
Rory McIlroy und seine Ehefrau Erica Stoll hatten am Ende viel zu feiern.
(Foto: REUTERS)
Um Sport geht es beim Ryder Cup mitunter nur noch am Rande. Das US-amerikanische Publikum übertritt im Umgang mit den europäischen Golfstars immer wieder Grenzen. Die Europäer siegen trotzdem - und schicken danach einen Gruß an Donald Trump.
Nach dem ersten von drei Tagen des Ryder Cups war der US-Präsident noch zuversichtlich. "Ich denke, wir werden es noch schaffen", hatte Donald Trump bei seinem Besuch des prestigeträchtigen Golf-Wettkampfs zwischen den USA und Europa gesagt - und sich dabei schwer geirrt. Auch, wenn es bei den letzten Schlägen kurz noch einmal spannend wurde, stand am Ende doch ein klarer 15:13-Erfolg für Europa. Was Rory McIlroy und seine siegreichen europäischen Teamkollegen zu einem Grußvideo an Trump animierte.
Mit dem Pokal in ihren Händen skandierten sie: "Are you watching, are you watching, are you watching, Donald Trump?", und fragten also den Möchtegern-Autokraten im Weißen Haus, ob er sich den (erneuten) Sieg Europas über die USA in seiner liebsten Freizeitbeschäftigung angeschaut habe. Es war schließlich der 11. Erfolg für Europa in den jüngsten 15 Ausgaben und der vierte Auswärtssieg in dieser Zeit. Trump, der sich gerne mit seinen angeblichen Golf-Künsten brüstet, antwortete: "Ja, ich gucke zu. Herzlichen Glückwunsch!" Eine Größe in der Niederlage, die wohl nur die wenigsten von Trump erwartet haben dürften. Auch wegen der Eindrücke, die das Turnier selbst hinterlassen hatte.
Schließlich überschrieb der englische "Guardian" einen seiner Texte aus dem Bethpage State Park auf Long Island/New York so: "Das hässliche Verhalten der US-Fans war ein Spiegelbild von Trumps Amerika." Der sportliche Glanz sei überstrahlt worden von einer "scheußlichen Kulisse" von unter anderem "Beleidigungen gegen die Frauen der Golfprofis" und "homophoben Beschimpfungen", die das Wochenende prägten - und die den "Guardian"-Reporter und wohl auch sonst niemanden wirklich überraschen durften.
McIlroy hätte sich über losgelassene Hunde gefreut
Der meiste Dreck wurde dabei in die Richtung von Rory McIlroy ausgekübelt. "Ich denke nicht, dass wir das im Golfsport jemals akzeptieren sollten", resümierte der Nordire selbst seine Erlebnisse - und bestätigte, dass seine Frau von einem Bierbecherwurf getroffen wurde. Er forderte von allen Beteiligten, die Ansprüche an sich selbst zu überprüfen: Golf "bringt dir gutes Benehmen bei. Es bringt dir bei, dich an Regeln zu halten. Es bringt dir bei, Menschen zu respektieren." Vieles davon habe er während des Ryder Cups in den USA schmerzlich vermisst: "Wäre ich Amerikaner, wäre ich genervt."
Zeitweise war McIlroy von Polizeikräften mit Hunden begleitet worden und hatte sich zwischenzeitlich mit einigen Fans angelegt. "Ich habe ein paar Mal zurückgeschrien, weil es mich gestört hat", sagte er, "aber wir haben sie mit unserer Performance zum Schweigen gebracht." Scherzhaft wünschte er sich sogar, die Polizisten "hätten die Hunde losgelassen". So aber blieb es dabei, dass der Nordire den US-Zuschauern recht eindrücklich riet, "verdammt nochmal ihre Fresse zu halten", oder in der gemeinsamen Muttersprache: "Shut the fuck up!"
Ein nur allzu menschlicher Ausbruch angesichts dessen, was unter anderem eine offizielle Ansagerin ausgelöst hatte. Sie war eigentlich verpflichtet worden, um das Publikum in Stimmung zu bringen, woran sie jedoch mit "Scottie-Scottie-Scheffler"-Sprechchören zur Melodie von Queens Welthit "We Will Rock You" kläglich gescheitert war. Also schwenkte sie offenbar spontan um - und wenige Momente später grölten die Massen "Fuck You Rory". Was keine Übersetzung braucht und den Genannten für den Rest seiner Runden verfolgte - die er beide gewann. Ein Sinnbild aller Ryder-Cup-Tage.
Donald Trump und die Niederlagen
Und zugleich auch ein Sinnbild für die Richtung, in die sich die USA unter Trump entwickeln. Dessen Umgang mit Niederlagen ist bestens dokumentiert: Das faktenfreie Leugnen der Niederlage gegen Joe Biden bei der Präsidentenwahl 2020 führte erst zu einem gewaltvollen und tödlichen Angriff auf das Kapitol, ein Herzstück der bald 250 Jahre alten US-Demokratie. Seitdem ist es zu einem Kern der Trump'schen MAGA-Ideologie geworden. Dass dieses Schlechter-Verlierer-Sein, dieser Abschied vom Anstand, also mit den schwindenden Chancen der US-Golfer einhergeht, erscheint da nur logisch.
Dass die Ansagerin sich dafür noch zu entschuldigen versuchte und zurücktrat, ändert daran kaum etwas. Dass es fast 24 Stunden dauerte, bis der US-Golfverband sich zu dem Vorfall äußerte, passte da ins Bild.
Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb, war Rory McIlroy & Co. anschließend nach Feiern zumute. "Wir werden feiern, als gäbe es kein Morgen", kündigte der Nordire an - und machte sich zusätzlich noch als Kameramann verdient, um den Gruß an den US-Präsidenten aufzunehmen. Der übrigens seine Enkelin mit zum Ryder Cup gebracht hatte, die zuvor eine neue Bekleidungsmarke vorgestellt hatte. Mit Werbefotos, die im Weißen Haus aufgenommen wurden. Was in anderen Ländern ein Interessenskonflikt wäre, ist für den Präsidenten und seine Familie im Zweifel einfach eine weitere Option, sich zu bereichern. Noch so etwas Sinnbildliches für Trumps USA.
Quelle: ntv.de