Politik

"Störenfried der EU" Ungarn setzt im Ukraine-Krieg auf Trump

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden
Ein Bild aus 2019: Mit Donald Trump hat sich Viktor Orban schon während dessen Präsidentschaft bestens verstanden.

Ein Bild aus 2019: Mit Donald Trump hat sich Viktor Orban schon während dessen Präsidentschaft bestens verstanden.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Ein EU-Land schert immer wieder aus der Reihe, wenn es darum geht, Russland für seinen Krieg in der Ukraine zu bestrafen: Ungarn pflegt weiterhin beste Beziehungen zum Kreml - und hofft auf ein Comeback von Donald Trump.

Ungarn ist Russlands letzter guter Draht nach Europa. Die Regierung um Ministerpräsident Viktor Orban hält ihre guten Beziehungen zum Kreml trotz des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine aufrecht. Budapest hat mehrere europäische Sanktionspakete gegen Russland verzögert, setzt noch stärker als vor dem Krieg auf russisches Erdgas und behindert den ukrainischen Anschluss an EU und NATO.

Ungarn ist der "Störenfried der EU", sagt Andreas Bock im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Der Ungarn-Analyst von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations wirft Budapest vor, die EU-Politik gegen Russland zu untergraben. "An militärischer Unterstützung hat sich Ungarn bislang gar nicht beteiligt. Auch den Transfer von Waffen über ungarisches Territorium hat das Land bislang nicht erlaubt."

Ungarn nimmt innerhalb der Europäischen Union eine Sonderrolle ein. Die Regierung Orban stellt sich nicht vollständig gegen Kiew, sondern hat sogar 340 Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt und etwa eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine ins Land gelassen. Doch immer dann, wenn es darum geht, Russland zu bestrafen, tritt Orban auf die Bremse. "Orban argumentiert, dass die Sanktionen nicht dazu beitragen, den Krieg zu stoppen, und sie den europäischen Volkswirtschaften im Prinzip mehr geschadet hätten als Russland. Er führt dann immer die erhöhten Preise in Europa an. Es gab auch Plakatkampagnen, in denen die Regierung die Sanktionen verteufelt hat", berichtet Experte Bock.

Ungarns Außenminister? Parteisoldat und Russland-Freund

Es ist eine Politik, die nicht nur die Handschrift von Viktor Orban, sondern vor allem auch von Peter Szijjarto trägt. Der 44-jährige Fidesz-Politiker ist bereits seit 2014 ungarischer Außenminister und ein Parteisoldat, wie er im Buche steht. "Szijjarto hat seine politische Karriere schon 1998 begonnen, als die Fidesz zum ersten Mal an die Regierung kam. Er hat die Jugendorganisation der Fidesz mitgegründet und war deren Präsident. Seit 2002 sitzt er als Abgeordneter im ungarischen Parlament", blickt Bock auf die Anfänge der politischen Karriere von Szijjarto zurück.

Peter Szijjarto ist seit fast zehn Jahren ungarischer Außenminister.

Peter Szijjarto ist seit fast zehn Jahren ungarischer Außenminister.

(Foto: picture alliance / AA)

2010 nahm die Laufbahn des heutigen Außenministers an Fahrt auf, als ihn Viktor Orban zu seinem Sprecher machte und ihm zwei Jahre später den Vorsitz über mehrere Komitees übertrug, die sich mit den ungarischen Handelsbeziehungen beschäftigten. 2014 folgte dann die Berufung zum Außenminister. "Er ist jetzt also fast zehn Jahre Ungarns Topdiplomat und hat in dieser Zeit natürlich unglaublich viele Netzwerke geknüpft, vor allem eben auch nach Russland", analysiert Bock im ntv-Podcast.

Diese Kontakte nutzt Szijjarto auch nach der russischen Ukraine-Invasion munter weiter. Erst vorige Woche war Orbans Chefdiplomat beim Sankt Petersburger Wirtschaftsforum zu Gast. Letztes Jahr im Sommer ist Orbans Chefdiplomat höchstpersönlich nach Moskau zum russischen Außenminister Sergej Lawrow gereist, um zusätzliche Gas- und Öllieferungen auszuhandeln. Und zwar erfolgreich.

Russland baut Reaktorblöcke in Ungarn

Zuletzt hat Szijjarto im April neue Lieferverträge unterzeichnet: Im kommenden Winter wird Gazprom bei Bedarf mehr Gas liefern als vereinbart und Rechnungen stunden, sollten die Gaspreise stark erhöht sein. "Laut den aktuellen Angaben bezieht Ungarn jetzt rund 80 Prozent seines Erdgases und 80 Prozent seiner Rohölimporte aus Russland. Zudem hat Ungarn mit Moskau auch eine Anpassung des Vertrags über den Ausbau des vom russischen Atomkonzern Rosatom gebauten Kernkraftwerks beschlossen", berichtet Bock.

In Paks, 100 Kilometer südlich von Budapest, produzieren vier Kernreaktoren etwas mehr als die Hälfte des in Ungarn erzeugten Stroms. Rosatom übernimmt den Bau zweier neuer Reaktorblöcke. "Auch an diesem Beispiel kann man die engen wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder deutlich sehen", ergänzt Ungarn-Kenner Bock.

Peter Szijjarto ist einer der wichtigsten Architekten der russisch-ungarischen Partnerschaft. Für seine Verdienste um den Ausbau der russisch-ungarischen Beziehungen bekam er Ende 2021 von Amtskollege Sergej Lawrow sogar den sogenannten "Orden der Freundschaft" verliehen. Bei Facebook schrieb Szijjarto daraufhin, er sei "stolz", dass man "trotz beängstigender globaler und regionaler Tendenzen" eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Moskau aufrechterhalte. "Szijjarto ist bekannt für seine sehr russlandfreundliche Politik. Dass er diesen Orden bekommen hat, unterstreicht das absolut", ordnet Bock bei "Wieder was gelernt" ein.

Trump? "Wahrer Freund Ungarns"

Aber nicht nur zu Russland pflegt die ungarische Regierung ein gutes Verhältnis, sondern auch zu einem großen Bewunderer von Kremlchef Wladimir Putin: Donald Trump.

Orban und Szijjarto hoffen auf ein Comeback des 45. amerikanischen Präsidenten, wenn kommendes Jahr wieder in den USA gewählt wird. Sie sind überzeugt, dass Trump mit Putin einen Deal aushandeln und den Krieg in der Ukraine beenden könnte. "Wenn Trump die letzten Präsidentschaftswahlen gewonnen hätte, wäre der Krieg nicht ausgebrochen", sagte Szijjarto im Interview mit dem US-TV-Sender Newsmax TV. "Wir sehen seine mögliche Rückkehr ins Weiße Haus als Hoffnung für eine friedliche Zukunft."

Der ungarische Außenminister sieht in Trump einen "wahren Freund Ungarns". Nicht nur für die Wahl im Herbst 2024, sondern auch für die anstehenden Gerichtsverhandlungen wünscht ihm Ungarns Außenminister viel Erfolg.

Orban hofft, dass Trump seine Politik legitimiert

Auch Viktor Orban hat Trump zuletzt ebenfalls immer wieder öffentlich unterstützt. Der Ministerpräsident ist der einzige westliche Regierungschef, der sich im Zusammenhang mit den Klagen gegen Trump demonstrativ auf dessen Seite stellt.

"Orban sieht in einer möglichen zweiten Präsidentschaft von Trump eine Legitimierung seiner Politik", analysiert Bock. Der Ungarn-Experte geht davon aus, dass sich die Beziehungen zwischen Ungarn und den USA unter Trump stark verbessern würden. "Dann kann Orban nicht mehr als Störenfried eines peripheren EU-Landes abgetan werden, sondern er hätte wieder einen mächtigen Verbündeten im Weißen Haus."

Es ist also kein Wunder, dass der ungarische Regierungschef sich auf die Seite des ehemaligen US-Präsidenten stellt und auf dessen Rückkehr setzt. Trump und Orban stehen sich ideologisch sehr nahe, setzen auf dieselben konservativen Werte und wollen den Nationalstaat stärken. Sie sind so etwas wie Brüder im Geiste.

"Wieder was gelernt"-Podcast

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

Alle Folgen finden Sie in der ntv App, bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts und Spotify. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an podcasts@ntv.de

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen