"An Belastungsgrenze gestoßen" SPD einigt sich auf Linie für künftige Asylpolitik


Die Sozialdemokraten weilten für ihren Bundesparteitag in Berlin.
(Foto: picture alliance/dpa)
Es ist das vielleicht hitzigste Thema des SPD-Bundesparteitags: Wie hält es die Partei mit dem Thema Zuwanderung. Jusos und Parteilinke sind empört über die EU-Asylreform und über manche Äußerung des Bundeskanzlers. Ein Kompromisspapier setzt Mindeststandards für künftige Asylverfahren.
Am zweiten Tag ihres Bundesparteitags hat sich die SPD in einer langwierigen Debatte auf eine gemeinsame Linie zur Zuwanderungspolitik in Deutschland sowie zur EU-Asylreform verständigt. "Hiermit machen wir klar, wir wollen Einwanderung und wir brauchen Einwanderung", heißt es in dem sogenannten Initiativantrag. Die Partei erkenne es aber auch an, dass die Kommunen in Deutschland an "Belastungsgrenzen" gestoßen seien bei der Unterbringung und Integration. In einer teils leidenschaftlichen Debatte über diesen Leitantrag ging es unter anderem um die Frage, ob diese Belastungsgrenze tatsächlich erreicht sei, ob sich die SPD an einem rechtspopulistischen Diskurs beteilige und die Bundesregierung überhaupt der EU-Asylreform zustimmen dürfe.
"Migrations- und Integrationspolitik kann nur gelingen, wenn die Akzeptanz dafür da ist", sagte Thüringens Innenminister Georg Meier. "Aktuell ist diese Akzeptanz teilweise nicht mehr gegeben." Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warb für das Positionspapier: "In den letzten acht Jahren haben wir in Deutschland 2,5 Millionen Menschen aufgenommen. Das ist eine ziemlich große Zahl", sagte Weil. "Wir sehen ziemlich deutlich, dass die Aufnahmebereitschaft im Land eine andere ist als vor acht Jahren." Die Menschen erwarteten zu Recht, dass der Staat Kontrolle darüber ausübt, wer kommt und wer nicht bleiben darf.
Jusos scheitern mit Änderungen
Für die noch nicht verabschiedete EU-Asylreform zieht die SPD mit dem Antrag rote Linien ein: "Das individuelle Menschenrecht auf Asyl und das internationale Flüchtlingsrecht sind die unumstößliche Basis für jede Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Das ist für uns nicht verhandelbar." Alleinreisende Minderjährige sowie Familien mit Kindern müssten von den geplanten Außengrenzverfahren ausgenommen werden. "Die angestrebten Beschleunigungen im Asylverfahren dürfen keineswegs zu Rechtsschutzeinschränkungen führen", heißt es weiter.
Parteilinke und Jusos schlugen diverse Änderungen vor. Darunter die vollständige Abschaffung der EU-Grenzschutzagentur Frontex sowie die Ablehnung der beschleunigten Asylverfahren für Menschen mit geringer Bleibeaussicht. "Schluss mit der Gewalt und den Elendslagern an den Europäischen Außengrenzen", forderte die Juso-Delegierte Sarah Mohamed. Die EU-Asylreform führe zu "mehr Leid, mehr Gewalt, mehr Lager an unseren Grenzen".
Das verabschiedete Papier fordert die Einhaltung und Überwachung der Menschenrechte und menschenrechtswürdige Unterbringung in den Außengrenzlagern. Mehrere Redner wiesen darauf hin, dass die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) die einzige Aussicht darauf sei, dass überhaupt wieder Ordnung in das europäische Asylsystem komme. "Die Alternative zu GEAS ist viel schlechter, nämlich keine Einigung auf europäischer Ebene und das können wir nicht hinnehmen, nachdem das Dublin-System 2015, 2016 gescheitert ist", sagte der Bundestagsabgeordnete Sebastian Hartmann.
Derzeit winken Erstaufnahmeländer wie Griechenland und Italien Migranten oft nach Deutschland durch, statt die Asylverfahren nach den Dublin-Regeln selbst durchzuführen. Die Bundesregierung will mit der GEAS-Reform auch eine verpflichtende Umverteilung von Migranten in der EU erreichen.
Frage des richtigen Tons
Umstritten war in der Debatte nicht nur der Initiativantrag selbst sondern auch die Migrationsdebatte der vergangenen Wochen und Monate. "Menschen, die man im großen Stil abschieben will, oder die so aussehen wie Menschen, die man im großen Stil abschaffen will, sind Teil dieser Gesellschaft", kritisierte Sarah Mohamed die Wortwahl von Bundeskanzler Olaf Scholz in einem "Spiegel"-Interview.
Serpil Midyatli, Bundes-Vize und SPD-Landeschefin in Schleswig-Holstein, sagte: "Wenn immer nur über Geflüchtete geredet wird, dann werde ich draußen genauso behandelt wie alle anderen auch." Forderungen aus Teilen der Parteispitze nach einer Absenkung der Zuwanderungszahlen trügen demnach dazu bei, dass alle Menschen mit sichtbarer Migrationsgeschichte als vermeintliches Problem wahrgenommen werden. Der Kommunalpolitiker Maik Luhmann argumentierte, die SPD müssen "anerkennen, dass mancherorts Belastungsgrenzen erreicht werden".
Das Papier war auch ein Versuch von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, die teils sehr gegensätzlichen Positionen in der Partei zusammenzuführen. Er rief zu einer sachlichen Debatte zum Thema Migration auf und warnte vor populistischer Stimmungsmache. "Wir müssen dafür sorgen, dass diese Debatten nicht entgleiten", sagte Kühnert. Es sei wichtig, Fragen der Migration zu ordnen, aber Humanität dabei zu wahren.
Quelle: ntv.de