Protestler sind abgezogen Räumung von Lützerath beendet
16.01.2023, 19:07 Uhr
Bis zu sechs Wochen hat die Polizei für die Räumung des Orts Lützerath vorgesehen. Doch schon nach sechs Tagen ist mit dem Abzug der letzten Aktivisten der Protest beendet. Nun kann der umstrittene Abbau der Braunkohle beginnen. In den Fokus rückt nun die Frage nach der Angemessenheit des Polizeieinsatzes.
Mit dem Abzug der letzten Klimaaktivisten aus dem rheinischen Lützerath ist die Räumung des Braunkohleorts beendet. Der Abriss der Siedlung wird laut einem Sprecher des Energiekonzerns RWE fortgesetzt. "In den kommenden Tagen" werde er voraussichtlich abgeschlossen, teilte der Konzern mit. Zwei Aktivisten, die seit Tagen in einem selbst gegrabenen Tunnel ausgeharrt hatten, verließen diesen am heutigen Montag. Dazu hätten sich die Aktivisten "nach intensiven Gesprächen" freiwillig entschlossen, erklärte RWE. Damit ist die Räumung der Siedlung am sechsten Tag nach dem Beginn am vergangenen Mittwoch abgeschlossen. Das lange von Aktivisten besetzte Lützerath soll einer Erweiterung des von RWE betriebenen Braunkohletagebaus Garzweiler weichen und abgerissen werden.
Den Protest gegen die Räumung der Siedlung setzten Aktivisten indes andernorts fort: Im etwa 20 Kilometer entfernten Tagebau Hambach hielten sie einen Kohlebagger besetzt. Laut einem Unternehmenssprecher ketteten sich die Aktivisten in 50 Metern Höhe an dem Fahrzeug fest. Die Aktivisten verließen den Bagger später freiwillig, wie sie selbst mitteilten.
"Ein, zwei Videos im Netz"
Am Samstag war es bei einer Großdemonstration von Unterstützern unmittelbar bei Lützerath zu Ausschreitungen mit Verletzten gekommen. Hunderte Protestierende hatten Polizeiketten durchbrochen und waren in Richtung der Abbruchkante des Braunkohletagebaus gelaufen. Polizei und Demonstranten warfen einander Gewalttätigkeit vor. NRW-Innenminister Herbert Reul zeigte sich erfreut über die rasche Räumung. Die Behörden hätten zunächst mit einer Dauer von "vier bis sechs Wochen" gerechnet.
Reul nahm die Polizei gegen Gewaltvorwürfe in Schutz. Das nun in Umlauf gebrachte "Gerücht", bei der Demonstration seien "wild gewordene Polizisten unterwegs gewesen", sei falsch, sagte er am Vorabend bei "Anne Will". Er habe Kenntnis von "ein, zwei Videos im Netz", bei denen das Verhalten von Beamten "nicht gut" aussehe. In diesen Fällen sei inzwischen vorsichtshalber Strafanzeige gegen die Polizisten gestellt worden. In der "Rheinischen Post" warf der CDU-Politiker Teilnehmern des Demonstrationszugs zudem "Provokationen, Anfeindungen und Angriffe gegen die Polizei" vor. Die Polizei habe stets auf Deeskalation gesetzt.
"Der Einsatz muss nun aufgearbeitet werden"
Bei dem Einsatz in Lützerath wurden laut Reul 81 Beamte verletzt. Nicht jede Verletzung sei aber auf Konfrontation mit Demonstranten zurückzuführen. Rund 180 Strafanzeigen seien gegen Gewalttäter gestellt worden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser verurteilte die Gewalttaten gegen Polizeikräfte. Die vielen verletzten Polizisten seien "eine bittere Bilanz dieses Einsatzes", erklärte sie . Für Gewalt gegen Polizisten gebe es "keinerlei Rechtfertigung". Faeser kündigte an, gegen Gewalttäter werde "konsequent ermittelt".
"Der Einsatz muss nun aufgearbeitet werden", sagte Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann in Berlin. Dies gelte auch hinsichtlich der Frage, ob die polizeilichen Maßnahmen in Lützerath "verhältnismäßig waren oder nicht". Dass der Protest die Grenze zur Gewalt überschritten habe, verurteile die Regierung "ausdrücklich". Die oppositionelle SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag beantragte eine sogenannte aktuelle Viertelstunde zur Lage um Lützerath. Diese soll am Mittwoch stattfinden.
Das bereits seit längerem von seinen Bewohnern verlassene Lützerath gehört inzwischen nahezu vollständig dem Konzern RWE. Der Abriss für eine Erweiterung des Tagesbaus Garzweiler ist Teil einer Vereinbarung zwischen Bund, dem Land Nordrhein-Westfalen und RWE zur Beendigung der Braunkohleförderung in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2030.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP