Geblinkt und geradeaus gefahren Wer haftet, wenn's kracht?
16.06.2014, 14:56 UhrEin Autofahrer will an einer Kreuzung auf die Vorfahrtsstraße einbiegen. Er sieht zwar noch das andere Fahrzeug, geht aber davon aus, dass es abbiegt - schließlich ist der Blinker gesetzt. Doch das Auto fährt geradeaus. Wer ist schuld?
Wenn ein Autofahrer blinkt, kann man sich nicht blind darauf verlassen, dass er auch tatsächlich abbieg t. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich um ein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug handelt, wie das Oberlandesgericht Dresden festgestellt hat. Das Gericht verurteilte einen Kläger dazu, 70 Prozent eines Unfallschadens zu übernehmen (Az. 7 U 1501/13).
Der Kläger wollte an einer Kreuzung nach links auf eine Vorfahrtsstraße abbiegen. Dort war ein anderes Fahrzeug unterwegs, das den Blinker nach rechts gesetzt hatte. Der Mann ging also davon aus, dass der Vorfahrtsberechtigte abbiegen würde, und fuhr los – direkt in den anderen Wagen hinein, der wider Erwarten weiter geradeaus fuhr.
Weil sich die beiden Beteiligten gegenseitig die Schuld an dem Unfall gaben, landete der Fall vor Gericht. Wie schon die Vorinstanz, entschied nun auch das Oberlandesgericht, dass es vor allem der Wartepflichtige gewesen sei, der falsch gehandelt habe. Grundsätzlich dürfe man nur dann in eine Vorfahrtsstraße einfahren, wenn klar ist, dass man denjenigen, der Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert. Dabei hat der Einfahrende eine gesteigerte Sorgfaltspflicht: Man müsse vielleicht nicht mit "atypischen, groben Verstößen des Vorfahrtsberechtigten" rechnen, wohl aber damit, dass er sich verkehrswidrig verhalten könnte.
Blinken allein reicht nicht
Die Senatsmitglieder wüssten aus eigener jahrelanger Fahrpraxis und aus der beruflichen Erfahrung mit Verkehrsunfällen, dass Autofahrer nicht selten aus Unaufmerksamkeit vergäßen, den Blinker zurückzusetzen, heißt es in dem Urteil. Das Blinken allein sei deshalb noch keine ausreichende Grundlage, um darauf vertrauen zu können, dass ein Fahrzeug tatsächlich abbiegt. "Ein besonnen und vorausschauend agierender Verkehrsteilnehmer muss sich deshalb anhand weiterer Umstände vergewissern, ob tatsächlich ein Abbiegen bevorsteht."
Das wäre zum Beispiel der Fall gewesen, wenn der Blinkende auch sichtbar die Geschwindigkeit reduziert hätte. Doch das konnte der Kläger vor Gericht nicht nachweisen. Letztlich wiege der Vorfahrtsverstoß schwerer als das missverständliche Blinken des Vorfahrtsberechtigten. Der Kläger muss deshalb den größten Teil des Schadens selbst bezahlen.
Quelle: ntv.de, ino