"Streit nicht vor Gericht lösen" Merkel tritt in Polen leise auf
11.09.2021, 18:45 Uhr
Beim Dialog: Bundeskanzlerin Merkel und der polnische Premier Morawiecki in Warschau.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Zwischen Deutschland und Polen gibt es einige Reizthemen: Nord Stream 2 oder die umstrittene Justizreform der nationalkonservativen Regierung. Bei Merkels wohl letztem Besuch als Kanzlerin in Warschau schlagen alle Seiten versöhnliche Töne an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei einem Besuch in Warschau dafür plädiert, den Streit zwischen der EU-Kommission und Polen ums dortige Justizsystem durch Gespräche zu lösen. "Politik ist doch mehr, als nur zu Gericht zu gehen", sagte Merkel nach einem Treffen mit Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Möglicherweise gebe es solche Gespräche schon, andernfalls werde sich Deutschland dafür einsetzen. Auch bei anderen strittigen Themen wie etwa der Ostseepipeline Nord Stream 2 setzten sowohl Merkel als auch Morawiecki auf versöhnliche Töne.
Brüssel und Warschau streiten seit längerem über Reformen des polnischen Justizsystems. Kritiker werfen der nationalkonservativen PiS-Regierung vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben. Derzeit prüft das polnische Verfassungsgericht, ob polnisches Recht Vorrang vor EU-Recht hat. Die EU-Kommission hatte am Dienstag beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) finanzielle Sanktionen gegen Polen beantragt. Hintergrund ist die fortgesetzte Tätigkeit der polnischen Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern. Der EuGH hatte in einer einstweiligen Anordnung den Stopp der Tätigkeit dieser Kammer angeordnet.
Einig in der Ablehnung Lukaschenkos
Sowohl Merkel als auch Morawiecki verurteilten den Umgang der belarussischen Führung mit Flüchtlingen aus Krisenregionen. Wehrlose Menschen aus anderen Ländern würden als Subjekte "hybrider Attacken" benutzt, sagte die Kanzlerin. "Ich halte das für vollkommen inakzeptabel." Sie appellierte an Belarus, den an der polnisch-belarussischen Grenze festsitzenden Flüchtlingen humanitäre Hilfe zukommen zu lassen.
Die Regierung in Warschau beschuldigt den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, in organisierter Form Flüchtlinge an die EU-Außengrenze zu bringen. Polen hat nun mit einem Andrang von Migranten aus dem Nahen Osten über seine 418 Kilometer lange Grenze zu Belarus zu kämpfen. Das Land hat deshalb den Ausnahmezustand in der Grenzregion ausgerufen und mit dem Bau eines Zauns begonnen.
Morawiecki sagte, er habe der Kanzlerin die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze geschildert. "Wir haben hier sowohl die Unterstützung der EU-Kommission, als auch die der deutschen Regierung, um Europa vor illegaler Migration zu schützen, vor Bewegungen, die nicht von uns abhängen." Europa müsse mehr für seine eigene Verteidigung tun und auch die Ausgaben dafür erhöhen, sagte Morawiecki weiter.
Nord Stream 2: Polen besteht auf Absprachen
Zum Thema der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 betonte die Kanzlerin, Deutschland habe mit den USA vereinbart, sich dafür einzusetzen, dass sich Russland möglichst frühzeitig verpflichte, die Gaslieferungen durch die Ukraine auch nach 2024 fortzusetzen. Diese Verpflichtung müsse aus ihrer Sicht kommen, damit Energielieferungen "nicht zur hybriden Kriegsführung benutzt werden" könne, sagte Merkel.
Polens nationalkonservative PiS-Regierung ist seit langem gegen Nord Stream 2. Sie befürchtet, dass Russland damit die Abhängigkeit Europas von seinen Gaslieferungen erhöhen und die bisherigen Transitländer unter Druck setzen könnte. Morawiecki sagte, die Absprachen zwischen den USA, Deutschland und der Ukraine seien strategisch sehr wichtig. "Die Garantien für einen Gastransit durch die Ukraine verringern die Möglichkeit einer politischen oder preislichen Erpressung durch Russland", sagte Polens Regierungschef.
Quelle: ntv.de, mau/dpa