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Humphries-Aus ohne Giftpfeile Gestürzter Darts-Weltmeister rührt Peter Wright zu Tränen

Einer seiner emotionalsten Siege: Peter Wright wird vom geschlagenen Titelverteidiger Luke Humphries geherzt.

Einer seiner emotionalsten Siege: Peter Wright wird vom geschlagenen Titelverteidiger Luke Humphries geherzt.

(Foto: IMAGO/Pro Sports Images)

Ein emotionaler Peter Wright nimmt im Achtelfinale der Darts-WM völlig überraschend Titelverteidiger Luke Humphries aus dem Turnier. Nach dem Sieg ist Wright den Tränen nahe. Die Giftpfeile werden eingepackt.

Vom zweifachen Weltmeister, zum Außenseiter, zum Weltmeister-Besieger: Peter Wright hat bei der Darts-WM eine fast wundersame Verwandlung durchgemacht. Der 54-jährige Schotte hat das geschafft, was seine gesamte Karriere kennzeichnet. Er hat allen Zweiflern Lügen gestraft. Allen, die ihn abgeschrieben haben. Und das war im Grunde genommen jeder. Außer Peter Wright selbst, und seine Frau und Managerin Joanne. An diesem späten Sonntagabend kurz vor Mitternacht hat es der Darts-Weltmeister von 2020 und 2022 wieder allen gezeigt. Der Altmeister besiegt den amtierenden Weltmeister. Peter Wright wirft Luke Humphries im Achtelfinale der WM im Londoner Alexandra Palace mit einem deutlichen 4:1-Sieg aus dem Turnier.

Der Sieg ist mehr als "nur" der Einzug in die Runde der letzten Acht bei der Weltmeisterschaft. Viel mehr. Der Sieg ist eine Art Auferstehung. Peter Wright spielt auf einmal wieder so, wie er 2020 und 2022 gespielt hat. Bei seinen beiden Titelgewinnen an selber Stelle, in der Darts-Kultstätte "Ally Pally". Der Sieg sorgt von einer Nacht auf die andere dafür, dass Peter Wright jetzt zum Anwärter auf den WM-Titel geworden ist. Eine Vorstellung, die vor dem Sieg über Topfavorit Humphries völlig undenkbar schien.

Doch schon nach dem ersten Satz sind nicht nur die 3200 Fans in der Halle im Norden der britischen Hauptstadt, sondern auch Experten und Journalisten, ja sogar die Mitarbeiter der PDC in einer positiven Art "geschockt" von der Spielstärke des Peter Wright. Der kann mit dem Darts-Dominator der vergangenen eineinhalb Jahre nicht nur mithalten, sondern ist ihm zeitweise sogar im Scoring und beim Wurf auf die Doppelfelder voraus.

"Habe wegen seiner Worte geweint"

Nachdem Weltmeister Humphries den zweiten Satz gewinnt, kommt es zu so einem Moment, in dem Wright seinem Gegner einen Tick voraus ist. Wie fast in jedem Leg, das entscheidend für den Spielverlauf ist. Zum Beispiel im Entscheidungssatz des dritten Durchgangs, als Wright wieder als erster Darts auf Doppel hat. Und trifft. Auch der vierte Satz geht über die volle Distanz, am Ende aber erneut mit dem besseren Ende für "Snakebite", wie der Schotte mit den bunten Hosen, bunten Haaren und dem Schlangenkopf-Tattoo an seiner linken Kopfseite genannt wird.

Humphries hat sich bis dato gar nicht so viel vorzuwerfen. Der in der Weltrangliste haushoch führende Champion spielt mindestens ordentlich, schafft aber keine besonderen Momente und "klaut" Wright keine Legs. Weil sein 25 Jahre älterer Gegner das nicht zulässt. In keiner Phase der Partie. Erst recht nicht nach der Vorentscheidung zum 3:1 in den Sätzen. Nach der letzten Werbepause kommt Wright mit entschlossenem Blick zurück auf die Bühne und zerlegt Humphries in seine Einzelteile. "Snakebite" gewinnt den fünften Satz mit 3:0, nutzt seinen zweiten Matchdart zum Sieg und wird dann sofort hochemotional.

Humphries herzt seinen Bezwinger, nimmt Wright in den Arm und sagt ihm Worte, die Wright Tränen in die Augen schießen lassen. "Ja, wegen seiner Worte kamen mir die Tränen", bestätigt der zweifache Weltmeister auf der Pressekonferenz. "Luke ist ein großartiger Typ, ein liebenswerter Familienmensch, ein fantastischer Dartspieler. Er hatte sehr freundliche Worte für mich."

Was genau ihm der besiegte Champion gesagt hat, will der ntv.de-Reporter wissen. "Das geht dich nichts an", entgegnet Wright mit freundlichem Unterton und einem Lachen. Wright will den besonderen Moment mit den besonderen Worten für sich behalten.

Vor dem Spiel fliegen Giftpfeile

Das herzerwärmende Ende der Partie ist auch deshalb so überraschend, weil beide Spieler im Vorfeld ein paar verbale Giftpfeile hin und her geschickt hatten. Nachdem Wright sein Auftaktspiel gegen den niederländischen WM-Debütanten Wesley Plaisier nur mit viel Glück gewonnen hatte, prognostizierte er das frühe Aus von Humphries. Ausgerechnet Raymond van Barneveld, mit 57 Jahren genauso wie Wright ein Altmeister des Dartsports, werde Humphries in der dritten Runde besiegen. "Anschließend werden ich und Barney das beste Spiel haben, das man je auf dieser Bühne gesehen hat", fügte Wright aus völlig unerklärlichen Gründen und ohne Argumentationsgrundlage an.

Weiter hätte "Snakebite" mit seiner Prognose, rückblickend betrachtet, nicht daneben liegen können. Zum Drittrunden-Spiel zwischen Humphries und van Barneveld kam es nie, weil "Barney" schon in seinem Auftaktspiel am Waliser Nick Kenny scheiterte.

Genauso verrückt mutete Wrights Aussage an, dass er bereit sei, "Luke Littler und Luke Humphries zu schlagen". Mit diesen Worten sollte der Weltmeister von 2020 und 2022 aber richtig liegen. Dabei schien der im Achtelfinale besiegte Titelverteidiger die Worte von Wright vor dem Spiel nicht ernst genommen zu haben. Zu schlecht spielt Wright seit mittlerweile gut zwei Jahren. "Ich bin nur einen Weltmeister-Titel davon entfernt, mit seiner Karriere gleichzuziehen. Und ich bin 25 Jahre jünger", giftete Humphries vor dem Duell mit Wright.

Nach der Niederlage muss der 29-jährige Engländer eingestehen, dass er zwar "ganz gut gespielt" hat, der Druck aber "wahrscheinlich zu viel" war. "Peter hat fantastisch gespielt und das bestätigt, was er vor dem Match gesagt hat", kommentiert Humphries sein Achtelfinal-Aus.

Wright siegt trotz Husten-Attacken

Die herausragende Leistung von Wright ist auch deshalb so bemerkenswert, weil sich der Darts-Paradiesvogel derzeit krank durch die Weltmeisterschaft siegt. Wright ist dauernd am Husten, besonders heftig waren die Husten-Attacken am Freitagabend während und nach seinem Drittrunden-Sieg gegen den Niederländer Jermaine Wattimena. Im Anschluss ließ Wright auch die obligatorische Sieger-Pressekonferenz sausen. Diesmal war Wrights Gesundheitszustand zumindest leicht verbessert.

Umso besser, dass der 54-Jährige vor seinem Viertelfinale jetzt zwei Tage spielfrei hat. Am Neujahrstag kommt es entweder zum Duell mit Außenseiter Luke Woodhouse oder zum Duell der Fanfavoriten mit dem englischen Publikumsliebling Stephen Bunting. "Im Vergleich zu mir ist Stephen aber kein Publikumsliebling, oder?", fragt Wright die Journalisten und warnt Bunting erstmal vor dem nicht zu unterschätzenden Woodhouse. Schließlich weiß Peter Wright, was Außenseiter leisten können.

Quelle: ntv.de

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