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Doncic-Show, DBB-Krimi, Pleite Hilflos gegen den barbarischen Zauberer

Gefeiert und gefürchtet: Superstar Luka Doncic.

Gefeiert und gefürchtet: Superstar Luka Doncic.

(Foto: picture alliance / SVEN SIMON)

Welch eine Show von Luka Doncic: Gegen den überragenden Spielmacher Sloweniens findet die Basketball-Nationalmannschaft einfach kein Mittel. Bei ihrer ersten EM-Pleite brilliert ein barbarischer "Luka Magic" - doch die DBB-Auswahl kann davon profitieren.

"Was ist passiert?", fragt der Journalisten-Pulk Maodo Lo nach der knappen Pleite gegen Slowenien. Leicht angesäuert antwortet der Aufbauspieler: "Luka Doncic ist passiert." Bei der 80:88-Niederlage der deutschen Basketball-Nationalmannschaft, der ersten bei der EuroBasket, finden Lo und Co. kein Mittel, um Doncic zu stoppen. Den Zauberer, der ohne Rücksicht und geradezu barbarisch durch die deutschen Abwehrreihen pflügt und bei Gegnern nur Unheil hinterlässt. Den tänzelnden Magier, der die Massen zum Staunen bringt. Den Superstar, gegen dessen Team die Pleite für die DBB-Auswahl vielleicht gerade zu rechten Zeit kommt.

Diese Vorzeichen hatte vor dem Turnier niemand erwartet: Deutschland kämpft, spektakelt und siegt sich durch die "Killer-Gruppe" (Lo) der EuroBasket. Es ist der beste deutsche EM-Start der Geschichte. Doch der Motor von Slowenien, der amtierende Europameister mit dem Weltstar Luka Doncic, stottert. Ausgerechnet vor der Partie gegen die DBB-Auswahl stolpert der Dritte der Olympischen Spiele in Tokio gegen Bosnien-Herzegowina. Es ist die erste EM-Pleite der Slowenen seit sieben Jahren.

Das macht das ohnehin schon mit am meisten Spannung erwartete Duell der Hammergruppe B, in der Deutschland hinter Slowenien, Frankreich und Litauen als Außenseiter galt, noch aufregender. Knapp 20.000 Fans pilgern zur Arena in Köln, Stunden vor dem Tip-Off herrscht Volksfeststimmung. Einige Trikots mit Wagner und viele mit Nowitzki auf dem Rücken sind zu sehen. Doch die meisten Jerseys ziert die Nummer 77 und der Name Doncic. In der Halle feiern die tausenden Slowenen ihren Helden gleich in mehreren Fanblöcken mit frenetischem Gesang und wilden Hüpfeinlagen.

Für Slowenien muss gegen Deutschland ein Sieg her, will man nicht als abgeschlagener Vierter in die K.o.-Phase einziehen. Und so motiviert tritt der Europameister von Anfang an auf, vor allem in Person ihres Megastars. 36 Punkte, zehn Rebounds, vier Assists (bei fünf Ballverlusten) verbucht Doncic in knapp 34 Minuten Spielzeit. Doch die nackten Zahlen geben beileibe nicht wieder, wie der 23-Jährige die Partie fast schon nach Belieben bestimmt und lenkt. Wie er, sobald das deutsche Team mal verkürzt, direkt wieder barbarisch dazwischengeht und zeigt, wer Herr im Haus ist. Wie er Zauberwürfe kinderleicht aussehen lässt.

Die Kreativität und Leichtigkeit sind weg

Die DBB-Auswahl will eigentlich den Schwung aus den vorherigen drei Partien mit drei Siegen nicht verlieren und ungeschlagen und vor allem als erster ins Achtelfinale einziehen, um einen vermeintlich leichteren Gegner aus der Gruppe A zu erwischen. Um vielleicht wirklich die erste Medaille seit 17 Jahren (EM-Silber 2005) erringen zu können. Doch am Dienstagabend fehlt fast über das gesamte Spiel offensiv die Kreativität und die Leichtigkeit der vorherigen Partien. Auch wenn die Intensität stimmt und die Mannschaft sich mehrere Male wieder an die führenden Slowenen herankämpft, sie findet keinen Rhythmus. Angriffe gegen die unglaublich schnelle und tief absinkende Defensive enden zu oft in Distanzwürfen, die an diesem Abend so gar nicht fallen wollen.

Nur zwölf von 37 Dreipunkteversuchen sitzen. Das Team von Bundestrainer Gordon Herbert hat Glück, dass Slowenien gar noch schlechter von draußen trifft, sonst wäre die Pleite womöglich zu einem Debakel mutiert. Franz Wagner, der Held des Litauen-Krimis, bleibt diesmal blass und hat zur Halbzeit keine Punkte auf seinem Konto. Kapitän Dennis Schröder versucht, die Kontrolle im deutschen Spiel zu behalten und die ausgeglichene Offensive der vorherigen Partien zu etablieren. Doch zu durchsichtig, ungenau und manchmal unglücklich sind seine Würfe (Schröder trifft nur drei von zehn Dreiern) und die seiner Mitspieler.

Vor allem defensiv ist Deutschland aber überfordert. Und das liegt, frei nach Maodo Lo, daran, dass immer wieder Luka Doncic passiert. "Luka Magic" wird der 23-Jährige in Anspielung auf Lakers-Legende Earvin "Magic" Johnson von Fans und Medien in den USA gerufen. Ein Zauberer, ein Magier am Ball. In Slowenien ist der schon im Teenageralter überaus erfolgreiche Basketballer ein Nationalheld, in der NBA, der besten Basketball-Liga der Welt, zählt er zu den absoluten Aushängeschildern. Der "Nachfolger" von Dirk Nowitzki bei den Dallas Mavericks ist auch ein Show-Man. Must-See-TV sagen die US-Amerikaner dazu. "Er ist jemand, für den man bezahlen würde, um ihn zu sehen", erkennt vor der Partie auch Bundestrainer Herbert an. "Er ist einer der besten Spieler der Welt."

"Ihr könnt mich nicht verteidigen"

Was Doncic mit dem Ball anstellt, wie er kaum zu verteidigen ist, was er bei Gegnern und Fans auslöst, ist spannend zu beobachten. Es folgt nur eine kleine Auswahl. Im zweiten Viertel kommt der Spielmacher von der Bank, zieht mit seiner ersten Aktion gegen zwei Gegenspieler zum Korb, verrenkt seinen Körper, wird im Sprung gefoult und legt einen verrückten Korbleger trotzdem rückwärts rein. Eiskalt. Barbarisch. Fans drehen sich ungläubig zueinander um, Slowenen krakeelen MVP-Rufe. Egal, wer den Zauberer an diesem Abend aufhalten soll (von Schröder über Nils Giffey bis hin zu Nick Weiler-Babb), sie alle haben keine Chance gegen die 201 Zentimeter und 104 Kilogramm, gepaart mit beweglichen Tempowechseln und einer begnadeten Übersicht.

Denn zieht Doncic zum Korb, feuert er ebenso gerne einen Laser-artigen Pass zum Mitspieler wie selbst abzuschließen. Die Vorlage zum 38-28 ist ein Full-Court-Pass im Stile eines Football-Quarterbacks, den nur wenige so präzise an den Mann bringen. Anschließend - zack, wieder ohne Reue - trifft er einen seiner gefürchteten Step-Back-Dreier über den ausgestreckten Arm von Daniel Theis. In der zweiten Hälfte versenkt der Zauberer trotz enger Verteidigung einen äußerst schwierigen Fade-Away-Wurf aus der Drehung direkt vor Bundestrainer Herbert. Dieser muss vor lauter Anerkennung schmunzeln, während der Ball das Netz lediglich minimal küsst. Welch eine Aktion! Die Halle ist abermals verzückt. Für diese Momente lieben die Fans ihren Magier - so wie seine Gegner ihn für den beinahe schon barbarischen Akt der Demütigung fürchten.

Sprung ins vierte Viertel: Doncic drängt den deutschen Verteidigern weiter sein ganz eigenes Spiel auf. Nach einem Korbleger, bei dem die Deutschen abermals ins Leere laufen und an ihm abprallen wie Fliegen, schüttelt der NBA-Star den Kopf. Sein Zeichen: "You can't guard me." Ihr könnt mich nicht verteidigen. Luka-Doncic-Sprechchöre füllen das Rund. Auf jede gute Aktion von Deutschland hat er an diesem Abend eine Antwort. Als zwei Dreier von Lo und Andreas Obst das DBB-Team in den letzten zwei Minuten noch mal 77-82 heranbringen, vollführt der nicht gerade für seine Defensiv bekannte Slowene gar einen Chase-Down-Block gegen das Brett à la LeBron James. Die Kameras der Fotografen laufen heiß, Show-Man Doncic flext für sie seine Muskeln.

"Slowenien ist passiert"

Es folgt der Abpfiff. Neben Doncic überzeugt vor allem Kapitän und Altmeister Goran Dragic (18 Punkte), dessen schnelles Spiel Deutschland ebenfalls nur schwer in den Griff bekommt. Die DBB-Auswahl muss nun zeigen, dass sie die richtigen Lehren aus dieser Pleite zieht. Dann kann sie zu diesem Zeitpunkt im Turnier sogar hilfreich gewesen sein, wenn es nämlich bald gegen Mannschaften wie Griechenland oder Serbien mit ihren NBA-Topstars Giannis Antetokounmpo und Nikola Jokic geht.

Dem ruhigen Coach Herbert ist dieser Schritt durchaus zuzutrauen. Und auch die deutschen Fans, die das ganze Spiel über mächtig Lärm machen, scheinen bereit, das Team noch weit in die K.-o.-Phase in Berlin zu tragen. Mit einem Triumph am Abend gegen Ungarn (20.30 Uhr) kann die Mannschaft weiterhin den Gruppensieg einfahren. Zur Erinnerung: Bei der letzten Heim-EM sprang 1993 der sensationelle Titel heraus, der einzige große für den deutschen Basketball.

Dafür muss das Team für das nächste Aufeinandertreffen mit einem echten NBA-Superstar besser vorbereitet sein. Mit kreativerer und variablerer Offensive, mit noch mehr kollektivem Einsatz, mit noch mehr geschlossener Abwehrarbeit kann diese talentierte Generation Großes erreichen. Wenn nicht gerade Zauberer "Luka Magic" im Weg steht.

Dieser stellt dann auf der Pressekonferenz klar, dass Maodo Lo nicht ganz richtig lag mit seiner Analyse. "Nicht Luka Doncic ist passiert", stellt Doncic nun gar nicht mehr barbarisch sein Team in den Vordergrund. "Slowenien ist passiert."

Quelle: ntv.de

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