Politik

Boris Pistorius im RTL-Interview "Ich neige nicht zu Schnellschüssen"

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Pistorius wurde am Vormittag vereidigt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der neue Bundesverteidigungsminister will am Abend nach seiner Vereidigung keine Ansagen machen, wie er die Bundeswehr zu ertüchtigen gedenkt. Mit Blick auf die Debatte um "Leopard"-Panzerlieferungen steht Pistorius erkennbar für Kontinuität - und für Loyalität zum Kanzler.

Boris Pistorius hat am Abend nach seinem Amtsantritt Erwartungen an seine neue Rolle als Verteidigungsminister gebremst, weil er die versprochene Ertüchtigung der Bundeswehr nicht überstürzen wolle. "Ich bin jetzt zwölf Stunden im Amt", sagte der bisherige Innenminister von Niedersachsen am Donnerstagabend in seinem ersten TV-Interview seit seiner Vereidung zu RTL. Am Freitag stehe zunächst das Treffen der Ukraine-Unterstützerstaaten in Ramstein an, am Sonntag die deutsch-französischen Regierungskonsultationen in Paris. "Und danach wird es genau um diese Fragen gehen: Was muss in der Beschaffung besser passieren? Wie müssen die Produkte besser ausgewählt werden - die Geräte, die Waffen - besser ausgewählt werden, als es in der Vergangenheit geschehen ist?", kündigte Pistorius an.

Der 62-jährige Sozialdemokrat bremste Erwartungen an zeitnahe Antworten: "Ich neige nicht zu Schnellschüssen. Wir haben zwar wenig Zeit, aber die müssen wir nutzen, um die richtigen Entscheidungen vorzubereiten", sagte Pistorius. Er hatte das Amt am Montag von Bundeskanzler Olaf Scholz angetragen bekommen und am Donnerstag übernommen. Vorgängerin Christine Lambrecht nahm freiwillig ihren Hut, nachdem die Ausstattungsoffensive der Bundeswehr nicht vorankam und Lambrecht in der Öffentlichkeit wiederholt ein unglückliches Bild abgegeben hatte.

"Leopard"-Lieferung nur in "konzertierter Vorgehensweise"

Gleich am ersten Tag standen für Pistorius Gespräche mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin auf dem Programm. Im Mittelpunkt: die Frage, ob Deutschland zusätzlich zum Schützenpanzer "Marder" der Ukraine auch "Leopard 2"-Kampfpanzer liefern wird. Dies fordern Verbündete und die Koalitionspartner Grüne und FDP gleichermaßen. Einem Bericht zufolge macht aber Scholz die Entscheidung davon abhängig, ob auch die USA eigene Kampfpanzer liefern. "Es geht zunächst gar nicht um die Auflagen, unter denen das passieren kann", sagte Pistorius, "sondern darum, dass die Bundesrepublik Deutschland seit Ausbruch des Krieges die Ukraine massiv zusammen mit anderen europäischen und NATO-Partnern unterstützt hat und das weiter tun wird."

Diese Unterstützung sei immer "in Abstimmung miteinander, im Gleichklang und mit einer entsprechenden vernünftigen, konzertierten Vorgehensweise" geschehen, sagte Pistorius. "Zuletzt war das beim 'Marder' so und sollte es zu Lieferungen des 'Leoparden' kommen, dann wird das unter diesen Kautelen stattfinden können", sagte der Jurist Pistorius. Der Begriff Kautel kommt aus dem Vertragsrecht und bedeutet so viel wie Vorbehalt.

"Das muss man abwarten, ob das anrollt", sagte Pistorius zur "Leopard"-Frage. "Wir sind in Gesprächen, insbesondere mit unserem transatlantischen Partner, den Vereinigten Staaten. So wie wir das in allen anderen Fällen vorher auch gemacht haben: Es geht darum, keine Alleingänge zu machen", sagte Pistorius zu RTL.

Pistorius kann "Leopard"-Frage nicht ausweichen

In der Frage, was das Ziel der deutschen Militärhilfen für die Ukraine sein, wich Pistorius von bisherigen Äußerungen seiner Vorgängerin Lambrecht oder des Bundeskanzlers nicht ab. "Das Ziel ist zunächst einmal, dass wir die Ukraine dabei unterstützen, ihre territoriale Souveränität, Integrität zu schützen, zu verteidigen und den russischen Angriff abzuwehren", sagte Pistorius. "Russland darf den Krieg nicht gewinnen, das muss allen klar sein. Und dazu wird die NATO und dazu gehört auch die Bundesrepublik Deutschland jeden Beitrag leisten, der notwendig ist."

Auf der US-Militärbasis Ramstein in Deutschland kommen am Freitag Vertreter der 30 NATO-Staaten sowie weiterer Länder zusammen, die die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland unterstützen. Nachdem Polen und Finnland ihre "Leopard"-Panzer an Kiew abtreten wollen, muss sich die Bundesregierung positionieren: Gestattet sie anderen Ländern den Export des deutschen Panzers in das Kriegsgebiet?

Daran schließt sich die Frage an, ob Deutschland auch selbst bereit ist, "Leopard 2"-Panzer abzugeben. Diese müssten zunächst aus Bundeswehrbeständen kommen. "Die Bundeswehr braucht prinzipiell die eigenen Panzer. Aber in der Ukraine werden sie deutlich dringender gebraucht. Deswegen sollten wir jetzt einige aus dem Bestand der Bundeswehr herausnehmen und umgehend in die Beschaffung gehen", sagte hierzu Grünen-Politiker Anton Hofreiter im Interview mit ntv.de. Scholz wird in der Frage auch in verbündeten Staaten als Bremser kritisiert. Dass Pistorius in dieser wichtigen Frage an seinem ersten richtigen Arbeitstag entscheiden soll, deutet darauf, wie maßgeblich die eigentliche Entscheidung im Kanzleramt getroffen wird.

Quelle: ntv.de

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