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Die Reichen sollen es zahlen SPD legt Konzept für Neustart in der Bildung vor

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Kind im Zentrum: Die Parteitagsdelegierte Theresa Abend aus Hannover macht ein Erinnerungsfoto mit ihrem Baby und den Parteivorsitzenden Klingbeil und Esken.

Kind im Zentrum: Die Parteitagsdelegierte Theresa Abend aus Hannover macht ein Erinnerungsfoto mit ihrem Baby und den Parteivorsitzenden Klingbeil und Esken.

(Foto: picture alliance/dpa)

Kurz nach Bekanntwerden der katastrophalen PISA-Ergebnisse ist Bildung eines der Kernthemen auf dem SPD-Bundesparteitag. Die Vorsitzende Esken bringt einen Leitantrag ein, demzufolge deutlich mehr Geld in die frühkindliche Bildung und die Ausstattung der Schulen fließen soll - finanziert von Erben großer Vermögen.

Es steht schlecht um Deutschlands Kinder und Jugendliche und ihre Zukunftschancen. Der neuen PISA-Studie zufolge haben sich die Kenntnisse der 15-Jährigen in den Bereichen Lesen, Rechnen und Naturwissenschaften signifikant verschlechtert. Das nicht überraschende Ergebnis treibt auch die Sozialdemokratie um: Am letzten Tag ihres Bundesparteitags beschlossen die SPD-Delegierten ein Konzeptpapier für einen Neustart in der Bildung: mehr frühkindliche Bildung, besser ausgestattete Schulen, mehr Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Auch Ideen für eine Finanzierung enthält das Papier. "Ich bin nicht mehr bereit hinzunehmen, dass in diesem reichen Land für die Köpfe der Kinder und ihre Bildung kein Geld da sein soll", sagte die Parteivorsitzende Saskia Esken.

Die am Freitag wiedergewählte Parteichefin zog eine deprimierende Bilanz zum Zustand des Bildungssystems. "Ein Viertel aller Kinder kann am Ende der Grundschulzeit nicht genügend lesen, rechnen und zuhören", sagte Esken. Zu viele Kinder verließen die Schule, darunter jedes siebte Kind mit Migrationshintergrund. Umso wichtiger sei frühkindlicher Bildung, sodass die Kinder auf den Schulstart vorbereitet seien. "Wir wollen, dass die allermeisten von ihnen mindestens vier Jahre eine frühkindliche Einrichtung besuchen." Dafür brauche es mehr Kitas und Erzieher, auch wenn das schwer umzusetzen sei. Das Papier sieht zudem vor, Kitas beitragsfrei für die Eltern zu gestalten, so wie es die SPD schon in einigen Bundesländern durchgesetzt hat.

Uli Waterman, niedersächsischer Landtagsabgeordneter und ausgebildeter Erzieher, bemängelte die Forderung im Leitantrag, dass Städte und Kommunen jedem Kind mit Beginn des zweiten Lebensjahres einen Kita-Platz anbieten sollten. Das sei "fern jeder Realität", tatsächlich würden die Kita-Plätze mangels Erziehern vielerorts weniger und nicht mehr. "Tut mir einen Gefallen, nicht solchen Blödsinn zu beschließen". Eine knappe Mehrheit sprach sich für den Beibehalt dieser Forderung aus.

Reiche Erben sollen in Fonds einzahlen

Esken forderte den Fokus auf "Schreiben und Rechnen und Kommunizieren" zu legen. "Wer diese Grundkompetenzen nicht beherrscht, wird keinen Anschluss finden." Es sei notwendig, dass Bund, Länder und Kommunen enger zusammenarbeiten. "Dafür schlagen wir einen Deutschland-Pakt Bildung vor", sagte Esken. Der solle mit ganz gezielten zusätzlichen Fördermaßnahmen, dafür sorgen, dass Bildungsnachteile so früh wie möglich ausgeglichen werden."

Gefordert wird ein Sondervermögen, das unter anderem aus Mehreinnahmen einer reformierten Erbschaftssteuer finanziert werden soll. Im bereits am Freitag verabschiedeten Leitantrag wird ein Steuerkonzept gefordert, das 95 Prozent der Menschen entlasten soll. Auch die Freibeträge für Erbschaften sollen demnach erhöht werden, etwa damit Familien nicht ihr Eigenheim verlieren. Betriebsvermögen sollen ebenfalls nicht gefährdet werden. Dagegen will die SPD, "dass Multimillionäre und Milliardäre mehr zum Gemeinwohl beitragen". Da die Erbschaftssteuer in die Länderkassen fließt, würde eine deutlich höhere Besteuerung großer Erbschaften nicht an den Bund gehen, soll aber nach Vorstellungen der SPD für Bildung aufgewendet werden.

Esken sagte, das im kommenden Schuljahr startende Startchancen-Programm, das Schulen Projektfördermittel bereitstellt, sei im Ansatz "genau richtig". Die jährlich zwei Milliarden Euro - hälftig finanziert von Bund und Ländern - aber "erreichen nur ein Zehntel aller Schulen mit diesem Programm, wo wir doch mindestens die Hälfte aller Schulen erreichen müssen", beklagte Esken. "Mein Ziel ist es, dass wir wenigstens das Fünffache dessen ausgeben, was für das Startchancen-Programm vorgesehen ist."

Diesmal aber wirklich

Die zahlreichen Redner forderten in der Debatte zum Antrag, dass die SPD - die in vielen Bundesländern Verantwortung für Bildung getragen hat und trägt - auf, das Thema nach dem Parteitag konsequenter zu verfolgen. Schließlich hatte die PISA-Studie einmal mehr festgestellt, dass die Bildungschancen im von den Sozialdemokraten mit geprägten Deutschland besonders stark von der Herkunft der Kinder abhingen. Die hessische Landtagsabgeordnete Josefine Koebe appellierte, "dass wir diesen dringenden Aufbruch auch wirklich ernst meinen". Sie bat Bundeskanzler Scholz zu überlegen, ob Bildung nicht auch einmal zu einer Priorität in einer Bundestagsrede machen könnte?

Der Regierungschef wendet sich Mittwoch vor dem EU-Gipfel ein letztes Mal in diesem Jahr ans Parlament. Im Zentrum dürfte allerdings die Lösung der Haushaltskrise stehen. Andererseits ist die bislang ungelöste Frage, wie sich der Staat in den kommenden Jahren finanzieren will und welche Gestaltungsmöglichkeiten er haben soll, alles andere als unwichtig für die künftige Ausstattung der Bildungslandschaft.

Quelle: ntv.de

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