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"Bullshit" und "Ignoranz" Fluor-Chaos sorgt im Skizirkus für viel Unmut

Sie ist als erste von dem Verbot betroffen: Ragnhild Mowinckel.

Sie ist als erste von dem Verbot betroffen: Ragnhild Mowinckel.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Es gibt eine große Veränderung in dieser Saison für die Skirennfahrer und deren Techniker: Das Fluor-Verbot. Es sorgt in der Ski-Welt schon vor dem ersten Rennen für Wirbel. Nach dem ersten Fall beim Auftakt ist der Ärger umso größer - vor allem, weil er Rätsel aufgibt.

Ragnhild Mowinckel war in Tränen aufgelöst. Der zweimaligen Olympia-Zweiten und zweimaligen WM-Dritten war soeben die zweifelhafte Ehre zuteilgeworden, doch einmal die Erste zu sein - die Disqualifikation der Norwegerin beim Weltcup-Riesenslalom in Sölden war eine Premiere. Und ein Skandal mit Ansage.

Gleich zum Saisonstart wurde erstmals eine Athletin wegen eines Verstoßes gegen das in allen Skisportarten einschließlich Biathlon zu Beginn dieses Winters eingeführte Fluor-Verbot aus dem Rennen genommen. Mowinckel beteuerte ihre Unschuld, und die Verbotskritiker sahen ihre Vorbehalte bestätigt. "Bullshit", nannte die italienische Weltmeisterin Federica Brignone die Neuerung und vertrat damit die einhellige Meinung.

Athletinnen und Experten hatten schon vor dem Auftakt Alarm geschlagen. "Es gibt die Gefahr, dass Unschuldige zu Schuldigen werden", sagte Roswitha Stadlober, Präsidentin des mächtigen Österreichischen Skiverbandes. Charly Waibel, Bundestrainer Technik und Wissenschaft beim DSV, warnte vor einer "Betrugskultur wie im Radsport der 90er-Jahre". Sportler fürchteten Manipulation oder Verunreinigung ihrer Skier durch Sprays oder Abrieb.

Ex-Chefcoach ist fassungslos

Den Skeptikern geht und ging es nicht um den Sinn des Verbots. Fluor ist umwelt- und gesundheitsschädlich. Zudem ist es extrem wasserabweisend und kann daher für einen Geschwindigkeitsvorteil sorgen. Der Ski- und Snowboard-Weltverband FIS und die IBU im Biathlon setzten mit ihrem Bannstrahl gegen das Wachser-Hilfsmittel eine EU-Richtlinie um. Doch von Beginn an gab es Zweifel an den Messmethoden vor allem der FIS.

Der DSV hat wie andere große Verbände selbst mehrere der 30.000 Euro teuren Geräte angeschafft, die mittels Infrarot-Spektroskopie nach Rückständen von Fluor auf den Skiern fahnden. "Wir haben erhebliche Abweichungen festgestellt", sagte Waibel dem "Münchner Merkur"/"tz". Und zwar sowohl bei Vergleichstests mit verschiedenen Geräten, als auch bei Mehrfachmessungen mit demselben Gerät an derselben Stelle.

Der DSV, andere Verbände und Athleten wie Abfahrerin Kira Weidle meldeten Zweifel bei der FIS an. Doch der Weltverband, meinte Waibel, wiegelte "mit Floskeln ab". Der frühere Chefcoach der deutschen Alpinen war fassungslos. "So viel Halbwissen und Ignoranz" habe er "noch nie erlebt".

Warum traf es Mowinckel?

Der Biathlon-Weltverband IBU war etwas aufgeschlossener und plant zunächst mit einem Verwarnsystem. Und auch die FIS beschlichen kurz vor dem Start offenbar plötzlich Zweifel. Drei Tage vor dem Rennen in Sölden wurde der Fluor-Grenzwert bis zum 31. Dezember von 1,0 auf 1,8 angehoben, um Disqualifikationen zu vermeiden.

Mowinckel traf es dennoch. Aber warum nur? Zwei Tage vor dem Fall sei ihr Ski mit derselben Präparierung noch "grün" getestet worden, beteuerte Rennchef Rainer Salzgeber von ihrer Skimarke Head und sprach von einem "Desaster". Nach einer normalen Bürstenbehandlung habe der Wert nur noch 0,1 betragen - eigentlich ein klarer Hinweis darauf, dass der Ski nicht mit Fluor präpariert worden sein kann, weil das nur unter größeren Mühen zu entfernen sei.

"Aber das", sagte der norwegische Frauencheftrainer Atle Skaardal, "wirft noch mehr Fragen auf als es Antworten gibt". Head will nun zwei Testmaschinen anschaffen lassen, "damit wir nachts wieder schlafen können", wie Salzgeber sagte. Sölden-Gewinnerin Lara Gut-Behrami hat eine andere Idee. "Vielleicht", sinnierte die Olympiasiegerin aus der Schweiz, "sollten die Serviceleute mit den Skiern im Zimmer schlafen."

Quelle: ntv.de, ses/sid

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