Krise mit USA und Australien Paris: U-Boot-Deal belastet Zukunft der NATO
18.09.2021, 21:50 Uhr
Australien kauft statt französischer nun US-U-Boote (Archivbild).
(Foto: AP)
In einem TV-Interview kritisiert Frankreichs Außenminister Le Drian die Verbündeten USA und Australien ungewöhnlich harsch. Wegen des geplatzten U-Boot-Deals mit Canberra spricht er von "Lüge" und "Doppelzüngigkeit". Der Pariser Chefdiplomat sieht gar die Zukunft der NATO in Gefahr.
Der Streit um den geplatzten U-Boot-Deal zwischen Frankreich und Australien belastet nach den Worten des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian die Zukunft der NATO. Der Vorfall habe Auswirkungen auf die Festlegung des neuen strategischen Konzepts der Verteidigungsallianz, sagte Le Drian dem Sender "France 2". Frankreichs Verbündeten USA und Australien warf er "Lüge" und "Doppelzüngigkeit" sowie einen schweren Vertrauensbruch und "Missachtung" vor, die eine "ernste Krise" ausgelöst hätten.
Am Freitagabend hatte Frankreich in einem außergewöhnlichen diplomatischen Schritt zwischen Verbündeten seine Botschafter aus Washington und Canberra zu Konsultationen zurückgerufen. Die USA, Großbritannien und Australien hatten zuvor die Gründung eines neuen Sicherheitsbündnisses für den Indopazifik verkündet, woraufhin Australien ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft mit Frankreich platzen ließ. Stattdessen will Australien US-Atom-U-Boote anschaffen.
Vor den Äußerungen Le Drians hatte der Chef des NATO-Militärausschusses, Rob Bauer, in Athen gesagt, er erwarte keine Auswirkungen des Streits um den geplatzten U-Boot-Deal auf die militärische Zusammenarbeit im Rahmen der NATO.
USA und Australien signalisieren Verständnis
Es ist das erste Mal in der Geschichte der US-französischen Beziehungen, dass Paris seinen Botschafter aus Washington zurückruft. Unter Verbündeten gilt ein solcher Schritt als äußerst ungewöhnlich. In Washington löste die französische Reaktion Bedauern aus. "Wir bedauern, dass sie diesen Schritt unternommen haben", sagte ein Vertreter des Weißen Hauses. "Wir werden uns in Zukunft weiterhin dafür einsetzen, dass unsere Differenzen überwunden werden, so wie wir es zu anderen Momenten in unserer langen Partnerschaft getan haben."
Außenamtssprecher Ned Price äußerte Verständnis für den Ärger in Paris und die Hoffnung, bei der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in der kommenden Woche in New York das Thema mit Frankreich besprechen zu können. Frankreich sei ein sehr wichtiger und "unser ältester Partner". Pentagon-Sprecher John Kirby sagte, Telefonate zwischen US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und seiner französischen Kollegin Florence Parly hätten gezeigt, "dass es hinsichtlich unserer Beziehung in Verteidigungsfragen mit Frankreich noch viel zu tun gibt".
Australiens Außenministerin Marise Payne sagte zum Streit mit Frankreich, es seien nun "sehr schwierige Fragen zu behandeln". Australien werde weiterhin "konstruktiv und eng" mit Frankreich zusammenarbeiten.
"Jahrhundertvertrag" ist geplatzt
Angesichts der Expansionsbestrebungen Chinas im wirtschaftlich bedeutsamen Indopazifik-Raum hatten Washington, London und Canberra am Mittwoch ihr neues Bündnis bekannt gegeben. Es sieht unter anderem vor, dass Australien von US-Technologie beim Bau atombetriebener U-Boote und vom Know-how bei der Cyberabwehr profitiert. Auch wollen die USA ihre militärische Präsenz in Australien ausweiten.
Kurz nach Bekanntgabe des Abkommens hatte Canberra das geplante milliardenschwere U-Boot-Geschäft mit Frankreich aufgekündigt. Der Vertrag über die Lieferung von zwölf dieselbetriebenen französischen U-Booten hatte bei Unterzeichnung 2016 ein Volumen von 31 Milliarden Euro - es war von einem "Jahrhundertvertrag" die Rede.
Auch Frankreich sieht sich wegen seiner Überseegebiete wie Neukaledonien und Französisch-Polynesien als Großmacht im Indopazifik. Le Drian hatte der Regierung in Canberra bereits am Donnerstag vorgeworfen, sie sei Paris "in den Rücken gefallen". US-Präsident Joe Biden, der die Rivalität mit China zum Top-Thema seiner Außenpolitik erklärt hat, habe eine "brutale" Entscheidung nach dem Motto seines Vorgängers Donald Trump - "Amerika zuerst" - getroffen.
Quelle: ntv.de, jog/AFP