Regierungserklärung im Bundestag Scholz verordnet Zuversicht, Merz lacht ihn aus


Jetzt brauche es Zuversicht, sagte Scholz.
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Was hat diese Regierung eigentlich noch vor? Im Bundestag sagt Kanzler Scholz, wie er Deutschland und nebenbei die Ampel aus der Krise führen will - und macht Andeutungen zum Haushalt. Bei der Union sorgt das für Erheiterung.
Nach der Europawahl wurde Kanzler Olaf Scholz gefragt, ob er das Ergebnis kommentieren wolle. Seine Antwort: "Nö". Was vermutlich witzig sein wollte, kam nicht gut an. Die Opposition kochte und die Presse wunderte sich - vorsichtig formuliert. An diesem Mittwoch nutzte Scholz im Bundestag die Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen. Die Botschaft seiner Regierungserklärung war nicht direkt neu: Er teilte gegen die AfD aus und forderte mehr Zuversicht im Land. Selbstkritik war eher nicht zu vernehmen.
Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz lachte zwischenzeitlich laut auf. In seiner Replik schleuderte er dem Regierungschef entgegen: "Sie haben keine Idee, keinen Plan, kein Konzept", es gehe der Koalition nur noch um den reinen Machterhalt. "Das ist das, was Sie noch zusammenhält."
Den Menschen in Deutschland und Europa sei die Zuversicht abhandengekommen, sagte Scholz zur Europawahl. Ständige Krisenerfahrungen hätten das Vertrauen in die Politik erschüttert. Sei es der Krieg Russlands gegen die Ukraine, sei es der Krieg im Gaza-Streifen oder auch die Inflation. "Das gilt für Europa, das gilt auch für Deutschland und dem müssen wir uns stellen." Das Wahlergebnis sei ein Einschnitt gewesen. Die Antwort darauf seien "konkrete, praktische Antworten in der Sache".
Als Beispiel nannte er die illegale Migration und die innere und äußere Sicherheit. Die EU habe mit der Reform der Gemeinsamen Grenzsicherung GEAS wichtige Entscheidungen getroffen - etwa Asylverfahren an den Außengrenzen. Putin setze weiter auf Krieg, darüber dürfe niemand hinwegsehen. Dessen vermeintliches Friedensangebot kommentierte Scholz leicht sarkastisch. Wer glaube, daraus könne ein dauerhafter Frieden entstehen, schaue wohl zu viel Russia Today.
Warme Worte für die FDP - und die SPD
Doch Scholz nutzte die Gelegenheit auch, um über Innenpolitik zu sprechen - genauer: die Verhandlungen zum Haushalt für das kommende Jahr. Die Gespräche verliefen sehr kollegial, sagte er. An dieser Stelle erhob sich erstmals Gelächter in der Opposition. Scholz ließ das nicht auf sich sitzen. Die Union sei auf Mutmaßungen angewiesen und das zeige, wie vertraulich es da zugehe, konterte er. "Weil wir es unter uns machen, so wie es sich in einer gut geführten Bundesregierung gehört", sagte er.
Womit er natürlich vor allem sich selbst meinte, denn die Führungskraft in dieser Regierung ist nun mal er. Unter den Tisch fallen ließ er dabei etwas anderes: Die Verhandlungen bieten auch deshalb so viel Drama, weil die von ihm geführte Regierung sich schon lange nicht mehr auf eine gemeinsame Linie zu einigen weiß. Schuldenbremse aussetzen - ja oder nein? An dieser Frage könnte die Ampel zerbrechen. Dazu gab es kein Wort von Scholz.
Wohl aber ein paar Sätze, die wie Streicheleinheiten für die FDP wirkten. Die Wirtschaft müsse wachsen, sie brauche Dynamisierung, ja einen "Wachstumsturbo" - alles Worte, mit denen Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner seit dem Jahreswechsel für eine Wirtschaftswende wirbt. Aber auch für SPD und Grüne hatte Scholz warme Worte übrig: Einschnitte bei sozialer Gerechtigkeit, Gesundheit, Pflege oder Rente soll es mit ihm auch nicht geben.
Nur, wo dann? Über diese Frage zerbrechen sich Scholz, Lindner und der grüne Vizekanzler Robert Habeck gerade die Köpfe. Eigentlich wollten sie am 3. Juli einen Haushaltsentwurf fertig haben. An diesem Dienstag hieß es dann, es könne auch später werden. Am 15. August soll der Haushalt jedenfalls dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt werden. Ob das klappt? Wie gesagt, die Verhandlungen bieten eine gewisse Dramatik.
Heiterkeit bei der Union
Noch einmal zum Lachen brachte Scholz die Union, als er sich und seiner Regierung ein gutes Zeugnis in der Wirtschaftspolitik ausstellte. "Ich zähle zu jenen, die jahrelang keinen Sport gemacht haben und dann plötzlich anfangen, das zu machen", sagte er. "Am Anfang ist das sehr mühselig. Und mit jeder Runde und umso länger man das macht, nimmt die Ausdauer zu und man wird fitter und schneller." So sei es auch mit der Wirtschaft. "Nach Jahrzehnten, in denen für die Fitness der deutschen Wirtschaft nicht das Notwendige getan wurde, sorgt die jetzige Regierung dafür, dass die notwendigen Entscheidungen getroffen werden."
Das hatte eine gewisse Chuzpe, denn wie Merz ihm anschließend unter die Nase rieb, war die SPD in 20 der vergangenen 24 Jahre in Regierungsverantwortung. 16 Jahre davon allerdings unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel, deren Namen Merz nicht aussprach.
In Richtung Brüssel hatte Scholz aber auch noch einiges zu sagen, schließlich war der EU-Gipfel an diesem Donnerstag formal einer der Anlässe für seine Regierungserklärung. So forderte er mehr Freihandelsabkommen. "Wir haben unsere Kompetenz auf Handelspolitik und Handelsverträge nicht an die Europäische Union abgegeben, damit keine Verträge geschlossen werden", sagte er. Sie sollten stattdessen größer und wirksamer werden. Das gelte für Indonesien, Indien, den Südamerika-Block Mercosur und weitere.
Auch auf den Streit mit China über Zölle auf Autos ging er ein. Mittlerweile wollen Brüssel und Peking wieder verhandeln, das war das zentrale Ergebnis der China-Reise von Wirtschaftsminister Robert Habeck. "Ich bin sehr froh, dass es auch der Initiative des Kanzlers und meiner Regierung zu verdanken ist", setzte Scholz an. Doch dann reagierte er zunächst auf das Gelächter, das sich erhob. "Sie können klatschen, Sie haben ja schon öfter geklatscht. Auch nach dieser Stelle wäre es möglich", sagte in Richtung Merz. "Wir haben dafür gesorgt, dass die Züge nicht einfach aufeinander zufahren, sondern dass EU und China jetzt über einen gemeinsamen Weg bei Autozöllen sprechen."
Habeck wird nicht erwähnt
Seinen Vizekanzler erwähnte Scholz dabei nicht. Vielleicht, weil der künftig ein direkter Konkurrent im Rennen ums Kanzleramt sein könnte?
Merz, dessen Gegenrede im ersten Teil selbst einer Regierungserklärung glich, sagte: "Sie sind dafür verantwortlich, dass die Probleme in unserem Land nicht gelöst werden. Sie sind offensichtlich nach solchen Wahlergebnissen unfähig zur Selbstkritik und Korrektur ihrer Politik."
Den Oppositionsführer steckte Scholz mit seiner Zuversicht also nicht an. Was auch nicht weiter verwunderlich ist. Die entscheidendere Frage ist, ob ihm das noch bei überhaupt jemandem in dieser Regierungszeit gelingt. Noch hat er bis November nächsten Jahres Zeit - wenn die Koalition hält.
Quelle: ntv.de