Tod von Philippos bei Lanz "Wir sind zu liberal"
11.07.2024, 05:50 Uhr Artikel anhören
An dieser Stelle im Kurpark von Bad Oeynhausen wurde Philippos T. attackiert. Er starb an seinen schweren Verletzungen.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Der gewaltsame Tod des 20-jährigen Philippos T. in Bad Oeynhausen schockiert viele Menschen in Deutschland. Während der mutmaßliche Täter, ein 18-jähriger Syrer, in der Untersuchungshaft schweigt, spricht jetzt der Bürgermeister des Ortes bei Lanz.
"Diese Tat hat viele Menschen schockiert und fassungslos gemacht. Aber die Wut überwiegt." Das berichtet Lars Bökenkröger. Der CDU-Politiker ist Bürgermeister von Bad Oeynhausen, einer friedlichen 50.000-Einwohnerstadt in Nordrhein-Westfalen, gut eine halbe Stunde mit dem Auto von Bielefeld entfernt. Doch seit der Nacht vom 22. Auf den 23. Juni liegt ein Schatten auf dem Ort.
An diesem Wochenende ist einiges los in Bad Oeynhausen: Viele freuen sich auf das EM-Viertelfinalspiel zwischen Deutschland und der Schweiz am Sonntagabend. Es läuft das sommerliche Stadtfest. Und am Samstagabend steigt in den Kurhausterrassen eine Abifeier. "Das ist ein Ort, wo keine Kriminalität vorherrscht", sagt Bürgermeister Bökenkröger. Bis zu diesem Wochenende.
Philippos T. ist einer der Teilnehmer der Abiturfeier. Seine ganze Familie ist da. Seine Schwester hat das Abi bestanden. Das ist ein Grund zum Feiern, auch für den angehenden Rapper Philippos. Es ist Nacht, gegen halb zwei, berichtet Bökenkröger. Da will Philippos kurz mal raus, frische Luft schnappen, mit einem Freund eine rauchen. Die beiden gehen in den Kurpark, setzen sich auf eine Bank. Was dann genau passiert ist, ist noch immer nicht ganz klar. Die beiden Freunde geraten offenbar mit einer zehnköpfigen Gruppe Jugendlicher und Erwachsener in Streit. Südländisch sollen die jungen Männer ausgesehen haben, schreibt die Presse. Aber auch drei Deutsche sollen dazu gehört haben. Einige sollen Adidas-Trainingsanzüge getragen haben.
Dann soll einer aus der Gruppe aufgesprungen sein und Philippos T. bedroht haben. Der will offenbar fliehen, doch dann geht er zu Boden. Der mutmaßliche Täter, ein 18-jähriger Syrer, soll auf Philippos Kopf eingeschlagen und getreten haben.
Unterdessen geht die Feier weiter. Philippos Mutter sucht den jungen Mann, geht vor die Tür. Da sieht sie den Rettungswagen. Philippos stirbt zwei Tage später im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen. "Das macht mich fassungslos, was da passiert ist, was die Familie miterleben musste", sagt Bürgermeister Bökenkröger bei Markus Lanz.
Der mutmaßliche Täter sitzt in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen hat er sich noch nicht geäußert. Er war der Polizei bekannt. Der Syrer war vor sechs Jahren mit seiner Familie nach Deutschland geflohen. Zuerst lebte er in Pforzheim, erst in einer Flüchtlingsunterkunft, dann in einer Wohnung. Im vergangenen Jahr zog die Familie nach Bad Oeynhausen. Schon in Pforzheim war der Jugendliche polizeilich aufgefallen: Körperverletzung, Diebstähle. Er soll mehrere Zigarettenautomaten geknackt haben. Auch wegen eines Drogendelikts gerät er ins Visier der Ermittler. 2022 wird wegen eines Vergewaltigungsversuchs und des sexuellen Missbrauchs von Kindern gegen ihn ermittelt. Das Verfahren wird aber eingestellt. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Syrer wegen vollendeten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Die Kommune ist machtlos
Seit Jahren schon habe in der Bevölkerung ein subjektives Unsicherheitsgefühl geherrscht, sagt Bökenkröger. Nun hätten sich die Diskussionen verschärft. "Da muss man sagen: Da sind Handlungsrestriktionen für Kommunen. Die Polizei ist beim Kreis aufgehängt, da habe ich keine Möglichkeiten. Videoüberwachung: Da steht der Datenschutz dagegen. Da kann ich auch nichts machen. Da habe ich als Kommune Schwierigkeiten, der Bevölkerung zu sagen, wie wir die Sicherheit gewährleisten können. Abgesehen von ein bisschen Beleuchtung, die man mal installieren kann."
Vor allem die Gewalt von Jugendgruppen macht dem Bürgermeister zu schaffen. Er kann nur Mitarbeiter des Ordnungsamtes heranziehen, um bestimmte Gegenden zu kontrollieren. Sie werden oft von Polizisten begleitet. Bad Oeynhausen geht es wie vielen anderen Kommunen: Sie müssen Geflüchtete aufnehmen, aber eine richtige Integration können sie nicht gewährleisten. Das fange schon in der Schule an, sagt Bökenkröger. Dort gebe es Klassen mit einem Migrationsanteil von bis zu 90 Prozent. Und trotzdem gebe es auch gute Beispiele, was Integration angehe. "Wir sind ein Gesundheitsstandort. Unser Herzzentrum braucht viele Menschen, die aus der ganzen Welt kommen. Und auch denen sind wir es schuldig, dass wir diejenigen identifizieren in unserer Gesellschaft, die sich kriminell verhalten. Aber da müssen wir dann auch ganz konsequent sein. Wir sind zu liberal, oft auch zu pädagogisch unterwegs. Aber wir müssen den Jugendlichen sagen, dass es nicht sein kann, dass man hier mit dem Messer unterwegs ist, dass man sich prügelt, und dann auch schon in so einer Entwicklung, dass man jemanden fast totschlägt."
Das sieht auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr so. Es sei falsch gewesen, dass Deutschland mehr als zwanzig Jahre lang irreguläre Migration in die Sicherungssysteme zugelassen habe. Dürr: "Wir sind weltoffen. Aber wir wollen, dass Menschen zu uns kommen, die ranklotzen und sich integrieren." Die wenigen Intensivstraftäter müssten juristisch verfolgt werden, fordert Dürr. Und: "Ich erwarte von meiner eigenen Bundesregierung, dass Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien möglich sind."
Quelle: ntv.de