Umfragewerte im Keller Trump ist extrem unbeliebt - juckt ihn das gar nicht?


Massenprotest in Chicago: US-Präsident erhöht den Druck auf demokratisch geführte Städte.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Fast jede Umfrage zeigt: Donald Trumps Politik ist in den USA extrem unbeliebt. Den Präsidenten scheint das nicht zu kümmern, im Gegenteil: Sein Kurs wird immer radikaler. Wieso kommt er damit durch?
Donald Trump macht es seinen Unterstützerinnen und Unterstützern wahrlich nicht leicht, weiterhin zu ihm zu halten. Von der desaströsen Zollpolitik über Kürzungen im Gesundheits- und Sozialsystem, bis hin zur Entsendung bewaffneter Truppen in liberal geprägte Großstädte - Trumps politischer Kurs und autoritärer Stil kommt bei der US-amerikanischen Wählerschaft gar nicht gut an, wie Umfragedaten zeigen.
Das Portal RealClearPolitics aggregiert die Ergebnisse von Meinungsumfragen aus dem ganzen Land und bildet daraus Mittelwerte. Im Zentrum steht dabei beispielsweise die Frage, was die Menschen von Trumps Amtsführung halten ("Job Approval"). Anfang Oktober haben diese Werte ein neues Tief erreicht. Zeitweise lehnten im Schnitt fast 53 Prozent der Befragten den Kurs des US-Präsidenten ab, nur noch 45 Prozent befürworteten ihn. Damit lag der Netto-Zustimmungswert (die Differenz aus Zustimmung und Ablehnung) bei fast -8 Prozentpunkten.
Auffällig ist, dass Trumps Zustimmungswerte ab der zweiten Septemberhälfte noch einmal deutlich abgesackt sind. In diesen Zeitraum fallen unter anderem die Diskussionen um einen drohenden "Shutdown" der Bundesverwaltung sowie die zeitweise Absetzung der beliebten Late-Night-Show von Comedian Jimmy Kimmel, die von vielen Kommentatoren als Angriff auf die Meinungsfreiheit durch die Trump-Regierung gewertet wurde.
Zwar lassen sich Umfragetrends nur schwer auf einzelne Ereignisse zurückführen. Doch zumindest für einige regelmäßig abgefragte Themenbereiche lässt sich näher eingrenzen, welche von Trumps Positionen besonders unbeliebt sind - oder womit er bei der Wählerschaft punkten kann.
So genoss Trump beim Thema Migration lange Zeit vergleichsweise hohe Zustimmungswerte. Noch im März deuteten die Umfragen auf eine überwiegend positive Nettozustimmung hin. Das heißt: Es gab mehr Menschen, die Trumps Einwanderungspolitik befürworteten, als sie ablehnten. Inzwischen hat sich die öffentliche Meinung gedreht.
Die Willkür und Brutalität, mit der die versprochenen Massenabschiebungen von vermeintlich "illegalen" Einwanderern vollzogen werden, erzeugen in der Bevölkerung ein wachsendes Unbehagen. Bilder und Videos von den Razzien der Einwanderungsbehörde ICE zeigen vermummte Agenten, die Menschen zum Teil auf offener Straße überfallen und gewaltsam verschleppen - oft unter den lautstarken Protesten von Umstehenden.
Auch Trumps Rolle im Ukraine- oder Gazakrieg wird den Umfragen zufolge deutlich kritischer gesehen als im Frühjahr. Wirtschaftspolitisch steht der US-Präsident in den Augen der Befragten ebenfalls nicht gut da. Viele warten immer noch darauf, dass Trump sein Wahlkampfversprechen einlöst, die Inflation wirksam zu bekämpfen.
Kulturkämpfe und Personenkult
Allerdings stellen ausnahmslos alle Umfragen auch fest: Unter republikanischen Wählerinnen und Wählern genießt Trump trotz allem einen geradezu unerschütterlichen Rückhalt. Neun von zehn Republikanern unterstützen den US-Präsidenten noch immer, ergab jüngst eine Umfrage der "New York Times". Und das, obwohl zentrale Forderungen der konservativen Wählerschaft - etwa die vollständige Aufarbeitung des Epstein-Skandals - bis heute nicht erfüllt wurden.
Im Politik-Podcast des Senders NPR geht der politische Korrespondent Domenico Montanaro näher auf diesen Widerspruch ein. So seien zwei Drittel der Republikaner zwar dafür, dass die Epstein-Akten veröffentlicht werden. Doch nur jeder Vierte lehnt Trumps Umgang mit dem Fall konsequenterweise ab. Die Mehrheit von 45 Prozent stellt sich trotz allem hinter ihren Präsidenten. Fast ein Drittel zeigt sich unentschieden. "Ich glaube, die Republikaner sind gewillt, Trump noch etwas Zeit und Raum zu geben, bevor sie sagen: Es nervt uns wirklich, dass er das nicht tut", sagt Montanaro. Zudem sei Trump extrem erfolgreich damit, die Öffentlichkeit durch Kulturkämpfe abzulenken und seine Kernwählerschaft wieder zu vereinen.
Der Meinungsforscher und Politstratege Matt McDermott spricht im US-Magazin "Newsweek" sogar von einem "Personenkult" um Trump, der innerhalb der republikanischen Partei zu einer paradoxen Situation geführt habe: Für viele Trump-Unterstützer gehe es weniger um politische Ergebnisse als "um Loyalität ihm persönlich gegenüber".
Am größten ist der Frust beim Thema Inflation
Dennoch stellt sich die Frage: Findet die Geduld der republikanischen Basis irgendwann ein Ende? Tatsächlich tun sich in diversen Einzelfragen zunehmend Risse zwischen dem Wählerwunsch und der Wirklichkeit unter der Trump-Regierung auf. Sichtbar wird das unter anderem in den wöchentlichen Umfragen des Wirtschaftsmagazins "The Economist" und YouGov, die sich aufgrund ihrer großen Regelmäßigkeit und konsistenten Fragestellung gut für einen Zeitvergleich eignen.
Demnach ist der Anteil der republikanischen Befragten, die Trumps Präsidentschaft grundsätzlich befürworten, zwischen Anfang März und Ende September von 91 auf 85 Prozent gesunken. Etwa zwölf Prozent der Republikaner gehen inzwischen auf Distanz, im März waren es nur sieben. Noch stärker wächst der Unmut offensichtlich in der Gruppe der als "unabhängig" registrierten Wählerinnen und Wähler. Hier ist der Anteil der Befragten, die Trumps Politik ablehnen, innerhalb von einem halben Jahr von 44 auf 60 Prozent gestiegen.
Am größten ist der Frust beim Thema Preise und Inflation. Hier ist mittlerweile jeder dritte Republikaner unzufrieden oder unentschieden. Nur noch 68 Prozent finden, der Präsident gehe das Thema richtig an - das sind zehn Prozentpunkte weniger als im März.
Selbst beim Thema Migration verliert Trump an Rückhalt. Ende September stützten zwar noch immer 87 Prozent der republikanischen Befragten den rigorosen Kurs der Trump-Regierung. Doch immerhin 13 Prozent sprachen sich dagegen aus, deutlich mehr als zu Beginn der Amtszeit.
Auch Politikberater McDermott sieht einen - wenn auch zähen - Stimmungswandel am Werk: "Republikanische Wähler werden sich nicht über Nacht gegen Trump wenden", sagt er. "Aber die Kluft zwischen der Loyalität ihm gegenüber und der Frustration über die Lebensrealität wird immer größer."
An Trump perlt das bislang offensichtlich alles ab. Wenig schmeichelhafte Umfragen tut er gerne als "Fake News" ab. Schon in der Vergangenheit hatte der US-Präsident den Medien vorgeworfen, fast nur negativ über ihn zu berichten und dadurch Meinungsumfragen zu "manipulieren". "Gegen diese Leute sollte wegen Wahlbetrugs ermittelt werden", ließ sich Trump etwa Ende April auf seiner Social-Media-Plattform "Truth Social" über diverse Meinungsumfragen aus, die nach seinen ersten 100 Tagen im Amt in verschiedenen Medien veröffentlicht worden waren.
Trump beschimpft sogar Fox News für schlechte Werte
Selbst Trumps Lieblingssender Fox News blieb von solchen Vorwürfen nicht verschont. In einer Live-Sendung konfrontierte Moderatorin Martha MacCallum den Präsidenten kürzlich mit Umfragewerten, in denen sich die Befragten besorgt über wirtschaftliche Fehlentwicklungen in den USA zeigten. Trump beklagte sich daraufhin lautstark über den Sender, dessen Meinungsumfragen ihm schon während der Wahl nur einen kleinen, statt eines großen Vorsprungs eingeräumt hätten. Er habe Rupert Murdoch, den Eigentümer von Fox, deshalb bereits aufgefordert, sich einen neuen Meinungsforscher zu suchen.
Dabei ist es durchaus denkbar, dass Trump die schlechte Stimmung in seinem Kernpublikum selbst verursacht hat, gibt der Experte für politische Kommunikation, Peter Loge von der George Washington University, zu bedenken. "Ein Grund, warum so viele Wähler glauben, dass sich das Land in die falsche Richtung bewegt, ist, dass der Präsident den Menschen ständig erzählt, wie schrecklich alles ist", sagt Loge. Auch alle anderen einflussreichen konservativen Stimmen schlagen ihm zufolge den gleichen Tonfall an: Die Nation sei "völlig kaputt und jeder, der eine andere Meinung vertritt, sei böse", hört Loge heraus. So gesehen "wäre es geradezu schockierend, wenn die Wähler, vor allem republikanische Wähler, dächten, dass die Dinge gut laufen", fügt er hinzu.
Normalerweise tendieren Wähler in solchen Situationen dazu, die Verantwortlichen bei der nächsten Wahl abzustrafen und neue Leute ins Amt zu wählen. Trump selbst kann das egal sein: Nach zwei Amtszeiten kann er ohnehin nicht noch einmal antreten. Nur für seine Partei könnte sich der radikale Kurs rächen. Viele Demokraten setzen schon jetzt große Hoffnung in die anstehenden Zwischenwahlen im nächsten Jahr, wenn zahlreiche Sitze im US-Kongress neu besetzt werden. Trump ist dann aber immer noch im Amt - und arbeitet schon jetzt daran, den Abstimmungsprozess zu seinen Gunsten zu beeinflussen und den Kongress weiter zu entmachten.
Quelle: ntv.de