Mit Bling-Bling auf Bolls Spuren Olympia-Hit Annett Kaufmann pfeift auf feige Ansagen
12.10.2024, 11:16 Uhr
Das neue Gesicht des deutschen Tischtennis: Annett Kaufmann.
(Foto: REUTERS)
Sie ist die deutsche Entdeckung der Olympischen Sommerspiele von Paris: Annett Kaufmann kann in der Post-Boll-Ära zum Gesicht des deutschen Tischtennis avancieren. Die Europameisterschaft in Linz gilt unter neuen Vorzeichen als Standortbestimmung.
Bling-Bling statt Boll: Glitzernde Haarspangen, Halskettchen, Perlenohrringe und Swiftie-Armbänder gehören zu Annett Kaufmann wie eine erstaunliche Rückhand und platzierte Schmetterschläge. Viele bescheinigen der 18 Jahre alten Olympia-Entdeckung vor der Einzel-EM ab Dienstag in Linz schon das Zeug für eine Zukunft voller Erfolge - und vor allem für die Nachfolge der abgetretenen Ikone Timo Boll als Gesicht des deutschen Tischtennis.
Seit Paris ist die bodenständige Teenagerin auf diesem Weg gut vorangekommen. "Bei Instagram", betont Kaufmann ohne jede "Tussi-Attitüde" in den Medien des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) stolz, "folgen mir rund 35.000 Leute mehr." Außer der Vervierfachung ihrer virtuellen Fan-Gemeinde nach Olympia, wo die deutsche Meisterin ihren ersten Sieg über eine Top-Ten-Spielerin und vier weitere Erfolge gegen Kontrahentinnen aus dem Kreis der besten 30 feierte, hat die ungemein (selbst)reflektierte Abiturientin aber noch weitere Beobachtungen gemacht. "Ich werde eher ernst genommen, und ich werde auf der Straße mehr erkannt", erzählte Kaufmann in einem "Sportschau"-Interview: "Ich war Annett, aber niemand wusste, wer Annett ist - das ist jetzt anders."
Geschenk für das deutsche Tischtennis
Für den DTTB ist Kaufmann mit ihrem Talent, ihrem selbstgewissen und eloquenten Auftritten ein Geschenk. Im Interview mit ntv.de sagte sie etwa frisch von der Leber weg: "Auch die Chinesinnen scheißen sich in die Hosen, wenn sie gegen eine gute Europäerin spielen müssen." Als dringend benötigtes Aushängeschild für die Ära nach dem Abschied von Ikone Timo Boll nämlich taugt aus der mitunter schon ergrauenden "Ü30"-Männerriege um Altstar Dimitrij Ovtcharov - allen noch vorhandenen Medaillenchancen zum Trotz - niemand wirklich.
Umso behutsamer ist der Umgang mit dem "Rohdiamanten". Vor Linz lassen sich die Erwartungen an Kaufmann dennoch leicht gerade am Schweigen der Verbandsspitze, eben zu dieser Frage, erkennen. Für Bundestrainerin Tamara Boros ist die Linkshänderin, die schon mit 16 Jahren alle EM-Titel bis zu den U21-Juniorinnen gewonnen hatte, bereits seit 2021 "unsere Zukunft". Immerhin aber scheut sich der DTTB nicht mehr, seinen Jungstar ohne jede Übertreibung als "Europameisterin aller Nachwuchsklassen" zu präsentieren.
"Kaufmann holt Medaille - wäre auch total okay"
Die derzeit in der Weltrangliste wieder knapp außerhalb der Top-100 notierte Tochter eines Sportler-Paares - der Vater war Eishockey-Profi und die Mutter Skifahrerin - registriert die gewachsenen Ansprüche unbefangen und ambitioniert. "Kaufmann wird Europameisterin", würde die gebürtige Wolfsburgerin laut eigener Aussage gerne einmal als Schlagzeile über sich lesen: "Träume sind da, um Träume zu sein. Aber 'Kaufmann holt Medaille' wäre auch total okay."
Wie sehr Kaufmann trotz "meines geerdeten Charakters" aber auch selbst auf mehr hofft, lässt ihre Bereitschaft zu den Vergleichen mit "Jahrhundertspieler" Boll erahnen. "Wenn ich", erklärte die Fernsehserien-Liebhaberin bereits in Paris, "wenn ich am Ende so gut dastehe wie er, dann kann man meinetwegen sagen, dass ich die neue Timo Boll war." Womöglich jedoch avanciert Kaufmann rasch zu einer eigenen Marke. Jedenfalls hat der erklärte Familienmensch seine erste Saison als Profi nach Paris statt mit Übermut voller Ehrgeiz begonnen: "Ich weiß, was ich will, und ich weiß, was ich dafür machen muss."
Quelle: ntv.de, tno/sid