Politik

"Horror-Nachrichten" Umweltschützer entsetzt über Ausschuss-Ergebnis

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144 zusätzliche klimaschädliche Autobahnprojekte sollten "beschleunigt durchs Land asphaltiert werden", kritisiert Greenpeace.

(Foto: IMAGO/Jochen Tack)

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Die Ergebnisse des mehrtägigen Koalitionsausschusses sorgen für gemischte Gefühle. Umweltschützer kritisieren sie scharf, sprechen von einer "Katastrophe" und einer "Entkernung" des Klimaschutzgesetzes. Die Ampel verkauft ihr Kompromisspaket wiederum als großen Wurf. Auch eine Wirtschaftsweise meldet sich zu Wort.

Umweltschützer haben die Ergebnisse des mehrtägigen Koalitionsausschusses scharf kritisiert. Insbesondere die geplante Aufweichung des Bundesklimaschutzgesetzes sei eine Katastrophe, befand die Deutsche Umwelthilfe (DUH). "Diese Anti-Klimaschutz-Koalition legt allen Ernstes Hand an das Bundesklimaschutzgesetz. Damit versündigt sie sich an allen künftigen Generationen", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

"Im Verkehrsbereich sind die Horror-Nachrichten kaum zählbar, unter anderem sage und schreibe 144 beschleunigte Autobahn-Bauvorhaben und die geplante faktische Gleichstellung von Verbrenner-Pkws mit Elektrofahrzeugen", urteilte Resch. Er forderte die Abgeordneten des Bundestages auf, "die geplante Verschlechterung des schon wenig ambitionierten Gesetzes aus der Merkel-Ära rundweg abzulehnen".

Greenpeace kritisierte ähnliche Punkte: "Mit der Aufgabe der Verpflichtung zur Umsetzung jedes einzelnen Sektorziels heißt Kanzler Scholz (...) gut, dass der größte klimapolitische Erfolg seiner Partei, das Klimaschutzgesetz, entkernt wird", erklärte Martin Kaiser, Vorstand von Greenpeace Deutschland. "Das entlässt mit Verkehrsminister Wissing ausgerechnet das Schlusslicht beim Klimaschutz aus der Verantwortung. Wenn nun zudem 144 zusätzliche klimaschädliche Autobahnprojekte beschleunigt durchs Land asphaltiert werden sollen, wird das Klima weiter vor die Wand gefahren." Der "Ampel-Marathon" habe dem Klimaschutz "viel zu wenig" gebracht, ihn "an wichtigen Stellen" sogar zurückgeworfen.

FDP lobt marktwirtschaftlichen Klimaschutz

Das Klimaschutzgesetz werde von der "Planwirtschaft in die Marktwirtschaft" überführt, verteidigte FDP-Fraktionschef Christian Dürr die Pläne. "Statt unrealistischer Jahresziele zählt künftig konsequent das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045." Zudem habe sich die Koalition zu Technologieoffenheit bekannt, so Dürr. "Wir haben die richtigen Voraussetzungen für einen Markthochlauf bei den E-Fuels geschaffen und dafür gesorgt, dass es kein pauschales Verbot von Gasheizungen geben wird."

Die Ampel-Parteien hatten sich nach fast 30-stündigen Marathonberatungen auf einen gemeinsamen Kurs in der Klima- und Infrastrukturpolitik geeinigt. Die Beschlüsse sehen schnellere Planungsverfahren für große Infrastrukturprojekte vor, darunter 144 Autobahnprojekte sowie für die Bahn, für Stromnetze und erneuerbare Energien. Zudem soll das Klimaschutzgesetz in zentralen Punkten geändert werden. So sollen die strikten jährlichen Sektorziele zum Treibhausgas-Ausstoß etwa für den Verkehr oder den Gebäudebereich aufgeweicht werden. Künftig soll es möglich sein, Zielverfehlungen in einem Sektor in einem anderen auszugleichen.

Im Wärmebereich verständigten sich die Koalitionäre auf eine Abschwächung des umstrittenen, von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eingebrachten Vorschlags eines Verbots von Öl- und Gasheizungen. "Es wird keine Austauschpflicht geben für bestehende Heizungen, sondern lediglich Vorgaben für neu eingebaute Heizungen", sagte FDP-Chef Christian Lindner dazu. Das Geld für den geplanten Sozialausgleich für das Auslaufen von Öl- und Gasheizungen solle nicht aus dem Haushalt kommen, sondern aus dem bereits bestehenden Transformationsfonds.

"Wir haben echte Durchbrüche erzielt"

Lindner sowie die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Ricarda Lang werteten die Beschlüsse als Beleg für die Handlungsfähigkeit und den Gestaltungswillen der Koalition. Klingbeil sagte, die drei Koalitionsparteien seien "hochzufrieden" mit den Ergebnissen. Lindner betonte: "Wir haben echte Durchbrüche erzielt, wirkliche Paradigmenwechsel." Grünen-Chefin Lang sagte: "Wir gehen jetzt endlich auch Strukturreformen an." Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf Twitter: "Nach vielen Stunden intensiver Diskussionen kann ich sagen: Es hat sich gelohnt."

Ähnlich positiv überzeugt ist Wirtschaftsweise Veronika Grimm. In der "Rheinischen Post" sprach sie von einem positiven Ergebnis, auch beim Klimaschutz. "Die Ergebnisse machen Mut, dass die Koalition handlungsfähig ist. Ein wichtiges Signal", betonte sie.

Die Parteivorsitzenden machten allerdings keinen Hehl daraus, dass die Einigung auf das 16 Seiten umfassende Beschlusspapier nicht einfach war. Klingbeil sagte: "Das waren Diskussionen, wo wir ringen mussten." Lang betonte: "Das geht für jeden auch mal mit Zumutung einher." Habeck verwies im ZDF auf den Autobahn-Ausbau und räumte ein, darauf seien die Grünen "nicht stolz". Lindner hob seinerseits hervor, in den Beschlüssen habe "jeder auch noch einen speziellen Punkt bekommen, über den sie oder er sich besonders freut".

Quelle: ntv.de, ino/AFP/dpa

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