Vor dem Dreikönigstreffen Diese drei Krisen erwarten die FDP im neuen Jahr


Christian Lindner beim Dreikönigstreffen vor einem Jahr. Da hatte er gerade das erste Ampel-Jahr hinter sich.
(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)
Das Dreikönigstreffen ist für die FDP der Start ins neue Jahr und zugleich Gelegenheit für einen Blick zurück. Nach dem Jahr, in dem die Ampel viel Vertrauen verspielte, soll nun alles besser werden. Doch das wird alles andere als ein Selbstläufer.
Alle Parteien begehen in irgendeiner Form den Jahreswechsel, doch so viel Aufwand wie die FDP betreibt keine. Im Opernhaus Stuttgart treffen sich immer am 6. Januar FDP-Größen und Mitglieder. Der Parteivorsitzende hält eine Rede und idealerweise fahren anschließend die Gäste beseelt nach Hause, um in ihren Landkreisen die frohe Kunde liberaler Ideen und Problemlösungen zu verbreiten.
Das wird in diesem Jahr nicht leicht. Die FDP hat viel Vertrauen der Wähler verloren, genau wie die anderen Parteien der Ampelkoalition auch. Wer eher mit SPD und Grünen, ja vielleicht auch mit der Merkel-CDU sympathisiert, sieht in den Liberalen wieder die Dagegen-Partei, die bei Heizungsgesetz und Schuldenbremse und anderen Projekten immer wieder "Nein, nein und nochmals nein" sagt. Für die andere Seite gibt es eine Alternative: Friedrich Merz hat die CDU wieder geeint und zu einer Partei für jene gemacht, die konservativ und bürgerlich ticken. Der Gedanke "Die FDP trägt bloß linke Politik mit" ist Gift für die Liberalen. Lindner selbst verwies im Interview mit ntv.de darauf, dass es normal sei, dass eine Regierung zur Mitte einer Legislaturperiode schwächele. Nicht normal ist aber, dass aus der eigenen Partei Forderungen kommen, die Regierung zu verlassen. Eine entsprechende Mitgliederbefragung ging knapp zugunsten des Verbleibs in der Koalition aus. Doch auch hier wird Lindner zusammenführen müssen.
Dabei ist die Bilanz der Ampel besser als ihr Ruf, auch die der FDP. Gaskrise abgewendet, Ausbau erneuerbarer Energien vorangebracht, Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen und das Bürgergeld eingeführt. Lindner verweist darauf, dass die Menschen im neuen Jahr um 15 Milliarden Euro entlastet werden. Außerdem mäßigt sich die Inflation und die Reallöhne steigen.
Eigentlich eine Bilanz, auf die sich aufbauen ließe. Doch gingen solche Errungenschaften oft im Koalitionsgetöse unter. Doch nicht nur das, es gibt weitere Probleme. Die Migrationskrise zum Beispiel. Und dann gibt es noch immer keinen Haushalt für das laufende Jahr. Das ist das erste Problem, das Lindner lösen muss. Die beiden anderen in diesem Jahr: Europawahl und Landtagswahlen in Ostdeutschland.
Die Haushaltsfrage
Lindner nannte es selbst "peinlich", dass dieser Regierung dieser Fehler unterlaufen ist. Das Bundesverfassungsgericht warf am 15. November den Haushalt für das vergangene und das neue Jahr über den Haufen. Haushaltsplanung ist aber der Job des Finanzministers. Lindner hat, wie er es nennt, "politische Verantwortung" übernommen. Das verband er allerdings nur mit der Konsequenz, einen Staatssekretär in den Ruhestand zu versetzen. Die Idee, Corona-Milliarden in den Klimaschutzfonds KTF zu schieben und Schulden auf Vorrat aufzunehmen, soll ihm und dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz gekommen sein. Lindner sagte gegenüber ntv.de, er habe jetzt reinen Tisch gemacht.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Auf dem Tisch liegt noch immer der Haushalt für das laufende Jahr. Dafür ist ein Gesetzesverfahren erforderlich, das wohl mindestens bis Anfang Februar dauern wird. Und wie seit Langem zu beobachten, gaben die Ampelpolitiker kein geschlossenes Bild ab. Nachdem Scholz, Lindner und Habeck vor Weihnachten eine Einigung verkündet hatten, wurde danach vor allem eines deutlich: dass es keine Einigkeit gibt.
Erst wurde die Kerosinbesteuerung im Inland verkündet, dann wieder zurückgenommen. Dann gab es Aufregung um die Landwirte. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir stellte sich sogleich gegen die Pläne, den Landwirten den Agrardiesel zu verteuern und die KFZ-Steuerbefreiung zu streichen. Und wie auf Zuruf fuhren Hunderte Traktoren vor dem Brandenburger Tor in Berlin auf, um gegen die "inakzeptablen Belastungen" zu demonstrieren.
Mittlerweile wurden die Pläne teilweise zurückgenommen. Der Agrardiesel soll jetzt nur noch stufenweise teurer werden. Was auch den Landwirten nicht entging, deren Bauernverband prompt erklärte, weiter protestieren zu wollen. Für die kommende Woche sind Aktionen in ganz Deutschland geplant. Ob die Regierung trotzdem bei ihrem gerade erklärten neuen Plan bleibt? Dass die Frage gestellt werden muss, sagt viel über die Verlässlichkeit der Ampeläußerungen. All das passierte nur in den vergangenen zwei Wochen. Für einen Finanzminister, der für "solide Finanzen" stehen will, sieht das alles nicht gut aus. Auch wenn der Haushalt in vier Wochen stehen sollte - das Etikett "Mit Ach und Krach" wird er kaum loswerden.
Die Europawahl
Anfang Juni wählen die Menschen in der Europäischen Union das Europaparlament neu. Es ist die einzige bundesweite Wahl in diesem Jahr. Auch wenn es eigentlich nicht um Bundespolitik geht, ist das auch ein Stimmungstest. Man kann der FDP nicht vorwerfen, die Wahl nicht ernst zu nehmen. Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist die prominenteste Politikerin der Partei als Spitzenkandidatin vorgesehen. Die Stärke der Düsseldorferin ist, dass sie klar sprechen und Menschen erreichen kann. Auch wenn sie - wie beim Karneval mit einem ziemlich hart an der Grenze formulierten Parodie-Gedicht über Friedrich Merz - etwas übers Ziel hinausgeschossen sein mag.
Dennoch, in einer Wahl mit einer schwächeren Beteiligung ist es wichtig, jemand mit Strahlkraft ins Rennen zu schicken. Allerdings wird Strack-Zimmermann als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und damit als lautstarke Unterstützerin der Ukraine in Berlin fehlen.
Die Europawahl ist auch für die AfD die große Chance, ihre starken Umfragewerte in ein Wahlergebnis umzumünzen. Um den rechtsradikalen Kern der AfD scharen sich viele Wütende und Frustrierte, die über Migration, Heizungsgesetz und manches andere schimpfen. Es ist die Aufgabe der Parteien der politischen Mitte, die Probleme zu lösen. Insofern ist der Wahltermin für die Regierungspartei FDP, aber auch für SPD, Grüne und die Union eine Stunde der Wahrheit.
Landtagswahlen im Osten
AfD ist eines der Stichworte für dieses Jahr. Im kommenden Herbst stehen Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg an. Es gibt viele Unterschiede zwischen den drei Bundesländern, aber eines haben alle gemeinsam: Die AfD könnte überall stärkste Kraft werden. In Ostdeutschland hat die FDP seit Jahrzehnten einen schweren Stand. In Sachsen und Brandenburg zog sie in den vergangenen 30 Jahren jeweils nur zweimal in den Landtag ein. Aktuell ist sie in diesen drei Ländern überhaupt nur in Thüringen vertreten. Doch Grund zur Freude ist das für die Partei nur bedingt.
Denn dort führt Thomas Kemmerich die Partei. Das ist der Kemmerich, der sich Anfang 2020 mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Das löste ein Erdbeben aus, das auch die tiefen Gräben zwischen Bundes-FDP und dem Landesverband zeigte. Kemmerich beugte sich dem Druck und trat wieder zurück, ist aber dennoch Persona non grata in Berlin. Wahlkampfhilfe der Bundespartei soll er nicht bekommen. Viel auszumachen scheint ihm das nicht. Ausgerechnet dort also, wo der FDP-Kandidat gewinnen könnte, wird das keine große Freude im Hans-Dietrich-Genscher-Haus auslösen.
In Brandenburg und Sachsen hat die FDP generell einen schweren Stand - nichts ist unmöglich, aber ein Einzug in die Landtage dort wäre eine Überraschung. Auch unter Kemmerich kam die FDP in Thüringen nur auf 5,0 Prozent, überwand also gerade so die Fünfprozenthürde. Gut möglich, dass es im Herbst nicht wieder klappt. Da Landtagswahlen immer auch vom Bundestrend mitbestimmt werden, ist das auch ein Problem für die Bundes-FDP. In den Ländern gab es seit Ampelbeginn wenig Erfreuliches. Entweder verpasste die Partei den Wiedereinzug, flog aus der Regierung oder rettete sich ganz knapp über die fünf Prozent.
Es ist kein leichter Job für den Parteivorsitzenden, zwischen zwei solch schwierigen Jahren Zuversicht und Hoffnung zu vermitteln - laut Lindner ist die Fähigkeit dazu eine Grundvoraussetzung von Führung. Er selbst spricht gern von Wellenbewegungen, die er immer wieder erlebt habe. Mal gehe es auf, mal abwärts. Das mag sein. Doch wie weit es hinuntergeht, hat die Partei selbst in der Hand.
Quelle: ntv.de