Stroud, Richardson, Young Diese drei NFL-Neulinge mischen die Liga mächtig auf
03.10.2023, 08:18 Uhr
Bryce Young, Quarterback der Carolina Panthers.
(Foto: picture alliance / Newscom)
Die NFL-Saison ist erst vier Wochen alt, aber drei junge Quarterbacks ziehen bereits nach wenigen Spielen die Aufmerksamkeit auf sich. Der Draft-Jahrgang von 2023 schickt sich an, ein ganz großer werden.
C.J. Stroud: Der Hoffnungsträger
"Alles, was wir von ihm verlangen oder auf das wir ihn hinweisen, hat er sich zu Herzen genommen. Er zeigt die Resultate im Spiel in der Woche darauf. Und das ist großartig für einen Quarterback", sagte Texans-Trainer DeMeco Ryans über einen erneut starken Auftritt von C.J. Stroud beim 30:6-Sieg von Houston über die Pittsburgh Steelers. Es war Strouds viertes Spiel in der National Football League, aber die Ruhe des Quarterbacks gleicht schon jener von Veteranen in der achten oder zehnten Saison. Stroud wurde im Frühjahr an zweiter Stelle im Draft ausgewählt, kam mit der Empfehlung von zwei Auszeichnungen als "Griese-Brees Quarterback of the Year" in Diensten der Ohio State Buckeyes.
Die Buckeyes haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten selten Elite-Quarterbacks für die NFL hervorgebracht, aber Stroud könnte genau das werden. Insbesondere seine Präzision gepaart mit einem entsprechenden Playbook und der passenden Auswahl an Spielzügen durch Offensive Coordinator Bobby Slowik lassen Stroud schon so früh in seiner NFL-Karriere glänzen. In den bisherigen Spielen verursachte Stroud keine einzige Interception, sprich keiner seiner Pässe wurde vom Gegner abgefangen.
Mit solchen Leistungen haucht der 21-jährige Kalifornier den Texans neues Leben ein. Die Football-Gemeinde in Houston war zuletzt desillusioniert, erst recht, nachdem der vormalige Star-Quarterback Deshaun Watson 2021 seine Wechselabsichten mitteilte und wenig später zudem mit Vorwürfen von sexuellen Übergriffen konfrontiert wurde. Der Stern von Watson, der mittlerweile mehr schlecht als recht für die Cleveland Browns spielt, ging unter und mit ihm auch für eine Weile die Hoffnung Houstons auf Playoff-Football.
Natürlich ist das Team rund um Stroud noch bei Weitem nicht auf dem Level, um Ansprüche auf Meisterschaftsspiele anzumelden. Aber der neue Quarterback bringt Euphorie zurück ins NRG Stadium und könnte sogar dafür sorgen, dass die Texans als Team wieder attraktiv für andere Könner in der NFL werden. Nach Jahren des Misserfolges ist in Houston eine trotzige Underdog-Mentalität entstanden, die Stroud schon aus dem College kennt. "Als ich für Ohio State gespielt habe, hieß es immer: 'Die Buckeyes gegen den Rest der Welt'. Nun bringe ich diesen Swag hierher: Die Texans gegen den Rest der Welt", sagte Stroud nach dem Triumph über Pittsburgh.
Anthony Richardson: Die Ausnahmeerscheinung
Während die Texans seit ihrer Gründung 2002 lediglich sechsmal die eigene Division gewinnen konnten, sind die Indianapolis Colts eine Traditions-Franchise mit zwei Super-Bowl-Titeln auf dem Briefkopf. Doch in der jüngeren Vergangenheit wirkte die Organisation unter dem langjährigen Eigentümer Jim Irsay ähnlich chaotisch wie jene in Houston. Das Ganze mündete 2022 darin, dass Cheftrainer Frank Reich entlassen und durch den vormaligen Fernsehexperten und Center Jeff Saturday ersetzt wurde. Die Colts schnitten derart schlecht ab, dass sie schlussendlich an vierter Stelle einen Spieler im Draft auswählen durften und sich nicht etwa für einen traditionellen Quarterback wie Will Levis entschieden, sondern für den vermeintlich ungeschliffenen Diamanten Anthony Richardson.
Dieser absolvierte während seiner kurzen College-Karriere nur 24 Spiele und warf in diesen lediglich 393 Passversuche. Richardson brachte nicht die übliche Erfahrung anderer weit oben ausgewählter Quarterbacks mit, sprengte jedoch beim Scouting Combine im Februar mit seinen physischen Attributen mehrere Rekorde. Rein von seinen Voraussetzungen her ist Richardson der athletischste Quarterback, den es bis dato in der NFL gegeben hat.
Doch kann er wirklich werfen und ein Spiel gestalten, fragten Skeptiker und Football-Puristen im Sommer. Die Antwort von Richardson ist ein eindeutiges "Ja". Er ist gerade deswegen ein Spielmacher, weil er mit dem Ball in der Hand aus der Pocket heraus explodieren kann und häufig auch recht intuitiv die Laufwege findet. Und sein Passspiel ist bei weitem ausgereifter als viele zunächst vermuteten. Der einzige Haken an der Sache könnte sein, dass Richardson aufgrund der zahlreichen Läufe - er unternimmt im Schnitt zehn pro Spiel - harte Treffer von Verteidigern einsteckt und noch einstecken wird. Am zweiten Wochenende spielte Richardson ein unglaublich starkes erstes Viertel gegen Houston, wurde jedoch dann bei einem Touchdown-Lauf über 15 Yards ungeschützt von M.J. Stewart getroffen. Die Folge: Gehirnerschütterung, Spielende und eine Woche Pause für ihn.
Teilweise wird Richardson mit Cam Newton, dem ehemaligen Star-Quarterback der Carolina Panthers, verglichen, weil dieser ähnlich athletisch und explosiv auf dem Feld wirkte. Newton baute jedoch aufgrund der Akkumulation von Verletzungen stetig ab. Aber für eine Weile war der Entertainment-Faktor von "Super Cam" immens - so ist es auch bei Richardson in seinen ersten Wochen in der NFL.
Bryce Young: Die Nummer eins mit Startschwierigkeiten
Weniger spektakulär war der Start für Bryce Young, der von den Carolina Panthers an erster Stelle im Draft ausgewählt wurde. Panthers-Coach Frank Reich brachte es vor wenigen Tagen auf den Punkt, als er sagte, dass sich sein Team momentan nicht wie ein großes Aufbauprojekt anfühlen würde. Normalerweise führt die Auswahl eines Quarterbacks an einer hohen Position im Draft dazu, dass eine zuvor strauchelnde Franchise eine Art Neustart wagt. Das Problem bei Young, der die sagenumwobene Heisman Trophy als bester College-Spieler im Jahr 2021 gewann, ist, dass er noch nicht bereit scheint, ein Team von sich aus zum Sieg zu führen, wie es Stroud und Richardson bereits tun.
Young besitzt schon eine Führungsrolle in der Kabine, braucht aber mehr Zeit, um sich an das Tempo und auch die Spielweise der Defensiven in der NFL zu gewöhnen. Bei der Heimniederlage der Panthers gegen die Minnesota Vikings am Wochenende wurde Young zweimal von Harrison Smith zu Boden gebracht. Einer dieser Sacks leitete den spielentscheidenden Touchdown durch D.J. Wonnum für die Vikings ein. In einem College-Spiel hätte Young einem heranrasenden Defensivspieler wohl noch ausweichen können oder dessen Laufweg besser gelesen, aber Smith kam dem Anschein nach für Young aus dem Nichts. Noch läuft das Spiel für den 22-Jährigen ein wenig zu schnell ab.
Frühere Jahrgänge wackeln
Damit erinnert er an andere Quarterbacks, die zuletzt im Draft ausgewählt worden. Ganz konkret gehen die vermeintlichen Spitzenspieler des 2021er-Jahrgangs aktuell durch ein sportliches Tal. Trevor Lawrence spielt eine durchwachsene Saison für die Jacksonville Jaguars. Zach Wilson muss nach dem Ausfall von Aaron Rodgers wieder als Quarterback der New York Jets ran und hat trotz seiner Einsatzbereitschaft teilweise eine lange Leitung, wenn er aus der Pocket den Ball wirft. Mac Jones beging am vergangenen Wochenende einige brutale Fehler, als er den Ball mehrfach außerhalb der Pocket quer übers Feld warf und unter anderem dadurch die New England Patriots auf die Verliererstraße brachte. Trey Lance, die Nummer drei von 2021, sitzt aktuell bei den Dallas Cowboys nur auf der Bank.
Auch Justin Fields, der wie Stroud einst für Ohio State spielte, startete ungemein schwach in die Saison, zeigte dann am Wochenende gegen die Denver Broncos für rund drei Viertel der Partie eine nahezu makellose Leistung, als er bis zum Schlussviertel 23 seiner 24 Passversuche zum Mitspieler brachte. Doch im Schlussviertel leistete er sich zwei Ballverluste, welche den Broncos nach 0:17-Rückstand noch den Sieg ermöglichten und für laute Buhrufe im Soldier Field von Chicago sorgten.
Solche Zuschauerreaktionen erhalten Stroud, Richardson und selbst Young momentan nicht. In der heutigen NFL bekommen Quarterbacks normalerweise keine Eingewöhnungszeit mehr, denn die Franchises wollen die ersten vier bis fünf Vertragsjahre, in denen die Rookies vergleichsweise wenig Geld erhalten, nutzen, um die Gehaltsobergrenze, den Salary Cap, durch die Verpflichtung von Top-Spielern auf anderen Positionen auszureizen. Die Philosophie sieht vielerorts so aus, dass um einen jungen kompetenten Quarterback ein Top-Team herum aufgebaut wird.
Besonders bei Stroud und Richardson könnte diese Herangehensweise aufgehen. Sie sind phänomenal in die NFL gestartet - und das auf unterschiedliche Arten. Stroud, die Präzisionsmaschine, und Richardson, der spektakuläre Allrounder, sind das, was die Amerikaner gerne "Box Office" nennen. Wegen ihnen gehen die Leute ins Stadion oder schalten zu den Übertragungen ein.
Quelle: ntv.de