Ticketsteuer "ist keine Steuer" Kabinett nimmt Haushalt nur zur Kenntnis, Details noch völlig unklar


Der Bundeskanzler nahm an der Kabinettsitzung am Vormittag nicht teil, er ist an Corona erkrankt. Wenige Stunden später konnte Regierungssprecher Hebestreit allerdings mitteilen, dass Olaf Scholz wieder negativ getestet wurde.
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Das Bundeskabinett nimmt die Haushaltspläne von Kanzler, Wirtschafts- und Finanzminister "zur Kenntnis", vor einem Beschluss müssen noch zahlreiche Details geklärt werden. Klar ist nur, welche Einsparungen die einzelnen Ministerien erbringen müssen.
Zu beneiden waren die Sprecherinnen und Sprecher der Bundesministerien nicht. "Aufgrund der noch laufenden Abstimmungen kann ich mich zu einzelnen Fragen nicht äußern", war eine Antwort, die sie bei der Regierungskonferenz am Mittwoch so oder ähnlich häufig gaben, wenn sie nach Einzelheiten des Haushalts 2024 gefragt wurden.
Das gilt für Details ebenso wie fürs große Ganze. So ist noch unklar, was die Erhöhung der Ticketsteuer konkret für den Preis von Flugtickets bedeuten wird. "Da bitte ich um Verständnis, dass hier noch die Prüfungen laufen", hieß es lediglich.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte allerdings, dass es sich bei der Ticketsteuer um eine Abgabe handele - und die Koalition damit nicht gegen ihre Absicht verstoße, keine Steuern zu erhöhen. "Das ist keine Steuer, das ist eine Abgabe", sagte Hebestreit über die 2011 eingeführte Luftverkehrsabgabe, wie die Maßnahme offiziell heißt. Aktuell bringt die Abgabe jährlich rund eine Milliarde Euro pro Jahr, künftig sollen es bis zu 580 Millionen Euro zusätzlich sein. Erhöht wird die Ticketsteuer, weil die rechtlichen Hürden für die eigentlich geplante Einführung einer Kerosin-Besteuerung für Inlandsflüge sich als zu hoch herausgestellt haben.
Am Mittwoch der vergangenen Woche hatten sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner nach vierwöchigen Gesprächen in einer Nachtsitzung auf die Grundzüge des Haushalts 2024 verständigt. Die Beratungen waren notwendig, weil die bisherigen Planungen nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts keinen Bestand mehr hatten. Nötig war, eine Lücke von rund 17 Milliarden Euro zu schließen. Am Dienstag, knapp eine Woche nach der Einigung, veröffentlichte die Bundesregierung erstmals eine schriftliche Mitteilung mit konkreten Einsparvorgaben.
Özdemir hält an seiner Kritik fest
Dennoch sind weiterhin nicht nur die Ausgestaltung der Luftverkehrsabgabe, sondern auch zahlreiche andere Details offen. Das Kabinett beschloss die Einsparvorgaben daher auch nicht, sondern nahm sie lediglich "zur Kenntnis", wie Hebestreit sagte. Über einige Punkte gibt es weiterhin Streit. So lehnt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir die geplante Abschaffung der Agrardiesel-Vergünstigungen und der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge nach wie vor ab.
In der Aussprache bei der Kabinettssitzung habe auch Özdemir das Wort ergriffen, sagte Hebestreit. Kabinettssitzungen seien grundsätzlich vertraulich, "aber so weit kann ich schon gehen, dass er seinen Punkt deutlich gemacht hat". Der Austausch sei "sehr offen" gewesen, aber auch "sehr gut": Alle Ministerinnen und Minister hätten deutlich gemacht, wie wichtig es sei, eine Einigung zu haben, zudem sei "eine große Solidarität zu spüren" gewesen. In gewisser Weise schränkte Hebestreit diese Einschätzung allerdings gleich wieder ein, indem er feststellte, das Bundeskabinett sei immer solidarisch.
Von der größten Oppositionsfraktion kam scharfe Kritik am Vorgehen der Ampel. "Diese Koalition schafft es ganz offensichtlich nicht wirklich, Schwerpunkte zu setzen, wirklich lange Linien zu zeichnen und diese Krise auch als eine Chance zu sehen, den Haushalt neu zu ordnen, Prioritäten neu zu setzen", sagte Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei im Frühstart von ntv. Es stelle sich die Frage: "Was gilt denn jetzt und inwiefern hat der Bundeskanzler noch die Zügel in der Hand?"
Klar ist, dass an den Einsparzielen im Grundsatz nicht gerüttelt werden soll. Wenn also beispielsweise Özdemir die künftigen Belastungen für die Bauern verhindern will, dann muss er die 480 Millionen Euro, die durch die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung in den Haushalt kommen sollen, sowie die 440 Millionen Euro aus dem Ende der Agrardiesel-Befreiung an anderer Stelle organisieren.
Deutschlandticket wahrscheinlich nicht betroffen
Was die Sprecherin des Entwicklungshilfeministeriums sagte, gilt ebenso für fast alle anderen Ressorts: Die Kürzungen seien sehr schmerzhaft, ihre Umsetzung werde derzeit "im Haus diskutiert". Hebestreit sagte, jedes Ministerium wisse nun, welche Summe es einsparen müsse, "alles Weitere ergibt sich in den nächsten Wochen".
Selbst beim Deutschlandticket konnte der Sprecher des Verkehrsministeriums keine völlige Entwarnung geben. Zwar seien seinem Haus "keine Auswirkungen hierauf bekannt", sagte er. Aber grundsätzlich gelte, "was hier immer gesagt wird" - dass Details noch unklar sind. Hintergrund ist, dass "der Ansatz für die Regionalisierungsmittel im Haushalt" um 350 Millionen Euro gekürzt werden soll - ein Posten, der von den Bundesländern für den Schienenpersonennahverkehr genutzt wird.
Anfang Januar will das Kabinett den Budgetentwurf endgültig beschließen und ihn dann ans Parlament weiterleiten. Angesichts der vielen noch offenen Punkte dürfte der Zeitplan eng sein - und in einigen Ministerien auch zwischen den Jahren gearbeitet werden, vor allem in dem für Finanzen. Die wichtige Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses könne Mitte Januar stattfinden, sagte Hebestreit, der eigentliche Beschluss im Bundestag Ende Januar fallen. Am 2. Februar könnte dann der Bundesrat darüber abstimmen. "Bis dahin gilt die vorläufige Haushaltsführung."
Quelle: ntv.de