Dreikönigstreffen der FDP Lindner trotzt Fieber, Strack-Zimmermann stiehlt die Show


Beim Dreikönigstreffen schafft es FDP-Chef Lindner trotz Fieber den Gästen Mut für das kommende Jahr einzuhauchen. Er hält die längste Rede, doch auch Generalsekretär Djir-Sarai überzeugt, während die künftige Europapolitikerin Strack-Zimmermann mit teils deftigen Sprüchen beiden die Show stiehlt.
Als Christian Lindner die Bühne des Opernhauses Stuttgart betrat, schnäuzte er noch einmal in sein Taschentuch. Fieber habe er auch, wie er kurz darauf sagte - Sorgen solle man sich aber nicht um ihn machen. "Das ist der Unterschied zwischen Marie-Agnes und mir. Sie braucht keinen Infekt, um auf Betriebstemperatur zu kommen", sagte er unter dem Lachen des Publikums, das gerade eine fulminante Rede der designierten Spitzenkandidatin Strack-Zimmermann für die Europawahl erlebt und bejubelt hatte. Die Düsseldorferin eröffnete damit den Wahlkampf für die Wahl am 9. Juni.
Dadurch und auch durch persönliche Töne von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte die Kundgebung weniger von einer One-Man-Show als in früheren Jahren. Nicht nur wegen seiner Erkältung war es ein schwieriges Dreikönigstreffen für den FDP-Chef. Gerade musste er eine Mitgliederbefragung zur Frage überstehen, ob seine Partei in der Ampelkoalition bleiben soll. Das Ergebnis war denkbar knapp - pro Verbleib. Darüber sprach er aber ebenso wenig wie seine Vorredner. Neben Strack-Zimmermann und Djir-Sarai waren das FDP-Landeschef Michael Theurer und der Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Hans-Ulrich Rülke.
Wobei, ganz totgeschwiegen wurde das Thema nicht. Die Bühne schloss nach hinten eine riesige Leinwand ab, auf der der Slogan "alles, nur nicht unentschieden" prangte. Für den Verbleib in der Ampel stimmt das zumindest. Nach dem Abstimmungserfolg gelobte die FDP, besser zu kommunizieren, was sie alles in und mit der Ampel erreicht hat. Dafür war das Dreikönigstreffen die ideale Bühne. Lindners Kernbotschaft war zunächst ein Aufruf zu mehr Optimismus. Er habe den Eindruck, in Deutschland gebe es eine regelrechte Lust am Niedergang. "Ich bin offen: Ich ertrage es kaum mehr." Eine Gesellschaft, die nicht mehr an ihre Zukunft glaube, verspiele sie. Es gebe viel zu tun, aber "durchwursteln", eine Form von "Wir schaffen das" und "unterhaken" würden die Lage nicht wenden. Eine Spitze Richtung Kanzleramt, denn "unterhaken" ist eines der Lieblingswörter von Kanzler Olaf Scholz.
In der Kurzfassung zählte Lindner dann das auf, was die FDP-Granden bei jeder Gelegenheit sagen: das Gesetz zur Einwanderung von Fachkräften, die Entlastung bei Einkommens- und Lohnsteuer, das neue Staatsbürgerschaftsrecht, Bürokratieabbau oder auch das Startchancengesetz. Lindner forderte außerdem die CDU auf, sein Prestigeprojekt, das Wachstumschancengesetz, nicht länger im Bundesrat zu blockieren und in Verhandlungen darüber zu treten.
"Ich nehme von der CDU keine Belehrungen an"
Der Parteichef verband all das mit Attacken auf die Union, zeigte sich angefasst über eine Äußerung von Generalsekretär Carsten Linnemann, es sei "Wahnsinn, was diese Regierung mit dem Land macht." Lindners Gegenschlag: Die Union hätte jahrelang eine "naive Migrationspolitik" mitgetragen und das Autobahn- und Schienennetz verkommen lassen. In der Energiepolitik sei es "Wahnsinn" gewesen, aus Kohle und Kernenergie gleichzeitig auszusteigen. "Ich nehme von der CDU keine Belehrungen an, dass wir nicht schnell genug darin sind, den hinterlassenen Scherbenhaufen zusammenzukehren."
Ausführlich rechtfertigte er das Einhalten der Schuldenbremse. Hohe Zinsen führten zu steigenden Belastungen, Deutschland müsse stattdessen wieder Puffer für künftige Krisen haben und Stabilitätsanker in Europa bleiben. Das Grundgesetz verbiete, für dieses und jenes die Schuldenbremse auszusetzen. Außerdem werde bereits auf Rekordniveau investiert. Kritiker halten dem entgegen, dass die Staatsschulden so gering sind, dass es Spielräume für mehr Investitionen auf Pump gäbe.
Dabei sicherte der FDP-Chef den Flutopfern Hilfe zu: "Wer unverschuldet in Not gerät, kann sich auf die Solidarität unserer Gesellschaft verlassen!" Das konnte man auch als Konter auf Stimmen aus der SPD verstehen, die gefordert hatten, wegen des Hochwassers die Schuldenbremse auszusetzen. Das sei aber nur letztes Mittel, "ultima ratio" für ihn, wie Lindner später sagte.
Keine aggressive Stimmung bei den Bauern
Lindner trat als ein Finanzminister vor die FDP-Freunde, dem der Haushalt vom Bundesverfassungsgericht um die Ohren gehauen wurde. Er räumte ein, dass das "peinlich" gewesen sei. Nebeneffekt des Hau-Ruck-Verfahrens für das 2024er-Budget ist der Bauernprotest. Lindner, aber auch Strack-Zimmermann, verurteilen dabei scharf die Angriffe auf Klimaschutzminister Robert Habeck. Den Bauern rief Lindner zu: "Sie haben sich verrannt. Kehren Sie um!" Landfriedensbruch, Nötigung und Sachbeschädigung seien Fälle für den Staatsanwalt.
Er verwies auch darauf, dass die Landwirte hoch subventioniert würden. Auch sie müssten einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Gleichwohl gebe es eine besondere Verantwortung der Gesellschaft für die Bauern - das gelte aber auch umgekehrt. Auch an der Stuttgarter Oper hatten sich an diesem Morgen einige Bauern vom Landesbauernverband Baden-Württemberg postiert. Sie trugen dem Landeschef Theurer vor, dass sie auch den Kompromiss beim Agrardiesel ablehnen. Doch aggressiv war die Stimmung nicht - ernst ja, aber am Ende geben sich alle die Hand.
Strack-Zimmermann zeigte mit ihrer Rede, dass sie für die FDP die richtige Wahl als Europa-Spitzenkandidatin ist - zumindest für den Wahlkampf. Jubel und Applaus brandeten ihr schon entgegen, als sie die Bühne betrat. Mit den Worten "Ich habe ja noch gar nichts gesagt", erntete sie den ersten Lacher. Mit gewohnt losem Mundwerk forderte sie Hilfe für die Ukraine ("Putin hält die EU für totale Weicheier"), bezeichnete sich als "totalen Europafreak" und attackierte die Präsidentin der EU-Kommission für angeblich wachsende Bürokratie mit dem Spruch: "Wir brauchen weniger von der Leyen und mehr von der Freiheit!"
Wer sich nach mehr Ruhe sehne, solle doch "in Moskau anrufen", so Strack-Zimmermann. Die Forderung nach einer stärkeren Bundeswehr habe nichts mit Kriegstreiberei zu tun - was Aktivisten im Publikum skandierten. Von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer würde sie gerne einmal wissen, was sie zu Tausenden Vergewaltigungen in der Ukraine sagten.
Zuwanderern eine "inländische Identität" geben
Generalsekretär Djir-Sarai sprach leidenschaftlich über Migrationspolitik - wie üblich sagte er, Deutschland brauche Zuwanderung von Arbeitskräften, nicht aber in den Sozialstaat. Er verband das aber auch mit persönlichen Tönen. Er erzählte, dass seine Familie nach der Revolution im Iran 1979 fliehen musste und auf der ganzen Welt verstreut sei. "Wenn ich meinen Cousin in Kalifornien anrufe und ihn frage: 'Was bist du?', dann sagt er: 'Ich bin Amerikaner'." Seine Cousine in Kanada bezeichne sich als Kanadierin und ein weiterer Cousin in Australien sage ohne Zögern, er sei Australier.
Wenn er aber seine Familie in Deutschland frage, überlegten sie lange und sagten dann: "Ich bin Bürger mit Migrationshintergrund". Daher sei es so wichtig, gerade den Kindern von Geflüchteten und Zugewanderten in Deutschland eine "inländische Identität" zu geben. Dafür bekam er kräftigen Applaus, ebenso wie es ihn auch für Lindner und Strack-Zimmermann gab.
An diesem Vormittag in Stuttgart war nichts von den Ampelgegnern in der Partei zu spüren. Für die FDP-Spitze war es ein gelungener Start ins Jahr. Die Streitlust oder - freundlicher formuliert - Diskussionsfreude der Liberalen dürfte der Ampelkoalition jedenfalls erhalten bleiben.
Quelle: ntv.de