Politik

Auch Misshandlung der Freundin? Protassewitschs Mutter spricht von Folter

Nachdem ein Video des inhaftierten oppositionellen Protassewitsch aufgetaucht ist, melden sich seine Eltern zu Wort. Sie gehen davon aus, dass gegen ihren Sohn Gewalt angewendet worden sei. Die Mutter spricht sogar von Folter. Dazu entdecken sie weitere Ungereimtheiten.

Nachdem sich der Vater des inhaftierten oppositionellen Journalisten Roman Protassewitsch sich zur Inhaftierung seines Sohnes in Belarus nach der erzwungenen Landung des Ryanair-Flugzeugs in Minsk geäußert hat, erhebt nun auch die Mutter schwere Vorwürfe. "Ich bin keine Chirurgin", sagt Natalia Protassewitsch, "aber es ist sicher, dass sie ihn auf die Nase geschlagen und diese möglicherweise gebrochen haben." Außerdem sei die linke Wange des 26-Jährigen geschwollen und hänge nach unten. "Selbst unter der Schminke sieht man eine gelbliche Färbung - vermutlich wurden Blutergüsse mit Puder überdeckt." Am Hals seien zudem Würgemale zu erkennen. "So wie es aussieht, haben sie ihn gewürgt, um aus ihm Beweise herauszuprügeln." Sie reagierte damit auf ein Video, das zuvor veröffentlicht wurde und ihren Sohn nach der Inhaftierung zeigt. Ihr Sohn sei ein sehr starker Mensch, ergänzte die 46-Jährige. Allerdings sei auch seine Freundin in Haft. Die Ermittler könnten die junge Frau misshandeln, um ihren Sohn zu brechen, fürchtet sie.

Zuvor hatte Protassewitschs Vater bereits gesagt, er glaube, dass sein Sohn zu einem Schuldeingeständnis durch Anwendung von Gewalt gezwungen worden sei. "Es ist möglich, dass seine Nase gebrochen ist, denn ihre Form ist anders und es ist eine Menge Make-up Puder darauf. Die ganze linke Seite seines Gesichts ist abgepudert", sagte Dsmitri Protassewitsch in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters.

Akt der Vergeltung?

"Es sind nicht seine Worte, es ist nicht seine Art wie er spricht. Er verhält sich sehr reserviert und man kann sehen, dass er nervös ist." Und es sei nicht seine Zigarettenschachtel auf dem Tisch - "die raucht er nicht." Daher denke er, dass sein Sohn zu der Aussage, er habe die Proteste in Belarus angestachelt, gezwungen wurde. "Mein Sohn kann nicht zugeben, die Massenunruhen verursacht zu haben, weil er so etwas einfach nicht getan hat." Die Inhaftierung seines Sohnes sei ein Akt der Vergeltung und soll Regierungskritikern zeigen: "'Schaut, wozu wir in der Lage sind'. Das ist totaler Irrsinn, was hier passiert."

Das weißrussische Innenministerium teilte mit, Protassewitsch sei in Untersuchungshaft und habe nicht über gesundheitliche Probleme geklagt. Der stellvertretende polnische Außenminister Pawel Jablonski sagte dem Privatsender TVN24, dass seine Regierung von der in Polen lebenden Mutter des Inhaftierten gehört habe, dass er sich in einem schlechten Gesundheitszustand befinde, nannte aber keine Details. Protassewitsch lebte vor seiner Festnahme im Exil. Sein Social-Media-Kanal war eine der letzten verbleibenden unabhängigen Quellen für Nachrichten über Belarus seit der Massenunterdrückung von Dissidenten im letzten Jahr.

USA wollen Belarus zur Rechenschaft ziehen

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Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten weitere Sanktionen gegen Belarus beschlossen und die sofortige Freilassung des Regierungskritikers und seiner Freundin Sofia Sapega gefordert. Zudem solle die Internationale Organisation für Zivilluftfahrt den Vorfall untersuchen, bei dem Belarus am Sonntag einen Ryanair-Flug von Griechenland nach Litauen zur Landung in Minsk angewiesen hatte. US-Präsident Joe Biden verurteilte Belarus für sein Vorgehen. Er habe seine Berater gebeten, ihm Optionen aufzuzeigen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dies solle in enger Abstimmung mit Partnern wie der Europäischen Union geschehen. Der Vorfall sei "skandalös", sagte Biden.

Der Präsident erklärte, er unterstütze die Forderung nach einer internationalen Untersuchung des Vorfalls. Zudem begrüßte er die von der EU auf den Weg gebrachten Sanktionen gegen Belarus. Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan sprach zudem mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, wie das Weiße Haus mitteilte. Die USA unterstützten die Forderung der Menschen in Belarus nach "Demokratie, Menschenrechten und grundlegenden Freiheitsrechten", versicherte Sullivan ihr demnach.

Quelle: ntv.de, als/ysc/rts/dpa

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