Australien weist Kritik zurück "Herr Djokovic wird nicht gefangen gehalten"
07.01.2022, 08:28 UhrDie Posse um Tennis-Superstar Novak Djokovic geht weiter. Der Serbe befindet sich in einem Hotel in Melbourne. Erst am Montag entscheidet ein Gericht über seine Teilnahme an den Australian Open. Die Regierung wehrt sich gegen Vorwürfe der Familie Djokovic und vor dem Hotel eskaliert die Lage langsam.
Das australische Innenministerium hat sich gegen Vorwürfe aus der Familie Novak Djokovics gewehrt. Diese hatte behauptet, Australien halte den Tennis-Star in Melbourne wie einen Gefangenen fest. "Herr Djokovic wird nicht in Australien gefangen gehalten, er kann jederzeit gehen, und der Grenzschutz wäre dabei behilflich", sagte Innenministerin Karen Andrews dem Sender ABC News. Andrews bestätigte zwei weitere Problemfälle im Zusammenhang mit den Australian Open, die nun vom Grenzschutz geprüft würden.
Die Innenministerin verteidigte das Vorgehen der Behörden in dem weltweit beachteten Fall. Djokovic habe es versäumt, die richtigen Informationen für seine Einreise nach Australien bereitzustellen, sagte sie dem Seven Network. "Sie werden von jedem verlangt, der in das Land einreist. Wenn diese Informationen nicht bereitgestellt werden können, sind die Einreisebestimmungen für Australien nicht erfüllt." Eigentlich gilt in Australien die Regel, dass nur Reisende mit Impfschutz gegen das Coronavirus ins Land gelassen werden. 26 Profis oder Betreuer hatten für die Australian Open eine Ausnahmegenehmigung beantragt. Bei einer "Handvoll" von Fällen habe das auch geklappt, erklärte Turnierdirektor Craig Tiley. Bei Djokovic auch. Nur für die Einreisegenehmigung hatte es offensichtlich nicht gereicht.
Der Jesus-Vergleich
Derweil gingen die Tumulte um den Serben auf allen Ebenen weiter. Auf Instagram meldete sich Djokovics Frau, Jelena, zu Wort. Unter ein Bild, das das Paar in inniger Umarmung gemeinsam mit einem Pudel an einem Strand zeigt, schrieb sie mit Bezug auf das orthodoxe Weihnachtsfest am 7. Januar: "Wir wünschen uns, dass wir heute alle zusammen sind. Aber ich tröste mich damit, dass wir wenigstens gesund sind. Wir werden an dieser Erfahrung wachsen. Vielen Dank, liebe Menschen auf der ganzen Welt, dass ihr eure Stimme genutzt habt, um meinem Mann Liebe zu senden." Sie wollen nun lernen, die Situation zu verstehen. "Das einzige Gesetz, das wir alle über alle Grenzen hinweg respektieren sollten, ist die Liebe und der Respekt für einen anderen Menschen."
Auf einer spektakulären Pressekonferenz hatte Djokovics Familie den Tennisstar mit Jesus Christus verglichen. Sein Bruder Djordje Djokovic sagte: "Jesus wurde am Kreuz gekreuzigt ... aber er lebt noch unter uns. Sie versuchen, Novak zu kreuzigen und herabzusetzen und ihn in die Knie zu zwingen." Im weiteren Verlauf beschrieb die Familie den bekannten Sohn als "Revolutionär". Sie werteten die Behandlung Djokovics als Fußtritt gegen das serbische Volk. Auch Serbiens Präsident Aleksandar Vucic hatte sich wütend über die Geschehnisse geäußert: "Ich fürchte, dass diese unerbittliche politische Verfolgung von Novak so lange weitergehen wird, bis sie etwas beweisen können", sagte er: "Denn wenn man jemanden nicht besiegen kann, dann greift man zu solchen Dingen."
Querfront protestiert vor Hotel
Unterdessen protestierten wieder unzählige Menschen vor dem Carlton's Park Hotel in Melbourne. Dort ist Djokovic bis zu einem möglichen Ende der Saga am kommenden Montag untergebracht. Laut eines Berichts der australischen Zeitung "The Age" rekrutierten sich die rund 200 Demonstranten aus einem kruden Mix aus Impfgegnern, Mitgliedern der serbischen Community und Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Sie alle sehen ihre Stunde gekommen. Doch rund die Hälfte soll nach einem heftigen Regenschauer die Position verlassen haben.
Vor dem Regen hielt ein Demonstrant ein Schild mit der Aufschrift "No" in die Luft und erklärte: "Auf meinem ersten Schild stand: 'Keine Pandemie-Gesetzgebung. Lass uns das Risiko managen.' Aber das war zu kompliziert. Ich bin nicht damit einverstanden, Flüchtlinge in Käfige zu sperren. Ich bin nicht damit einverstanden, Novak in einen Käfig zu sperren und ich bin nicht einverstanden mit … Tyrannei!" Aufnahmen der Nachrichtenagentur AFP zeigten eine ältere Frau mit einem "Omas für Flüchtlinge"-Schild und Mitglieder der serbischen Community schrien laut Medienberichten "Free Novak" in ihre Megaphone und wiesen auf das orthodoxe Weihnachtsfest hin. "Er hat nichts falsch gemacht", zitierte "The Age" eine der Protestierenden, während andere die Freiheit der Ungeimpften verteidigten.
Im Park Hotel werden sonst auch abgelehnte Asylbewerber untergebracht. Nach einem Feuer im Dezember 2021 sollen die dort untergebrachten Personen keinen Zugang mehr zu den Fitnessräumen sowie der Raucherterrasse, die normalerweise der einzige Zugang zum Freien ist, mehr haben, berichtete die Zeitung. In dem Hotel sei es in der Vergangenheit zudem öfter zu Corona-Ausbrüchen gekommen. So seien rund 90 Prozent der Infektionen der zweiten Covid-19-Welle im Staat Victoria auf das damals noch als Rydges on Swanston bekannte Hotel zurückzuführen gewesen.
Das Schicksal der Flüchtlinge
Auf Twitter meldete sich der ehemalige australische Fußball-Nationalspieler Craig Foster zu Wort. Der 52-Jährige hat sich in den letzten Jahren einen Ruf als Menschenrechtsaktivist erworben. Er forderte Djokovic auf, das Beste aus der Situation zu machen. "Auch wenn ich Deine Sicht zu den Impfungen nicht teile", schrieb er als Einschränkung vor eine ganze Serie von Tweets, "hast Du die Möglichkeit, etwas Positives aus Deiner Situation zu machen und darauf aufmerksam zu machen, wie wir unschuldige Menschen behandeln. [Die Menschen im Park Hotel] sind teilweise seit neun Jahren eingesperrt. Weil Du da bist, hört die Welt von den Flöhen, dem schrecklichen Essen. Deine Mutter nannte es 'unmenschlich'. Sie hat recht. Das ist es auch." Foster forderte Djokovic auf, mit den anderen Personen im Hotel zu reden und öffentlich auf deren Rechte aufmerksam zu machen.
Foster illustrierte es am Beispiel des Flüchtlings Mohammad Joy Miah, der in einem Video über sein Schicksal berichtete. Djokovic müsse nicht einmal neun Tage in dem Hotel verbringen, sagte Joy Miah: "Wir sind hier eingesperrt, weil wir mit dem Boot kamen, nicht mit dem Flugzeug." In einem Interview mit der BBC berichtete der Flüchtling über sein Leben im Hotel. "Ich habe schon lange kein richtiges Tageslicht mehr gesehen, habe lange schon keine frische Luft von draußen geatmet. Mein Leben ist ein Zimmer", sagte er. Es ist jedoch unklar, ob Djokovic unter gleichen Bedingungen leben muss oder für ihn innerhalb des Hotels andere Bedingungen herrschen.
Australischer Botschafter einbestellt
Vielleicht aber hat Djokovic für ein Treffen keine Zeit mehr. So zumindest die Forderung Serbiens, die dem Botschafter Australiens in Serbien, Daniel Emery, vom Außenminister des europäischen Staats präsentiert wurden. "Wir erwarten, dass sich der Botschafter persönlich dafür einsetzt, dass er in einer Unterkunft untergebracht wird, die dem besten Sportler der Welt und nicht einem Kriminellen oder einem illegalen Einwanderer angemessen ist", sagte der serbische Außenminister Namanja Starovic. Allein schon für den Fortbestand der guten diplomatischen Beziehungen der beiden Länder müsse Djokovic das orthodoxe Weihnachtsfest in einer besseren Unterkunft verbringen.
Am 3. Januar hatte Djokovic seine Teilnahme an den am 17. Januar beginnenden Australian Open mithilfe einer Ausnahmegenehmigung verkündet. Um seinen Impfstatus hatte er bis dahin ein Geheimnis gemacht. Als er dann Mitte der Woche in Australien landete, sah der Grenzschutz die Einreiseregeln in seinem Fall als nicht erfüllt an. Wie genau Djokovic seine medizinische Ausnahmegenehmigung erhielt und warum diese nicht ausreichend für eine Einreise war, ist immer noch nicht bekannt. Lokale Medien berichten, dass die Australian Open und der Bundesstaat Victoria, dessen Hauptstadt Melbourne ist, für Djokovic zwar eine Ausnahme zur Teilnahme am Turnier gewährten - diese aber nicht per se zum vorherigen Betreten des Landes berechtigt. Am Montag soll ein Gericht in Melbourne eine Entscheidung über Djokovic fällen. Bis dahin wird er womöglich weiterhin im Carlton's Park Hotel ausharren müssen.
Quelle: ntv.de, mit dpa