Migrationstalk in Hart aber fair Jens Spahn: "Wir sind am Limit dessen, was geht"
14.01.2025, 03:45 Uhr Artikel anhören
"Sie ignorieren die Probleme illegaler Migration", sagt Jens Spahn in Richtung der Grünen.
(Foto: WDR/Oliver Ziebe)
AfD-Chefin Weidel schlägt zur Migrationspolitik scharfe Töne an und wird von ihrer Partei gefeiert wie ein Popstar. Auch die Union fordert eine härtere Vorgehensweise. Bei "Hart aber fair" diskutieren die Gäste die Probleme bei der Umsetzung. CDU-Vize Spahn hat vor allem straffällige Doppelstaatler im Visier.
Das Thema könnte spannender nicht sein: die Migrationspolitik. Die AfD richtet ihr Wahlprogramm fast ausschließlich darauf aus, das BSW fordert ein hartes Vorgehen gegenüber straffällig gewordenen Migranten. Eigentlich wollten auch die Unionsparteien das Thema in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs stellen, entschieden sich dann aber doch dafür, lieber die Wirtschaftskrise anzusprechen. In der ARD hat sich die Talkshow "Hart aber fair" des Themas angenommen.
Eigentlich eine gute Idee, denn trotz sinkender Zuwanderungszahlen sind die Probleme noch lange nicht gelöst worden. Durch die Kontrollen an den Grenzen ist die Zahl der illegal nach Deutschland einreisenden Geflüchteten gesunken, doch immer noch leben viele Migranten ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland. Auch wenn sich in einigen Kommunen die Wohnsituation der Migranten etwas entspannt hat, verschwunden sind die Probleme nicht. Zwar werden keine Geflüchteten aus Syrien in Deutschland mehr erwartet, die Situation in der Ukraine bleibt dennoch weiter angespannt.
Noch vor wenigen Monaten forderte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn die Schließung der Grenzen und den Bruch des europäischen Asylabkommens. AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel wiederholte die Forderung am Samstag auf dem AfD-Parteitag in Riesa. Spahn, der am Montagabend einer der Gäste bei Hart aber fair ist, sagt dazu kein Wort mehr. Allerdings wiederholt er seinen Vorschlag, in Deutschland lebenden arbeitslosen Syrern das Angebot zu machen, für 1000 Euro Cash wieder in ihre Heimat zurückzufliegen, um das vom Bürgerkrieg zerstörte Land aufzubauen. Diese Forderung hatte Spahn erstmals kurz nach dem Putsch in Syrien gemacht. Zu früh, kritisiert Journalist Christoph Schwennicke von T-Online.
Die Deutsch-Syrerin Nahla Osman, Fachanwältin für Migrationsrecht, geht noch einen Schritt weiter. "Ich fühle mich als Bürgerin zweiter Klasse. Ich fühle mich als Deutsche auf Probe, und das ist nicht das, was ich meinen Kindern vermitteln möchte. Ich habe gerade nach der Rede von Frau Weidel am Samstag Angst." Diese Angst hätte Moderator Klamroth thematisieren müssen, denn diese Angst ist seit den Forderungen der Union nach Grenzschließungen unter Migranten spürbar wie nie. Aber das steht an diesem Abend offenbar nicht auf dem Programm.
Wenigstens am Anfang der Sendung geht es mal kurz zur Sache. "Wir sind am Limit dessen, was geht", schimpft Jens Spahn. Nach den Anschlägen der letzten Monate könne man die Folgen sehen, wenn man nicht wisse, wer nach Deutschland käme und warum. "Und deswegen diskutieren die Bürgerinnen und Bürger und wir mit ihnen, was illegale Migration mit diesem Land macht und wie wir sie bekämpfen und beenden können." Wieder hätte Moderator Klamroth die Steilvorlage aufgreifen können, wieder lässt er es bleiben.
Die lange, lange Diskussion
Stattdessen möchte er wissen, ob Spahn die Grünen immer noch als Migrationsleugner bezeichnen würde, so wie er das vor Kurzem in einem Interview mit dem Magazin "Cicero" gemacht habe. "Ja", antwortet der CDU-Politiker. "Sie ignorieren die Probleme illegaler Migration." Es sei sehr schwierig, mit vielen von ihnen darüber zu sprechen, was die Prägung vor allem von Männern aus dem moslemisch-arabischen Kulturraum für dieses Land bedeute.
Dann beginnt eine schier nicht enden wollende langwierige Diskussion über die Frage: Soll ein Migrant mit doppelter Staatsangehörigkeit die deutsche verlieren, wenn er straffällig geworden ist? Jens Spahn sagt: Ja, denn die deutsche Staatsangehörigkeit sei ein Privileg.
Nahla Osman hält dagegen: Nein, ein straffällig gewordener Migrant mit deutscher Staatsangehörigkeit habe das Recht, dass seine Straftaten genauso geahndet werden wie die eines Deutschen. Katrin Göring-Eckardt von den Grünen erklärt, Deutschland habe ganz andere Probleme, woraufhin Jens Spahn erklärt, dass ein straffällig gewordener Migrant auch ohne deutsche Staatsangehörigkeit nicht ausgewiesen werden müsse. Dann wird ein deutsch-iranischer Richter interviewt, ein Rechtsexperte der ARD kommt auch noch dazu.
Es dauert und dauert, bis endlich die Landrätin aus Regensburg dem Ganzen ein Ende setzt. Das ist Tanja Schweiger, die an diesem Abend auch mit angezogener Handbremse diskutiert. Dabei gehört die Politikerin der Freien Wähler zu den bekanntesten Landräten in Bayern. Sie hatte sich vor zwei Jahren geweigert, geflüchtete Menschen in Turnhallen unterzubringen - und mietete kurzerhand ein Schiff für sie. Die streitbare Landrätin aus der Oberpfalz wurde so etwas wie ein Talkshow-Star.
"Bringt uns bitte nur die Menschen, mit denen wir arbeiten können"
Am Montagabend wird sie wenigstens einmal ärgerlich, weil sich die Diskussion um die Staatsangehörigkeit wie ein altes Kaugummi zieht. "Statt über den Verlust von Staatsbürgerschaft bei Straftätern zu reden, sollten wir lieber darüber reden, wie wir es schaffen, Straftäter, die Asylbewerber sind, nicht in unserem Land zu lassen." Das seien nur wenige, aber unter ihnen würden auch jene Migranten leiden, die friedlich in Deutschland leben wollten.
Und dann gelingt es ihr, kurz die Probleme anzusprechen, die die Menschen in den Kommunen wirklich bewegen: "Das Problem in den Kommunen ist, dass wir alle Menschen zugewiesen bekommen." Schweigers Forderung: "Bringt uns bitte nur die Menschen, mit denen wir arbeiten können, die bleiben können, die nicht straffällig sind und die eine geklärte Identität haben. Bringt die anderen deutlich strenger zentral unter."
Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen kann die Forderung der Landrätin verstehen. Und weil ja doch irgendwie Wahlkampf ist, weist sie gleich noch darauf hin, dass es die Ampelkoalition war, die dafür gesorgt hat, dass Migranten leichter einen Job aufnehmen dürfen. Geflüchtete Menschen müssten schnell verteilt werden und in Arbeit kommen, fordert Göring-Eckardt. "Dazu müssen aber die Kapazitäten da sein", fügt sie hinzu. Wer zumindest mitverantwortlich ist für diesen Mangel, sagt sie nicht.
Spahn lobt Habeck
Am Ende geht es dann noch einmal um Syrien. Und da gibt es dann doch eine kleine Überraschung: Spahn lobt Robert Habeck. Der hatte im Deutschlandfunk gesagt, wenn Syrien sicher sei, müssten arbeitslose Syrer wieder zurück in ihre Heimat. "Es geht um die Frage, wer uns als Einwanderungsgesellschaft nützt in dem Sinne, dass er hier arbeitet, eine Qualifizierung hat, für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen kann, sich integrieren will und mit uns die Zukunft des Landes gestalten will, der darf bleiben. Und diejenigen, die das nicht tun ...", sagt Spahn.
Im Wahlkampf hart miteinander ringen und nach den Wahlen vernünftig miteinander reden, das wünscht sich Göring-Eckardt. Na ja, man hat schon härtere Ringkämpfe sehen können außerhalb des Wahlkampfs.
Quelle: ntv.de