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Treffen mit Maji-Maji-Nachfahren Steinmeier will Kolonialgeschichte in Tansania aufarbeiten

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Historische Illustration aus dem Jahr 1880 von Bagamoyo, der ersten Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika im heutigen Tansania.

Historische Illustration aus dem Jahr 1880 von Bagamoyo, der ersten Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika im heutigen Tansania.

(Foto: picture alliance / Bildagentur-online/Sunny Celeste)

Die Debatte um die Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit wird immer lauter. Nun reist der Bundespräsident in die ehemalige Kolonie Deutsch-Ostafrika im heutigen Tansania, um sich der blutigen deutschen Geschichte auf dem afrikanischen Kontinent zu stellen.

Es ist ein Besuch am Ort eines grausamen Verbrechens: Am Dienstag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Songea erwartet, einer abgelegenen Stadt im Süden Tansanias. Hier, im afrikanischen Hochland, hatte sich eines der blutigsten Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte abgespielt.

Mit großer Brutalität schlugen die Kolonialherren im damaligen Deutsch-Ostafrika zwischen 1905 und 1907 einen Aufstand gegen ihre Herrschaft nieder - ein Verbrechen, das aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen weitgehend verschwunden ist. Historiker schätzen die Zahl der Toten im Verlauf des Maji-Maji-Aufstandes auf 200.000 bis 300.000. Die meisten von ihnen starben als Folge der systematischen Zerstörung von Feldern und Dörfern durch die deutschen Kolonialtruppen.

Mehr Bewusstsein für deutsche Kolonialverbrechen

Steinmeier will sich in Songea mit Nachfahren der Maji-Maji-Opfer treffen und ein Museum besuchen. Es wurde an jenem Ort errichtet, an dem die Deutschen 67 Aufständische öffentlich hinrichteten.

Wenig ist in der deutschen Öffentlichkeit bekannt über die eigene Kolonialgeschichte, die nur wenige Jahrzehnte währte und bereits im Ersten Weltkrieg endete. Die Islamwissenschaftlerin Johanna Pink von der Universität Freiburg verweist darauf, dass allenfalls die systematische Tötung des Herero-Volks in Deutsch-Südwestafrika 1904 Eingang ins öffentliche Bewusstsein gefunden habe. Dass Steinmeier sich nun auch mit Nachfahren der Opfer des Maji-Maji-Aufstandes treffen will, deute darauf hin, "dass ein öffentliches Bewusstsein dafür geschaffen werden soll, dass auch dort deutsche Kolonialverbrechen stattgefunden haben", vermutet die Professorin.

Maji-Maji-Aufstand

Hauptauslöser des Maji-Maji-Aufstands war die hohe Steuerlast, welche die afrikanischen Bauern zwang, in Plantagen zu arbeiten und die eigenen Felder zu vernachlässigen. Der Heiler, das religiöses Medium und der Anführer Kinjikitile Ngwale zog daraufhin predigend über das Land, das unter der Knechtschaft der Deutschen litt. Seine Botschaft: Der Gott Bokero habe ihm Maji-Maji, Wasser mit Zauberkraft, gegeben. Wer es trinkt, werde gegen die Kugeln aus den Gewehrläufen deutscher Kolonialsoldaten unverwundbar.

Die Geschundenen begehren auf - und werden gnadenlos bestraft: Vertreibung, Hunger, massenhafter Tod kommen über sie. Gezielt zerstören die Kolonialtruppen die Lebensgrundlage der Bevölkerung, um den Aufständischen den Rückhalt zu entziehen. Die Strafexpedition terrorisiert, brandschatzt und plündert. Eine Strategie der verbrannten Erde, das Land blutet aus. Hunger als politische Waffe: Das große Sterben beginnt.

Berichte von Zeitzeugen dokumentieren das Elend. Der deutsche Missionar Pater Simon Troßmann schreibt 1907: "Kein frohes Leben ist mehr zu beobachten." Alles drehe sich um "njaa", den Hunger. Er beobachtet: "Die Kinder, die einer kräftigen Nahrung so sehr bedürfen, sind zum Skelett abgemagert. Größere haben trotz der Magerkeit einen aufgedunsenen Unterleib."

Aufteilung des afrikanischen Kontinents erfolgte in Berlin

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Begonnen hat die deutsche Kolonialgeschichte in Ostafrika 1885, als das Deutsche Reich im Zuge der Berliner Konferenz Errichtung die Kolonie Deutsch-Ost-Afrika (heutige Republik Tansania) in dem weiten Steppenland zwischen dem Indischen Ozean und dem Viktoriasee errichtete. Finanziell war die Kolonie freilich eine Belastung. Um neue Einkünfte aufzutun, treibt die Kolonialmacht den Baumwollanbau voran. Einheimische werden zur Plantagenarbeit gezwungen, müssen an die Fremden Steuern abführen.

Als Gouverneur Gustav Adolf Graf von Götzen im März 1905 die "Hüttensteuer" für die Einheimischen stark erhöht, formiert sich der Unmut. Der charismatische Anführer Kinjikitile schart die zerstrittenen Ethnien des Gebiets hinter sich. Mithilfe afrikanischer Askari-Soldaten lässt Götzen den Aufstand militärisch rasch niederschlagen. Der Maji-Maji-Anführer wurde im Zuge dessen von deutschen Schutztruppen verhaftet und erhängt.

Götzen verteidigt sein Vorgehen später in einem Buch: "Wie in allen Kriegen gegen unzivilisierte Völkerschaften war auch im vorliegenden Fall die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung an Hab und Gut unerlässlich."

In Berlin gibt es inzwischen Ansätze der Aufarbeitung. Vor wenigen Jahren wurde eine Straße in Maji-Maji-Allee umbenannt. In Berlins Museen wurden zudem sterbliche Überreste identifiziert, die von Aufständischen aus Deutsch-Ostafrika stammen könnten. Über ihre Rückführung wird verhandelt.

Quelle: ntv.de, mes/AFP

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