Und, wie war Ihre Woche so? Laschet braucht Nervennahrung, Scholz ist berührt
21.08.2021, 08:03 Uhr
Angespannt? Ja, durchaus: Laschet auf Wahlkampftour in Oberhausen.
(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)
Olaf Scholz erlebt die beste Woche der SPD seit Jahren und Annalena Baerbock guckt plötzlich in den bronzenen Abgrund. Niemand weiß, was die alles überschattende Afghanistan-Krise mit den Umfragen macht. Für Armin Laschet jedenfalls kann es kaum schlechter laufen.
Schokolade für die Nerven
Von Nadine to Roxel
Wahlkampf hat auch viele schöne Seiten, selbst für Armin Laschet: Diese Woche ist er im Norden der Republik unterwegs. Selfies mit dem Partei-Nachwuchs, auch Touristen wollen ein Foto mit ihm. "Wo habt ihr denn die Geräte?", fragt Laschet und meint das Handy. Es sind solche kleinen Momente, die den Eindruck vermitteln, der Kanzlerkandidat steht gewaltig unter Druck. Die Umfragen scheinen gerade nur eine Richtung zu kennen: abwärts. Im aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer liegt die Union nur noch zwei Prozent vor der schon halb-tot geglaubten SPD.
In der Partei regt sich offen Unmut über Laschet. Den Aufschlag macht diese Woche mal wieder Markus Söder. Die Lage sei sehr kompliziert, sagt er auf einer Pressekonferenz. "Im Moment ist jedenfalls eines klar, es besteht eine ganz realistische Möglichkeit, ohne die Union zu regieren." Alle müssten an einem Strang ziehen und gemeinsam kämpfen. Aber das ist dieser Tage so eine Sache bei der Union. Der Wahlkampf erinnert an den der SPD vor vier Jahren: Hinter vorgehaltener Hand lästern die eigenen Leute über den Kanzlerkandidaten Laschet, er könne es einfach nicht. In der Fraktionssitzung am Freitag fordert die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel indirekt Laschets Rücktritt. Nachdem der Vorgang die Runde macht, veröffentlicht sie ein Statement: "Ich stehe hinter unserem Kanzlerkandidaten." Es droht peinlich zu werden.
Am Wochenende ist der große Wahlkampfauftakt geplant. Mit Angela Merkel, Söder und natürlich Laschet. Der hat diese Woche noch im Wahlkampf in Niedersachsen ein Fresskörbchen geschenkt bekommen, mit Honig, Kartoffeln, Eiern und Schokolade. "Wenn es mal ganz hart kommt, für die Nerven", so die Erklärung zum Präsent. Womöglich hat er schon längst reingebissen.
Die Sphinx spürt Rückenwind
Von Sebastian Huld
Olaf Scholz ist kein Mann der Emotionen, zumindest nicht nach außen hin. Deshalb muss man es dem SPD-Kanzlerkandidaten als Service am Wähler auslegen, wenn er seine Gefühlswelt von sich aus beschreibt: "Ich bin ganz berührt von den Umfragen, die sagen, dass viele mir das Amt des Regierungschefs zutrauen", sagt Scholz mit ungerührter Miene und monotoner Stimme zum Wahlkampfauftakt in der sozialdemokratischen Herzkammer Bochum. Möglich, dass der Bundesfinanzminister dann aber spätestens am Dienstagabend von heftigen Gefühlswallungen ergriffen wird. Da erfahren erste Eingeweihte, dass die SPD im RTL/ntv-Trendbarometer an den Grünen vorbeigezogen und bis auf zwei Prozentpunkte an die Union herangerückt ist. Ein Jahr lang schienen die schwachen Zustimmungswerte der SPD in Stein gemeißelt, ihr Kanzleranspruch und das 20%+X wirkten fast schon peinlich. Aber jetzt lacht Scholz, innerlich.
Aber wie lange noch? Die beste Woche der SPD seit jener vor Entgleisung des Schulz-Zugs im Frühjahr 2017 wird überschattet von den dramatischen Bildern aus Kabul. Und von der Frage: Zu welcher Partei gehört eigentlich dieser überfordert wirkende Außenminister? Scholz jedenfalls wird vorerst besser nicht damit hausieren gehen, dass er Heiko Maas mit "Genosse" anreden darf. Seine Forderungen nach engagiertem Einsatz zur Rettung aller deutschen Staatsbürger und möglichst vieler Ortskräfte und anderer gefährdeter Afghanen richtet der Vize-Kanzler daher lieber ganz allgemein an die Bundesregierung, und nicht an den Sozialdemokraten Maas.
Auf Wahlkampftour durch den heimatlichen Wahlkreis in Brandenburg darf Scholz dann noch eine Dampferfahrt unternehmen. Sollte er während der Havel-Tour darüber nachgedacht haben, ob er ab jetzt oben schwimmt oder wegen Maas und Afghanistan doch noch baden geht, war es ihm nicht anzusehen. Natürlich nicht.
Baerbock fürchtet Bronze
Von Holger Schmidt-Denker
Es sollte eigentlich ein entspannter Wochenauftakt für die grüne Kanzlerkandidatin werden: gemeinsamer Auftritt mit dem ehemaligen grünen Alphatier Joschka Fischer in Frankfurt (Oder), wo vor genau 17 Jahren die EU-Osterweiterung zelebriert wurde. Die Nachrichtenlage ist allerdings angesichts der Bilder aus Kabul alles andere als entspannt. Aber vorwerfen lassen müssen sich die Grünen in Sachen Afghanistan nichts, sind sie doch für das kollektive Versagen der Regierungsparteien nun wirklich nicht verantwortlich. Und so wird der Wahlkampfauftritt zum Selbstläufer. Baerbock fordert energisch schnelle Hilfe für die Menschen vor Ort. Fischer, immerhin als Außenminister für die ersten Jahre des Einsatzes mitverantwortlich, kritisiert die überstürzte Abzugsentscheidung. Falsch machen kann man in der Frage als Grüne eigentlich nichts.
Kniffliger wird die Situation für Annalena Baerbock dann allerdings abends in der Premierensendung von RTL Direkt bei der Frage nach einem möglichen Linksbündnis nach der Wahl. Ein Koalitionsmodell, das übrigens noch vor wenigen Wochen nach den damaligen Umfrageergebnissen als völlig undenkbar gegolten hat. Dementsprechend kam damals von Spitzengrünen auch eher ein "Die Frage stellt sich nicht" oder "Schwierig bei den Linken-Positionen zu Bundeswehr und Nato". Inzwischen formuliert man vorsichtiger. Zitat Baerbock: "Mit wem kann man koalieren, mit wem hat man Schnittmengen?" Klare Abgrenzung sieht anders aus.
Und auch eine andere Erkenntnis hat die Grünen-Spitze erfasst. Das Duell Laschet versus Baerbock, nach dem es ja lange aussah, ist einem Dreikampf gewichen, angereichert durch Olaf Scholz. Die Kanzlerkandidatin reagiert prompt und anerkennt den Status der SPD als gleichrangig. Man sei in der Situation, wo drei Parteien dafür werben, wie die Zukunft des Landes aussehe, so Baerbock. "Sehr, sehr spannende Wochen" würden das jetzt. Aber die spannendste Frage scheint inzwischen die zu sein, wer als Erster, Zweiter und Dritter durchs Ziel geht. Sollte der Lauf von Scholz Bestand haben, könnte es gut sein, dass sich die Ex-Goldaspirantin Baerbock mit der Bronzemedaille begnügen muss.
Das ist die 14. Folge der Wahlkampf-Kolumne "Und, wie war Ihre Woche so?" Folge 13 lesen Sie hier.
Quelle: ntv.de