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Terror-Vorwürfe "absurd" Kreml macht Ukraine mitverantwortlich - Kiew dementiert heftig

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Nach Angaben des russischen Ermittlerkomitees nutzten die Terroristen eine brennbare Flüssigkeit, um in den Räumen der Konzerthalle Feuer zu legen.

Nach Angaben des russischen Ermittlerkomitees nutzten die Terroristen eine brennbare Flüssigkeit, um in den Räumen der Konzerthalle Feuer zu legen.

(Foto: REUTERS)

Nach der Attacke bei Moskau mit über 100 Toten meldet der Kreml die Festnahme von elf Terrorverdächtigen. Darunter seien auch vier der Angreifer. Der Geheimdienst behauptet, die Täter hätten "Kontakte" in die Ukraine. Kiew bestreitet jedoch jede Beteiligung. Die Anschuldigungen seien "absurd".

Einen Tag nach dem Terroranschlag auf eine Konzerthalle im Moskauer Vorort Krasnogorsk hat Russland die Ukraine für die Tat mitverantwortlich gemacht. Kiew dementierte jede Beteiligung und sprach von "absurden" Vorwürfen. Bei dem Terrorangriff waren mehr als 100 Menschen gestorben. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), die in Syrien gegen Russland kämpft und auch in der russischen Kaukasusregion aktiv ist, reklamierte die Tat für sich, wie das IS-Sprachrohr Amak im Internet unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen meldete. Dies wurde von den russischen Behörden zunächst nicht kommentiert. Experten gingen davon aus, dass dieses Bekennerschreiben echt ist.

Am Samstagvormittag meldete der Chef des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB, Alexander Bortnikow, die Festnahme von elf Personen, vier sollen "direkt an der Ausführung des Angriffs beteiligt" gewesen sein. Laut der Nachrichtenagentur TASS geht der FSB davon aus, dass die Angreifer "Kontakte" in die Ukraine hatten. "Nachdem sie den terroristischen Angriff verübt hatten, wollten die Kriminellen die russisch-ukrainische Grenze überqueren", zitierte TASS aus einer FSB-Mitteilung. Nach Angaben des russischen Ermittlungskomitees wurden die vier mutmaßlichen Angreifer in der Region Brjansk festgenommen, die an die Ukraine und an Belarus grenzt.

Die russischen Behörden nannten zunächst keine Belege für ihre Vermutungen zu den Ukraine-Kontakten der Angreifer. Putin selbst trat erst am Mittag öffentlich in Erscheinung und nannte den Angriff eine "barbarische terroristische Tat". Auch er behauptete, die Täter hätten in die Ukraine fliehen wollen: "Sie haben versucht, sich zu verstecken und haben sich in Richtung Ukraine bewegt, wo für sie ein Fenster für einen Grenzübertritt vorbereitet worden war."

Die Chefin des russischen Staatsmediums RT, Margarita Simonjan, sieht die Verantwortlichen für den Terroranschlag nicht beim Islamischen Staat. Diese Version sei von US-Seite gestreut worden, behauptete sie bei Telegram, ohne Beweise vorzulegen. Nach Darstellung Simonjans, die in russischen Geheimdienstkreisen gut vernetzt ist, sollen Ukrainer für die Tat verantwortlich sein. Die Täter seien so ausgewählt worden, "dass man eine dumme Weltgemeinschaft davon überzeugen kann, dass es der IS war", teilte Simonjan weiter mit.

Kiew: Anschuldigungen sind "absurd"

Indes hat die ukrainische Führung die Anschuldigungen aus Russland als "absurd" zurückgewiesen. "Es war klar, dass die Version der russischen Verantwortlichen 'die ukrainische Spur' sein würde", erklärte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak bei X. "Die Erklärungen der russischen Dienste in Bezug auf die Ukraine sind völlig unhaltbar und absurd." Die Ukraine habe nicht die geringste Verbindung zu dem Vorfall. "Die Ukraine hat niemals terroristische Kriegsmethoden angewandt", schreibt Podoljak.

Solche Andeutungen über eine ukrainische Verbindung hätten nichts mit der Realität zu tun, sagte auch ein Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes. Vielmehr handele es sich hier um "eine weitere Lüge des russischen Geheimdienstes". "Die Ukraine war natürlich nicht in diesen Terroranschlag verwickelt. Die Ukraine verteidigt ihre Souveränität gegen russische Invasoren, befreit ihr eigenes Territorium und kämpft gegen die Armee der Besatzer und gegen militärische Ziele, nicht gegen Zivilisten", fügte der Sprecher hinzu.

Das ukrainische Außenministerium wies bereits kurz nach dem Anschlag den Verdacht einer Verwicklung Kiews zurück. Auch die USA mahnten in einer ersten Reaktion, keinen Zusammenhang mit der Ukraine herzustellen. "Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Ukraine oder Ukrainer mit den Schüssen zu tun hatten", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington. Man könne bisher nicht viel zu den Details mitteilen, rate aber zu diesem frühen Zeitpunkt eindringlich von der Annahme ab, dass es eine Verbindung zur Ukraine gebe. Die USA hatten im Vorfeld vor der Gefahr terroristischer Anschläge in Russland gewarnt, die Behörden des Landes nahmen dies offenbar nicht ernst.

Experten sehen Indizien für IS als Täter

Die Einschätzung, dass die Ukraine an dem Terroranschlag unbeteiligt war, teilt auch der Terrorismusexperte Peter Neumann vom King's College London im Gespräch mit ntv. Demnach sprächen alle Indizien für eine Täterschaft der Terrormiliz Islamischer Staat. Das Bekennerschreiben sei über die richtigen IS-Kanäle verbreitet worden. Zudem spreche die Art und Weise der Durchführung des Anschlags typischerweise für den IS, so Neumann. Darüber hinaus sei erwiesen, dass es sich bei den Terroristen um Bürger der zentralasiatischen Republik Tadschikistan handle. Dort sei der IS-Ableger aktiv, so Neumann.

Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger schätzt im Gespräch mit ntv die Situation ähnlich ein. Nachdem zunächst verschiedene Szenarien möglich waren, hätten sich die Indizien verdichtet, dass eine Gruppierung des IS die Tat ausgeführt hat. Aber das genaue Wissen sei noch nicht da, die russische Regierung behalte dies momentan für sich.

In Washington hieß es, die USA hätten die russischen Behörden bereits im März vor einem sich möglicherweise gegen "große Versammlungen" richtenden Anschlag gewarnt. Vor drei Wochen habe die US-Regierung Informationen über einen "geplanten Terroranschlag in Moskau" gehabt, sagte eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA. In der Warnung der USA wurden ausdrücklich Konzerte in Moskau genannt.

Quelle: ntv.de, gut/AFP/dpa/rts

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