration.

Da passiert etwas. Die EU hat sich auf Asylverfahren an den Außengrenzen geeinigt, Abschiebungen in Deutschland sollen erleichtert werden. Grenzkontrollen soll es zur Schweiz geben.

Das reicht aber nicht. Wir müssen den Zuzug systematisch verringern. Da müssen wir über den Familiennachzug reden. Wir haben sehr viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in meinem Wahlkreis. Wenn die das Recht auf Familiennachzug haben, ist klar, dass die Familie die Jungen vorschickt, um dann nachzukommen. Die Asylverfahren müssen schneller werden. Sie dauern im Schnitt locker drei Jahre. Kommt jemand über die Grenze und beantragt Asyl, dann hat er eigentlich ein bedingungsloses Grundeinkommen für die nächsten Jahre. Das sehen die Menschen vor Ort und sagen: Das kann nicht sein. Das müssen wir dringend ändern.

Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht Zahlungen zwischen 278 und 410 Euro vor.

Hinzu kommen kostenlose Wohnung und Krankenversicherung. Nach 18 Monaten steigen die Sätze ungefähr auf Höhe der regulären Sozialhilfe. Das Nächste ist: Wer ausreisepflichtig ist, dem sollten wir nichts mehr bezahlen. Das machen andere Staaten auch so. Dann ist der Anreiz, zu bleiben, nicht mehr so hoch. Wir müssen die illegale Migration zurückfahren und die legale Migration fördern. Wir brauchen ja Leute, das fordern auch die Unternehmen. Wir dürfen aber nicht unsere Integrationsfähigkeit überschätzen.

Das alles werden Sie mit den Grünen vermutlich nicht umsetzen können. Warum bleiben Sie überhaupt noch in der Ampel?

Es ist jetzt die Frage, ob die Grünen erkennen, wie entscheidend das Migrationsthema ist, um einen Rechtsruck zu verhindern.

Sie scheinen vor allem die Nase voll zu haben. Aber ist es nicht so, dass Sie sich nicht trauen, die Koalition zu verlassen - weil die Umfragen so schlecht sind?

Die Frage wird sich stellen. Wenn die eigene Zukunft auf dem Spiel steht, muss man sich überlegen, was die richtigen Schritte sind.

Könnte die Ampel vor den nächsten Wahlen platzen?

Denkbar ist alles. Ich würde es aber davon abhängig machen, ob die Grünen dabei mitgehen, das Migrationsproblem zu lösen. Ich kann nicht gegen die Mehrheit der Bevölkerung regieren. Das funktioniert nicht. Ich könnte mir auch vorstellen, dass innerhalb der Grünen Dissens zu dem Thema entsteht, und sie dann die Koalition verlassen wollen. Nur an der FDP liegt es auf jeden Fall nicht, das will ich hier auch nochmal klarstellen.

Scheren Sie hier nicht gerade aus der Parteidisziplin aus?

Ich war 25 Jahre Förster und 10 Jahre Bürgermeister, das sind 35 Jahre gemeinnütziger Arbeit. Mir geht es um Land und Leute. Wir dürfen das Land nicht vor die Wand fahren. Das darf nicht passieren.

Wie viel Zeit geben Sie der FDP noch in dieser Koalition?

Viel Zeit haben wir nicht mehr. Das letzte Jahr vor der Wahl wird schon vom Wahlkampf geprägt sein. Dann muss schon etwas passiert sein. In den nächsten drei Monaten muss ein Aufbäumen der FDP kommen. Das muss in einem umsetzbaren Aktionsprogramm münden, das die Menschen vor Ort spüren.

Mit Christoph Hoffmann sprach Volker Petersen

Quelle: ntv.de

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