
Die Säulen sagen alles - die CDU und Wüst haben gewonnen, die SPD und Kutschaty verloren. Es sieht nun nach Schwarz-Grün aus. Aber auch eine Ampel wäre möglich.
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Überraschend klar gewinnt die CDU von Ministerpräsident Wüst die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Zwar reicht es nicht mehr für Schwarz-Gelb, dafür wäre ein Bündnis mit den Grünen möglich. Es gäbe auch Alternativen, die wären aber schwer vermittelbar.
Von wegen Kopf-an-Kopf-Rennen - die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist mit einem überraschend deutlichen Ergebnis zu Ende gegangen. Die CDU von Ministerpräsident Hendrik Wüst gewinnt die Wahl souverän vor der SPD, mit sieben bis acht Prozentpunkten Vorsprung. "Das ist der ganz klare Auftrag, eine Regierung zu bilden und zu führen", sagte er auf der Wahlparty in Düsseldorf. Diesen Anspruch mag aber auch SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty nicht aufgeben. Er gratulierte zwar der CDU und sagte, sie solle nun die ersten Gespräche führen. Er hält aber am Ziel fest, vielleicht doch noch eine Ampelkoalition zu bilden - trotz des schlechtesten SPD-Ergebnisses in NRW überhaupt.
Jetzt sind aber erstmal Wüst und die Union am Drücker. Naheliegend wäre nun ein Bündnis von CDU und Grünen. Die haben ihr Ergebnis von 2017 fast verdreifacht und jubeln über das beste Ergebnis aller Zeiten in NRW, was der Partei auch schon vor einer Woche in Schleswig-Holstein gelang. Sie legten zweistellig zu und holten mehr als 18 Prozent. CDU und Grüne hätten eine überaus komfortable Mehrheit. Doch am Abend hielt sich Spitzenkandidatin Mona Neubaur mit Koalitionszusagen zurück. Entsprechenden Fragen wichen sie und andere Grünen-Politiker aus. Die Frage ist nun, ob es inhaltlich für eine Zusammenarbeit reicht. Das werden Wüst, Neubaur und ihre Unterhändler in den kommenden Wochen sondieren.
Bei der FDP hängen dagegen die Köpfe. Dass es für Schwarz-Gelb nicht mehr reichen würde, war zu erwarten gewesen - dass die Partei am Ende aber zittern musste, ob sie überhaupt den Wiedereinzug in den Landtag schafft, das war ein Schock. Ein Minus von siebeneinhalb Prozent ist verheerend. "Das ist ein sehr trauriger Abend", sagte der Bundesvorsitzende Christian Lindner. "Kopf hoch, Freie Demokraten gewinnen zusammen, Freie Demokraten verlieren auch zusammen." Lindner selbst dürfte allerdings schmerzlich vermisst worden sein in NRW. Denn vor fünf Jahren war er noch das Zugpferd gewesen, dass die Partei zu 12,6 Prozent geführt hatte. Sein Nachfolger Joachim Stamp, der bisherige Familienminister, blieb dagegen blass und war vielen Wählern unbekannt. Die liefen in Scharen zur CDU über, um die Führung einer bürgerlichen Partei in der Landesregierung sicherzustellen.
Was war mit der FDP los?
Das schwache Abschneiden der FDP wäre aber für die CDU beinahe zum Eigentor geworden. Wären die Freien Demokraten aus dem Landtag geflogen, hätte es auch für Rot-Grün gereicht. Doch dieser Albtraum bleibt der CDU voraussichtlich erspart. Es gibt aber noch einen: eine Ampelkoalition. Die hätte locker eine Mehrheit im Düsseldorfer Landtag. Diese Option dürfte den Grünen zwar willkommen sein, weil man damit der CDU drohen kann - doch wahrscheinlich ist diese Variante erstmal nicht. Die FDP hatte zwar vor der Wahl eine Ampel nicht ausgeschlossen, doch wäre es wohl kaum verständlich, wenn die beiden großen Wahlverlierer SPD und FDP am Ende in der Regierung sitzen.
Solche Sorgen haben die Grünen nicht. Sie können ganz entspannt auf den Rheinwiesen das Wahlabend-Bier genießen. Sie haben die größten Zugewinne erreicht und sind neben Wüst und der CDU die großen Gewinner. In den kommenden Sondierungsgesprächen und Verhandlungen haben sie gute Chancen, viele ihrer Ziele durchzusetzen. Denn für die CDU sind die Grünen die einzige echte Koalitionsoption. Es bliebe als Alternative nur noch eine Große Koalition mit der SPD. Die ist zwar nicht mehr ganz so ausgeschlossen wie zu früheren Zeiten, aber für alle Beteiligten die allerletzte Variante. Man würde vermutlich erst anfangen darüber nachzudenken, wenn es sonst Neuwahlen geben müsste.
Wenn die Kameras aus sind, darf auch Hendrik Wüst etwas aus sich herausgehen. Der in jungen Jahren noch so angriffslustige CDU-Politiker zeigt sich stets staatstragend und demütig, darf nun aber auch mal die Siegesfaust ballen. Was er geschafft hat, ist bemerkenswert: Im vergangenen Herbst übernahm er das Amt von Armin Laschet, der die Union bei der Bundestagswahl zu ihrem schlechtesten Ergebnis geführt hatte. In wenigen Monaten gelang es Wüst, das Amt zu verkörpern und das Vertrauen der Menschen im Westen zu gewinnen. Das lag nicht nur daran, dass er mit sinkender Kriminalität, Jobwachstum und neueingestellten Lehrern werben konnte. In einer Krisenzeit wie jetzt erwies es sich als richtig, mit dem Kampf für sichere Arbeitsplätze Kampagne zu machen. Wüsts bodenständige Art, sein Auftreten als Kümmerer, dürften ebenfalls angekommen sein.
Verlierer in die Regierung?
Sein Herausforderer Thomas Kutschaty musste am Abend einräumen, das Ziel stärkste Kraft zu werden, verpasst zu haben. Und wie. Er klammerte sich zwar geradezu daran, das Wahlziel erreicht zu haben, dass Schwarz-Gelb abgewählt wird. Die Verluste seiner Partei muss er aber auch auf die eigene Kappe nehmen. Er entwickelte nie große Zugkraft und kämpfte mit schwachen Bekanntheitswerten - obwohl er lange Justizminister war. Er versuchte das auch mit Hilfe von Olaf Scholz zu kompensieren, der ihn mehrmals in NRW besuchte. Aber auch der Kanzler brachte keinen Schub. Das Ergebnis ist eindeutig - Kutschaty hat gegen Wüst verloren. Sollte er am Ende doch Ministerpräsident werden, dann nur, wenn es keine Einigung zwischen CDU und Grünen gibt.
Bleibt noch die Frage, ob das überhaupt noch eine Landtagswahl war. Vielleicht mehr als je zuvor stimmte hier der Satz, NRW sei eine "kleine Bundestagswahl". Wie keine anderen Themen bestimmten der Krieg in der Ukraine und seine Folgen - Energieabhängigkeit, Flüchtlinge und Inflation - den Wahlkampf. Das dürfte den großen Erfolg der Grünen überhaupt erst ermöglicht haben. Und das wird man auch in Berlin bemerkt haben - im Konrad-Adenauer-Haus wie im Kanzleramt.
Quelle: ntv.de