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Ist das Doping-Image schuld? Deutsche fahren bei Tour erstmal in zweiter Reihe

Die deutsche Radspitze ist international nur dabei, nicht im Favoritenkreis.

Die deutsche Radspitze ist international nur dabei, nicht im Favoritenkreis.

(Foto: picture alliance / Roth)

Gerade einmal sieben Deutsche werden zum Auftakt der Tour de France am Start stehen. Keiner von ihnen ist ein Kandidat für den Gesamtsieg. Der Radsport im Land steckt in einer Krise. Mitverantwortlich ist Teamchef Ralph Denk zufolge auch die "dopingverseuchte" Vergangenheit.

Jan Ullrich machte sich höchstpersönlich ein Bild. Entspannt plauderte der Tour-de-France-Sieger von 1997 bei den deutschen Straßenrad-Meisterschaften mit seinem früheren Weggefährten Erik Zabel, dann jubelte er dem neuen Champion Emanuel Buchmann zu. Rund um die Titelkämpfe im Schwarzwald herrschte Festtagsstimmung, doch die Realität sieht anders aus.

Die großen Zeiten des deutschen Radsports sind vorbei. Zwar bewies Buchmann im Straßenrennen nach einem 75 Kilometer langen Solo auf dem anspruchsvollen Meisterschaftskurs zwischen Donaueschingen und Bad Dürrheim eindrucksvoll seine Klasse, das deutsche Meisterjersey wird er aber nicht gegen das Gelbe Trikot bei der bevorstehenden Tour eintauschen können. 26 Jahre nach Ullrichs Triumph wartet Deutschland weiter auf seinen Nachfolger.

Bei der am Samstag startenden Tour ist Buchmann, der 2019 als Vierter noch am Podium gekratzt hatte, nur noch als Edelhelfer gefragt. Kapitän Jai Hindley durch die Berge führen, so lautet die Ansage. "Das ist die oberste Priorität", sagte Buchmann, der aus Sicht seines Sportlichen Leiters Rolf Aldag im Hochgebirge "der absolute Schlüssel" sei.

Deutsches Aufgebot so klein wie lange nicht

Den weiteren Startern aus Deutschland ergeht es ähnlich. Buchmanns Teamkollege Nils Politt, John Degenkolb (Team DSM) sowie Georg Zimmermann (Intermarche-Circus-Wanty), Phil Bauhaus und Nikias Arndt (beide Bahrain-Victorious) übernehmen vor allem Helferrollen, sind im Kampf um Etappensiege nur Außenseiter. Als siebter deutscher Fahrer steht Simon Geschke in seinem französischen Team Cofidis im Aufgebot. Maximilian Schachmann schaffte es nicht ins Starterfeld, der zuletzt offene achte Startplatz des Teams Bora-hansgrohe ging an den Österreicher Patrick Konrad.

Schachmann, der in den vergangenen anderthalb Jahren gesundheitliche Probleme hatte, hatte bei der Tour de Suisse und den anschließenden deutschen Meisterschaften als Dritter eine gute Form gezeigt. "Wir wollten kein Risiko eingehen. Max wäre natürlich gerne gefahren. Wir haben das mit ihm diskutiert. Jetzt geht es gerade wieder in die richtige Richtung. Dann geht man mit einer knallharten Tour de France obendrauf? Das kann man machen, muss man nicht machen. Er sieht es genauso", sagte Teamchef Ralph Denk.

Hoffnungsträger fehlt bei der Tour

Das deutsche Aufgebot ist ohnehin so klein wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Ein Grund dafür ist laut Denk die dunkle Vergangenheit. Zwar löste Ullrich mit seinem Erfolg einen Boom in Deutschland aus, das folgende Doping-Dilemma Anfang der 2000er Jahren schreckte viele potenzielle Talente aber wieder ab. "Jetzt bezahlen wir die Zeche", sagte Denk.

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"Viel weniger Leute haben sich inspirieren lassen, aufs Rad zu steigen", so Denk. Mit dem "dopingverseuchten Sport" habe "keiner etwas zu tun haben" wollen. Auf der anderen Seite machte der 49-Jährige zu wenige Radrennen im Nachwuchsbereich und infrastrukturelle Probleme aus. Es sei "eine Summe aus allem". Tony Martin sieht das ähnlich. "Ich mache mir schon Gedanken, dass es im deutschen Nachwuchs mangelt", sagte der frühere Zeitfahr-Experte und forderte: "Wir brauchen deutsche Erfolge."

Die Hoffnungen ruhen vor allem auf Lennard Kämna. Bei Bora-hansgrohe probierte sich der 26-Jährige zuletzt beim Giro d'Italia nicht unerfolgreich als Klassementfahrer, ob er den weiten Weg aber weitergeht, ist unklar. Bei der Tour de France legt Kämna aber eine Pause ein. Mit einer Rückkehr ist erst im kommenden Jahr zu rechnen.

Quelle: ntv.de, ara/sid

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