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Der Kriegstag im Überblick Russische Truppen erobern Lyman - Berlin unterstützt Kiew beim Wiederaufbau

Russische Panzer im Donbass.

Russische Panzer im Donbass.

(Foto: REUTERS)

Die heftigsten Kämpfe toben momentan im Osten der Ukraine. Prorussische Separatisten verkünden die Einnahme der Stadt Lyman im Donbass. Bundesentwicklungsministerin Schulze besucht den Kiewer Vorort Borodjanka und verspricht den Menschen zivile Hilfe aus Deutschland.

Die heftigsten Kämpfe toben momentan im Osten der Ukraine. Prorussische Separatisten verkünden die Einnahme der Stadt Lyman im Donbass. Zudem soll Moskau einen weiteren Angriff auf Kiew planen. Bundesentwicklungsministerin Schulze besucht den Kiewer Vorort Borodjanka und verspricht den Menschen zivile Hilfe aus Deutschland. Der 93. Kriegstag im Überblick.

Russen erobern Lyman und dringen in Sjewejerodonezk ein

Die ukrainischen Truppen geraten im Osten des Landes immer stärker unter Druck. Prorussische Separatisten erklärten, die strategisch wichtige Stadt Lyman erobert zu haben. Der Eisenbahnknotenpunkt sei in ihrer Hand, teilten Vertreter der sogenannten Volksrepublik Donezk mit. Nach Angaben des Gouverneurs der Region Luhansk, Serhij Gaidai, ist zudem die Stadt Sjewejerodonezk zu zwei Dritteln von russischen Streitkräften eingekreist. Der sehr starke russische Beschuss habe 90 Prozent der Wohnungen in der Stadt beschädigt. Die Lage für die ukrainischen Truppen in Siewierodonezk wird laut Gaidai immer schwieriger. Russische Einheiten seien in die Stadt eingedrungen, schreibt er bei Telegram. Zwar hätten die ukrainischen Soldaten genügend Kraft und Ressourcen, um sich zu verteidigen. "Trotzdem ist es möglich, dass wir uns zurückziehen müssen, um uns nicht ergeben zu müssen.

Kreml soll über zweiten Angriff auf Kiew diskutieren

Trotz der Erfolge im Donbass bleibt die Einnahme der Hauptstadt Kiew nach Informationen des Investigativ-Mediums Meduza das oberste Kriegsziel des Kremls. Demnach berichten zwei Kreml-nahe Quellen, dass die russische Regierung weiter über Angriffe auf Kiew diskutiere und sogar auf einen umfassenden Sieg bis zum Herbst hoffe. "Wir werden sie [die Ukrainer] am Ende zermalmen. Die ganze Sache wird wahrscheinlich im Herbst vorbei sein", zitiert Meduza die anonymen Quellen. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte die vollständige Einnahme des Donbass zum absoluten Minimum einer erfolgreichen "militärischen Sonderoperation", heißt es weiter.

Schulze verspricht Ukraine Hilfe bei Wiederaufbau

Entwicklungsministerin Svenja Schulze reiste als zweites Mitglied der Bundesregierung - nach Außenministerin Annalena Baerbock - seit Beginn des russischen Angriffskrieges in die Ukraine. Bei einem Besuch des schwer zerstörten Kiewer Vororts Borodjanka sicherte sie den Menschen zivile Hilfe aus Deutschland zu. 185 Millionen Euro für Soforthilfemaßnahmen seien bereits genehmigt, sagte Schulze vor Journalisten in Borodjanka. Konkret sollen etwa Wohnungen und Stromleitungen gebaut werden. "Die Ukrainerinnen und Ukrainer brauchen einfach Wasser und Strom. Die, die innerhalb der Ukraine geflohen sind, brauchen ein Dach über dem Kopf, die Kinder müssen wieder in die Schule gehen können, und für all das braucht es Unterstützung."

Putin telefoniert mit Nehammer

Nach einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin teilte Österreichs Kanzler Karl Nehammer mit, dass dieser zu Gesprächen über einen Gefangenenaustausch bereit sei. Zudem wolle Russland seine Gaslieferungen fortsetzen. Putin wies Vorwürfe, sein Land sei für die weltweite Getreide-Krise verantwortlich, als "haltlos" zurück. Vielmehr seien die Sanktionen des Westens verantwortlich, sagte Putin nach Angaben des Kremls in dem Telefonat. Dieser erklärte in Wien, Putin habe "Signale" gegeben, dass er aus der Ukraine Exporte von Saat- und Nahrungsmittel über Seehäfen zulassen könnte. Zudem kündigte das russische Landwirtschaftsministerium an, die Ausfuhr von Getreide aufzustocken. Es sagte zu, mindestens 50 Millionen Tonnen Getreide zu exportieren. Zudem sprach Italiens Regierungschef Mario Draghi mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über die Getreidekrise, nachdem er schon mit Putin darüber geredet hatte. Eine Lösung zeichnete sich aber nicht ab.

Scholz: Putin will zurück zum Recht des Stärkeren

Beim Katholikentag in Stuttgart thematisierte auch Bundeskanzler Olaf Scholz die Hungersnot, die aufgrund des Krieges in einigen Teilen der Welt droht. Scholz sagte, das "Putinsche Narrativ", der Westen habe die ausgelöste Hungerkrise zu verantworten, müsse unbedingt widerlegt werden. Zudem verurteilte der SPD-Politiker erneut den russischen Angriffskrieg und betonte, dass Deutschland sich der Unterstützung der Ukraine verpflichtet fühle. "Wir haben uns entschieden, dem Opfer dieses Angriffskriegs beizuspringen", sagte Scholz. "Putins Krieg richtet sich gegen eine Friedensordnung, die aus dem Bekenntnis 'Nie wieder' nach zwei verheerenden Weltkriegen entstanden ist. Er will zurück zum Recht des Stärkeren."

Kreml will Wirtschaft mit 111 Milliarden Euro ankurbeln

Derweil leidet die russische Wirtschaft unter den Folgen des Krieges und der westlichen Sanktionen. Der russische Finanzminister Anton Siluanow sagte, dass der Kreml Haushaltsanreize für die Wirtschaft in Höhe von acht Billionen Rubel, umgerechnet rund 111 Milliarden Euro, setzen wolle. Putin ordnete diese Woche eine zehnprozentige Erhöhung der Renten und des Mindestlohns an, um die Inflation abzufedern. Er bestritt, dass die wirtschaftlichen Probleme vor allem mit der von Russland so bezeichneten militärischen Sonderoperation in der Ukraine zusammenhängen.

Ukraine fordert Gas-Stopp durch Nordstream 1

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf der EU vor, immer noch nicht russische Energieimporte verboten zu haben. Jeden Tag zahlten die EU-Staaten eine Milliarde Euro für Gas und Öl, mit denen die russischen Kriegsanstrengungen finanziert würden. "Der Druck auf Russland ist buchstäblich eine Frage der Rettung von Leben. Jeder Tag des Zögerns, der Schwäche, der verschiedenen Streitigkeiten oder der Vorschläge zur 'Befriedung' des Aggressors auf Kosten des Opfers bedeutet lediglich, dass noch mehr Ukrainer getötet werden", sagte er. Der staatliche ukrainische Gaskonzern und Netzbetreiber forderte von Deutschland in diesem Zusammenhang, die Erdgas-Lieferung über die Pipeline Nord Stream 1 einzustellen oder stark zu drosseln. Eine entsprechende Bitte sei der deutschen Regierung zugestellt worden, erklärt Serhij Makogon im ukrainischen Fernsehen. Deutsches Recht erlaube einen Betrieb der Pipeline unter der Bedingung, dass dadurch die Gasversorgung Europas gesichert werde. Russland trage jedoch nicht zu einer sicheren Gasversorgung bei.

USA erwägen Lieferung von Mehrfachraketenwerfern

Unterdessen ging die Debatte um westliche Waffenlieferungen an die Ukraine weiter. Die Regierung in Kiew forderte Bodenwaffen mit größerer Reichweite, insbesondere Raketenwerfer, die ihr helfen könnten, eine Artillerieschlacht gegen Russland im Osten zu gewinnen. Nach US-Angaben erwägt die Regierung von Präsident Joe Biden sogar, Kiew mit dem Artillerie-System M142 HIMARS zu beliefern, das eine Reichweite von Hunderten Kilometern haben kann. Bisher hatte auch Washington davor gewarnt, dass Waffen mit größerer Reichweite eine Eskalation bedeuten könnten, wenn die Ukraine damit Ziele tief in Russland angreifen würde. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte, jegliche Waffenlieferungen, die russisches Territorium erreichen könnten, wären "ein ernsthafter Schritt in Richtung einer inakzeptablen Eskalation".

Russische Regional-Abgeordnete kritisieren Krieg

In der Region Primorje im östlichsten Teil Russlands haben zwei kommunistische Abgeordnete öffentlich ein Ende der Offensive in der Ukraine gefordert. "Wenn unser Land die Militäroperation nicht stoppt, wird es noch mehr Waisen in unserem Land geben", sagte der Abgeordnete Leonid Wasjukewitsch während einer Sitzung des Regionalparlaments. "Wir verlangen den sofortigen Rückzug der russischen Truppen." Wasjukewitschs Fraktionskollege Gennadij Tschulga pflichtete ihm bei. Der bei der Parlamentssitzung anwesende Gouverneur der im Osten Sibiriens gelegenen Region Primorje, Oleg Koschemjako, warf den beiden kommunistischen Abgeordneten vor, "die russische Armee zu diskreditieren (...), die gegen den Nazismus kämpft". Beiden Abgeordneten wurde daraufhin mit 27 zu 5 Stimmen für die Dauer des Tages ihr Stimmrecht im Regionalparlament entzogen. Der kommunistische Fraktionsvorsitzende Anatolij Dolgatschew wandte sich umgehend gegen seine Kollegen und versprach "härteste Strafmaßnahmen".

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Quelle: ntv.de, lve/rts/dpa

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