Hofreiter pocht auf Lieferung "Ukraine braucht 'Leopard 2' dringender als Bundeswehr"
19.01.2023, 16:15 UhrVor dem Treffen der Ukraine-Unterstützerländer in Ramstein am Freitag führt aus Sicht des Grünen-Politikers Anton Hofreiter kein Weg vorbei an der Lieferung von "Leopard 2"-Kampfpanzern - auch aus Deutschland. Die Ukraine müsse noch einmal "auf einem anderen Niveau" unterstützt werden, um die drohende Offensive Russlands abzuwehren. Zu Meldungen, dass Kanzler Scholz in der Frage von Panzerlieferungen versucht habe, US-Präsident Biden unter Druck zu setzen, sagt Hofreiter: "Ich hoffe sehr, dass das nicht stimmt."
ntv.de: Was sind Ihre Erwartungen an das Treffen in Ramstein? Was muss passieren?
Anton Hofreiter: Wir müssen uns bewusst machen, dass Russland eine neue Offensive vorbereitet und der Ukraine, insbesondere bei den Panzern, die Munition auszugehen droht. Um die russischen Angriffe abzuwehren und die Kontrolle über ihr Territorium zurückzuerlangen, braucht die Ukraine nochmal Unterstützung auf einem anderen Niveau. Die USA leisten da schon sehr viel.

Anton Hofreiter ist Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Deutschen Bundestag.
(Foto: picture alliance/dpa)
Und Deutschland?
Deutschland hat begrenzte Möglichkeiten. Eine der Möglichkeiten, die wir noch haben, ist, die Ukraine mit "Leopard 2" zu unterstützen. Deshalb ist meine Erwartung, dass in Ramstein nicht nur Polen, Finnland und weiteren Ländern gestattet wird, sie zu exportieren, sondern dass wir selbst auch Geräte dazu geben.
Kann Deutschland dann überhaupt so schnell helfen, wenn man weiß, dass die beim Hersteller eingelagerten Geräte noch viele Monate zur Ertüchtigung brauchen? Oder wollen Sie auch explizit "Leopard 2" von der Bundeswehr abziehen?
Die Bundeswehr braucht prinzipiell die eigenen Panzer. Aber in der Ukraine werden sie deutlich dringender gebraucht. Deswegen sollten wir jetzt einige aus dem Bestand der Bundeswehr herausnehmen und umgehend in die Beschaffung gehen. Bald ein Jahr nach dem 27. Februar, als die Zeitenwende angekündigt wurde, ist es höchste Zeit, diese auch umzusetzen.
Haben Sie den Eindruck, dass diese Szenarien überhaupt vorbereitet wurden durch das Kanzleramt; dass das Wie vorbereitet worden ist vor dem Ob?
Meine Sorge ist, dass das nicht vorbereitet worden ist. Und wir haben ja bereits einen mehr als bedenklichen Präzedenzfall: die "Marder"-Schützenpanzer. Wenn das Kanzleramt und das Bundesverteidigungsministerium rechtzeitig der Industrie gesagt hätten "Bereitet die 'Marder' vor!", dann hätten jetzt wir auf alle Fälle genug gehabt, um sie zu liefern. Stattdessen hat man die Industrie im Unklaren gelassen, dann einen Teil der "Marder" Griechenland versprochen, und schließlich musste die Verteidigungsministerin bei der griechischen Regierung betteln, dass Deutschland die Athen zugesagten Schützenpanzer doch zuerst an die Ukraine schicken kann. So verspielt die Bundesregierung Vertrauen - nicht nur in der Ukraine und bei unseren ost- und mitteleuropäischen Partnern, sondern auch bei unseren westeuropäischen Freunden. Nun besteht die Gefahr, dass sich genau dieses Szenario mit den "Leopard 2" wiederholt.
Wie bewerten Sie Berichte, wonach Olaf Scholz den US-Präsidenten Joe Biden regelrecht erpresst haben soll, die "Leopard"-Lieferung von der Lieferung amerikanischer Abrams-Panzer abhängig zu machen?
Ich hoffe sehr, dass das nicht stimmt. Die Amerikaner sind jetzt schon genervt davon, dass die Bundesregierung sich regelmäßig hinter ihrem Rücken versteckt. Die amerikanische Hilfe für die Ukraine ist überragend. Zudem ist bekannt, dass aus einer Reihe von technischen Gründen der Abrams-Panzer technisch deutlich weniger geeignet ist für den Einsatz in der Ukraine als der "Leopard".
Sie spielen auf die schwierige Kraftversorgung an, weil der Abram mit Kerosin läuft?
Das wird immer wieder berichtet, stimmt aber nicht. Der Abrams hat eine Vielstoffturbine, kann also auch mit anderen Treibstoffen fahren. Aber seine Kette gilt als anfälliger als die des "Leopard 2". Der wiederum hat sich auch schon im Einsatz als sehr robust und vergleichsweise sicher für die Besatzung erwiesen. Das hat sich etwa gezeigt, als die Kanadier den "Leopard 2" während des Krieges in Afghanistan eingesetzt haben, wo er sich bewährt hat. Die ukrainische Regierung wünscht sich explizit den "Leopard 2" und sie hat dafür gute Gründe.
Mit Anton Hofreiter sprach Sebastian Huld
Quelle: ntv.de