Der Kriegstag im Überblick Moskau: Ukraine greift im Süden und Osten an - Steinmeier flüchtet in Luftschutzkeller
25.10.2022, 21:03 Uhr
Region Charkiw - Soldaten der ukrainischen Nationalgarde beschießen russische Stellungen mit einem Granatwerfer.
(Foto: dpa)
Die Kämpfe in der Ukraine gehen weiter, doch die Fronten bleiben fast unverändert. Moskau beharrt unterdessen darauf, dass die Ukraine den Einsatz einer sogenannten schmutzigen Bombe plane. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kommt überraschend zu einem Besuch in die ukrainische Hauptstadt Kiew - und muss zwischenzeitlich einen Luftschutzkeller aufsuchen. Der 244. Kriegstag im Überblick.
Moskau berichtet von ukrainischen Angriffen im Süden
An der mehr als 1000 Kilometer langen Front in der Ukraine gibt es derzeit nur wenig Bewegung. Russische Truppen wehrten nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau ukrainische Angriffe in der Region Cherson im Süden der Ukraine und in der Region Luhansk im Osten ab. Vertreter der von Russland in Cherson eingesetzten Besatzungsverwaltung bemühen sich um die Evakuierung von Tausenden Einwohnern über den Fluss Dnipro in weiter östlich gelegene Landesteile.
Tschetschenen-Führer Kadyrow tadelt Russlands Kriegsführung
Der berüchtigte Machthaber der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, äußerte erneut seinen Unmut mit dem Kriegsverlauf in der Ukraine. "Früher haben wir immer gesagt, dass wir eine militärische Spezialoperation auf dem Territorium der Ukraine führen, aber der Krieg findet bereits auf unserem Territorium statt", sagte Kadyrow in seinem Telegram-Kanal. Er sei damit sehr unzufrieden.
Es sei bereits das Kriegsrecht in Grenzregionen zur Ukraine verhängt worden, so Kadyrow. "Aber sie schießen weiter auf friedliche Bürger und zivile Objekte." Russlands Antwort darauf sei "schwach". Er forderte als Vergeltung die Auslöschung von ukrainischen Städten, "damit wir den fernen Horizont sehen können".
Moskau hält am Vorwurf von "schmutziger Bombe" fest
Trotz scharfer westlicher Zurückweisungen beharrt Russland auf der Behauptung, die Ukraine bereite im Krieg den Einsatz einer radioaktiv verseuchten "schmutzigen" Bombe vor. Die Weigerung der USA, dies zur Kenntnis zu nehmen, sei angesichts einer solchen Gefahr inakzeptabel, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die USA, Frankreich, Großbritannien und die Ukraine hatten zuvor die russischen Vorwürfe als falsch zurückgewiesen.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bekräftigte unterdessen, sein Land habe keine Entwicklung einer "schmutzigen Bombe" geplant und plane dies auch nicht. Die Ukraine habe ihre nuklearen Waffen 1994 abgegeben und plane nicht den Kauf neuer. Russlands wiederholte Vorwürfe werfe in der Ukraine die Sorge auf, dass Russland dies selbst unter "falscher Flagge" plane.
Biden: Atomwaffeneinsatz Russlands wäre "unglaublich schwerer Fehler"
US-Präsident Joe Biden warnte Moskau mit deutlichen Worten vor dem Einsatz von Nuklearwaffen gewarnt. "Russland würde einen unglaublich schweren Fehler begehen, wenn es taktische Atomwaffen einsetzen würde", sagte Biden auf die Frage, ob Russland den Einsatz einer nuklear verseuchten Bombe oder von Atomwaffen vorbereite. "Ich kann nicht garantieren, dass es eine Operation unter falscher Flagge ist", so Biden weiter, mit Blick auf Russlands Behauptung, die Ukraine plane die Zündung einer schmutzigen Bombe und wolle diese dann Russland anlasten. "Ich weiß es nicht, aber es wäre ein schwerer, schwerer Fehler."
IAEA plant Inspektionen auf Wunsch Kiews
Experten der Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sollen in den kommenden Tagen zwei ukrainische Atomanlagen untersuchen, die Russland bei seinen Vorwürfen zu einer "schmutzigen" Bombe erwähnt hatte. Das kündigte IAEA-Chef Rafael Grossi an. Diese Standorte würden aber ohnehin regelmäßig von der IAEA inspiziert. Der Westen wies die russische Behauptung zurück, Kiew plane, zur Diskreditierung Moskaus eine radioaktive Bombe zu zünden. Eine solche "schmutzige Bombe" besteht aus radioaktivem Material, das mit konventionellem Sprengstoff freigesetzt wird.
Steinmeier muss in Luftschutzkeller flüchten
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier traf bei seiner ersten Reise in die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges in Kiew ein. Allerdings musste er sich später bei einem Luftalarm während seines Besuchs im ukrainischen Korjukiwka für anderthalb Stunden in einen Luftschutzkeller flüchten. In der Stadt machte er sich ein Bild von den Zerstörungen durch den russischen Angriffskrieg.
Später traf Steinmeier sich noch mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj. Im Frühjahr hatte es ein diplomatisches Zerwürfnis zwischen den beiden gegeben. Jetzt dankte Selenskyj Deutschland für die Unterstützung seines von Russland angegriffenen Landes. Damit trage die Bundesrepublik zum Frieden in der Ukraine bei. Dies sei "groß und historisch wichtig", sagte er.
G7 und EU schmieden Marshallplan für Ukraine
Die G7 der wirtschaftsstarken Demokratien und die Europäische Union brachten derweil einen Marshallplan für den Wiederaufbau der Ukraine auf den Weg. Eine von Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geleitete Expertenkonferenz gab das Startsignal für ein solches Programm nach dem Vorbild der US-Hilfen für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Scholz nannte den Wiederaufbau der Ukraine eine "Generationenaufgabe, mit der man jetzt beginnen muss".
Stromabschaltungen in allen ukrainischen Regionen
Wegen der Schäden am Stromnetz durch russischen Beschuss wurde in allen ukrainischen Regionen erneut stundenweise der Strom abgeschaltet. Der Energieversorger Ukrenerho begründete die zeitlich gestaffelten Beschränkungen damit, dass die Belastung der Netze verringert und die Energiesysteme stabilisiert werden sollten. Die lebenswichtige Energie-Infrastruktur wird immer mehr zum Hauptziel der russischen Attacken.
Bombe verletzt in besetzter Stadt Melitopol fünf Menschen
In der russisch besetzten Stadt Melitopol im Süden der Ukraine explodierte eine Bombe. Das teilte die Besatzungsverwaltung mit. Der Sprengsatz in einem Auto wurde demnach an einem Geschäftszentrum gezündet. Fünf Menschen seien verletzt worden. Melitopol dient der Besatzung als Verwaltungssitz für das Gebiet Saporischschja, das Russland für annektiert erklärt hat. Die Besatzungsverwaltung sprach von einem Terroranschlag. Belegt wurde das nicht. Zugleich ist bekannt, dass ukrainische Kräfte den Kampf in besetzten Gebieten fortsetzen.
Russland stellt "Heimatwehr" in Cherson auf
Die russische Besatzungsmacht stellt im Gebiet Saporischschja wie auch in Cherson eine paramilitärische Heimatwehr auf. Deren Einheiten sollten Straßen, Brücken, Bahngleise, Fabriken und Infrastrukturobjekte bewachen, sagte Verwaltungschef Jewgeni Balizki. Notfalls werde die Territorialverteidigung aber auch "in der Abwehr an der Frontlinie" eingesetzt, zitierten ihn russische Agenturen.
ISW: Wagner-Chef könnte Putin gefährlich werden
Mit dem Ausbau militärischen Struktur parallel zur russischen Armee gewinnt der kremlnahe Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin nach Einschätzung der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) weiter an Macht in Russland. Der Chef der Söldnertruppe Wagner habe sich mit dem früheren Geheimdienstoffizier und Separatistenführer Igor Girkin zusammengetan, um ein neues Freiwilligenbataillon für den Kampf in der Ukraine zu schaffen. Die neue Truppe könnte jedoch die Macht von Präsident Wladimir Putin gefährden, berichten die Experten in ihrem aktuellen Lagebericht.
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Quelle: ntv.de, kst/dpa/rts/AFP