Zugeknallte Tür wieder auf? Merz will doch wieder mit der Ampel sprechen


Die Union sei zu Kompromissen bereit, sagte Merz im Bundestag. Zugleich übte er scharfe Kritik am Kanzler.
(Foto: IMAGO/Political-Moments)
Im Bundestag übt CDU-Chef Friedrich Merz scharfe Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz, bietet aber an, "die drängenden Probleme unseres Landes" gemeinsam zu lösen. Noch vor fünf Monaten klang das ganz anders.
Fünf Monate nach seiner Absage an Gespräche mit der Ampel hat Unionsfraktionschef Friedrich Merz der Bundesregierung ein gemeinsames Vorgehen gegen den Islamismus angeboten. "Ich biete Ihnen an, dass wir diesen Weg mit den demokratischen Fraktionen unseres Hauses gemeinsam gehen und dass wir gemeinsam versuchen, die drängenden Probleme unseres Landes zu lösen", sagte Merz in der Debatte zur Regierungserklärung des Kanzlers im Bundestag. Die Union sei dabei zu Kompromissen bereit.
Noch im Januar hatte Merz im Bundestag einer Zusammenarbeit mit der Ampel-Koalition eine kategorische Absage erteilt und die Tür zu Gesprächen damit zugeworfen: "Bitte ersparen Sie sich und uns in Zukunft Ihre Aufrufe zur Zusammenarbeit", sagte er damals. Mit der Ampel hätten CDU und CSU nichts mehr zu besprechen: "Wenn Sie die Jacke unten falsch einknöpfen, dann diskutieren wir nicht mit Ihnen, wie groß der Knopf im letzten Loch sein sollte."
Mit Kritik an der Ampel sparte Merz trotz seines Gesprächsangebots nicht. Er dankte Bundeskanzler Olaf Scholz zwar dafür, zur Ermordung des Polizisten in Mannheim die "richtigen Worte gefunden" zu haben. Aber er warf ihm vor, sich noch nicht zum Fall der Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, geäußert zu haben. Die Mathematikerin hatte antisemitische X-Posts geliket. Der Akademische Senat der TU teilte am Mittwochabend mit, Rauch habe 24 Stunden Zeit, um festzulegen, ob sie zurücktreten wolle.
Scholz soll Rauch aus Zukunftsrat werfen
Merz sagte, die TU-Präsidentin müsse aus dem Zukunftsrat des Kanzleramts entfernt werden. Wenn es Einigkeit gebe über die Ablehnung des Antisemitismus, dann dürfe Rauch nicht Mitglied im Zukunftsrat bleiben. Er gehe davon aus, dass Scholz "spätestens bis zum Wochenende" die Konsequenzen aus den Vorfällen um die Uni-Präsidentin ziehe.
Auch mit Blick auf die von Scholz in Aussicht gestellten Abschiebungen nach Afghanistan schlug Merz einen unversöhnlichen Ton an. Scharfe Kritik übte er auch am Staatsbürgerschaftsrecht, das am 27. Juni in Kraft treten soll. "Könnten wir uns darauf verständigen, dass Sie wenigstens das Datum des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch einmal verschieben, damit wir angesichts der Lage mit Ihnen noch einmal darüber beraten können, wie wir zu einem vernünftigen Staatsbürgerschaftsrecht kommen, das eben nicht das Tor weiter öffnet für Menschen, die in unserem Land eigentlich keinen Platz haben dürfen?"
Klingbeil nimmt Gesprächsangebot an
Mit Blick auf die Ukraine warf Merz dem Kanzler "Zögerlichkeit" und "Ängstlichkeit" sowie eine "Politik falscher Lageeinschätzungen" vor. So habe Scholz gesagt, eine Lieferung des Schützenpanzers Marder werde "eine furchtbare Eskalation" auslösen. Dann wurden die Marder trotzdem geliefert. Eine furchtbare Eskalation habe es in diesem Krieg bisher nur für die Menschen in der Ukraine gegeben, sagte Merz. Scholz komme mit seinen Entscheidungen immer zu spät. Eines Tages werde der Kanzler auch zustimmen, den Marschflugkörper Taurus zu liefern, "aber dann ist es wieder zu spät für Tausende von Menschen und Soldatinnen und Soldaten in der Ukraine, die in der Zwischenzeit ihr Leben gelassen haben".
SPD-Chef Lars Klingbeil machte in der Debatte deutlich, dass zumindest seine Partei das Gesprächsangebot des CDU-Vorsitzenden annehmen will. Aber auch er attackierte die Union: Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), der CSU-Politiker Manfred Weber, habe gesagt, im Europaparlament sei ihm eine Zusammenarbeit "mit den Rechtsextremen in Italien" lieber als mit Sozialdemokraten und Grünen. "Hier wäre heute ein guter Zeitpunkt gewesen, zu erklären, ob die Worte von Ihnen, Herr Merz, gelten, dass es keine Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen und Rechtspopulisten gibt, oder ob der Weg von Frau von der Leyen oder Manfred Weber gilt, dass man bereit ist, mit denen Mehrheiten nach der Europawahl zu suchen."
Das gab es noch nie:
Exklusiv und zur besten Sendezeit diskutieren die Vorsitzenden der sechs großen deutschen Parteien die Ergebnisse der Europa- und der Kommunalwahlen.
- Friedrich Merz
- Lars Klingbeil
- Omid Nouripour
- Christian Lindner
- Alice Weidel
- Sahra Wagenknecht
Moderiert wird diese einmalige Runde von ntv-Politik-Chef Nikolaus Blome.
Schalten Sie ein: ntv, Sonntag, 9. Juni, 20:15 Uhr
Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte eine Zusammenarbeit mit der Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nicht ausgeschlossen. Die SPD wiederum hat eine Unterstützung für eine zweite Amtszeit von der Leyens an die Bedingung geknüpft, dass diese auf die "Unterstützung der Feinde der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit" verzichtet, wie es in einem Papier der Partei heißt.
Quelle: ntv.de