Erfolgreich, aber umstrittenen Auf Dauer-Coach Tomlin lastet die alles entscheidende Frage
24.11.2024, 13:55 Uhr
Mike Tomlin macht seit 17 Jahren das Gleiche, die Pittsburgh Steelers coachen.
(Foto: AP)
Mike Tomlin - ein Name, ein Verein: Pittsburgh Steelers. Aktuell sitzt niemand so lange auf einem NFL-Trainerstuhl wie er. Seit 2007 hat Tomlin das Sagen - und seinen Vertrag im Sommer um drei Jahre verlängert. Aber: Kann er den Verein endlich wieder zum Meister machen?
Um die Gegenwart besser einordnen zu können, macht es ja bekanntlich manchmal Sinn, etwas genauer zurückzublicken. Auf die Anfangszeit. Im Fall von Mike Tomlin zum Beispiel. Es ist der 27. Januar 2007. Der US-Präsident heißt George W. Bush. Novak Djokovic ist 19 Jahre alt und steht noch am Anfang seiner Tennis-Karriere. In der Fußball-Bundesliga führt Werder Bremen aufgrund des besseren Torverhältnisses vor dem punktgleichen FC Schalke 04 die Tabelle an und in Pittsburgh wird Michael Pettaway Tomlin neuer Trainer der Steelers. Ein 34-Jähriger, der bis dahin bei den Cincinnati Bengals, Tampa Bay Buccaneers und Minnesota Vikings als Spezialcoach für die Abwehrreihen zuständig gewesen war.
Heute, 6511 Tage später, ist Bush ein 78-jähriger Pensionär, Djokovic mit 24 Grand-Slam-Titeln der erfolgreichste Spieler der Tennis-Geschichte, Werder Bremen im Bundesliga-Mittelfeld, Schalke knapp über den Abstiegsplätzen der 2. Liga und Mike Tomlin immer noch der Head Coach in Pittsburgh. Ja, immer noch. Und nicht etwa schon wieder. Der 52-Jährige hat mittlerweile die 18. Saison nacheinander das Sagen bei den Steelers. Von allen 124 Trainern in den vier großen Nordamerikanischen Profiligen (NFL, NBA, NHL, MLB) ist nur Gregg Popovich (10. Dezember 1996) von den Basketballern der San Antonio Spurs noch länger im Amt als Tomlin.
Vertrauen von Vereinseigner Rooney
Und es werden noch weitere Jahre hinzukommen. Ganz sicher. Im Juni hatte Tomlin für drei weitere Jahre beim sechsmaligen Meister verlängert. "Das ist ein Beweis in unser Vertrauen, dass er das Team so führt, damit wir wieder Playoff-Spiele und Meisterschaften gewinnen", sagte Steelers-Eigentümer Art Rooney II damals. Nun gehört es bei den Steelers längst zur Vereins-Philosophie, dass Trainer lange im Amt bleiben. Seit 1969 hatte der Verein nur drei Headcoaches. In 55 Jahren!
Kansas City Chiefs at Carolina Panthers (Kickoff 19 Uhr)
Minnesota Vikings at Chicago Bears (live auf RTL+; Kickoff 19 Uhr)
San Francisco 49ers at Green Bay Packers (Kickoff 22:25 Uhr)
Vielleicht noch beeindruckender: Der letzte Trainer, der entlassen wurde, war am 16. Dezember 1968 Bill Austin. Dann übernahm Chuck Noll, hatte 23 Jahre das Sagen - und führte die Steelers zu vier Super-Bowl-Triumphen. Auf ihn folgte 1991 Bill Cowher, der mit Pittsburgh 2006 Meister wurde. Und seit 2007 ist Tomlin im Amt. Er hat in dieser Zeit sichtbare Spuren hinterlassen - in Pittsburgh und in der Liga.
17 Spielzeiten ohne negative Bilanz
Als Tomlin am 1. Februar 2009 in Tampa Bay mit seinen Steelers den Super Bowl 27:23 gegen die Arizona Cardinals gewann, war er gerade 36 Jahre alt - und somit der jüngste Meister-Coach der NFL-Geschichte. Es dauerte bis zum 13. Februar 2022, ehe ihn Sean McVay ablöste. Der Trainer der Los Angeles Rams war bei seinem Super-Bowl-Sieg 303 Tage jünger gewesen als Tomlin. Der wiederum hat noch keine seiner bisherigen 17. NFL-Spielzeiten mit einer negativen Bilanz beendet. Das Schlechteste, was Tomlins Teams vorzuweisen hatten, waren drei Jahre mit jeweils acht Siegen und acht Niederlagen.
Und es müsste in den verbleibenden sechs Wochen der regulären Saison schon alles schief laufen, damit sich daran was ändert. Denn nach elf Spielen führen die Steelers mit 8:3-Siegen ihre Division, die AFC North, an. Das ist zum einen durchaus eine Überraschung - und zum anderen ein weiterer Beweis des Könnens von Tomlin. Der Trainer hatte die Saison mit vielen Fragezeichen und zwei neuen Quarterbacks begonnen. Von den Chicago Bears war Justin Fields gekommen, von den Denver Broncos der tief gefallene Russell Wilson. Bei den Seattle Seahawks hatte Wilson einst Superstar-Status, 2014 den Super Bowl gewonnen. Doch in Denver war er eine einzige Enttäuschung.
Tief gefallener Russell Wilson wieder oben auf
In Pittsburgh hatte sich der 35-Jährige im Trainingscamp gegen Fields durchgesetzt, vor dem ersten Spiel jedoch eine Wadenverletzung zugezogen. So bekam Backup Fields seine Chance - und nutzte sie. Fields spielte die ersten sechs Partien, Pittsburgh gewann vier davon. Es gab also eigentlich keinen Grund, etwas zu ändern. Dennoch tauschte Tomlin, brachte Wilson, wenngleich sich sein Trainerstab dagegen ausgesprochen hatte. Mit Wilson gewannen die Steelers dann gar vier Spiele nacheinander, ehe sie am Donnerstag 19:24 bei den Cleveland Browns verloren. Trotzdem ist Pittsburgh derzeit ein 8:3-Team. Wer hätte damit gerechnet? Noch ein, zwei Siege und die Steelers hätten ein Playoff-Ticket so gut wie sicher. Zum zwölften Mal in der Tomlin-Ära.
Er freue sich auf die neue Saison und darauf, den Fans "ein unvergessliches Jahr zu liefern", hatte Tomlin im Sommer nach seiner Vertragsverlängerung betont. Bislang hat er Wort gehalten. Allerdings, das gehört auch zu seiner Story, ist Tomlin längst nicht mehr unumstritten bei den Fans. Klar, er ist ein guter Trainer, keine Frage. Mit seinen 181 Hauptrunden-Siegen rangiert er in den Liste der erfolgreichsten Coaches auf Platz zwölf. Bis zu den Top Ten fehlen ihm nur noch neun Siege, um den Steelers-Vereinsrekord von Chuck Noll (193) einzustellen, muss er noch zwölf Mal gewinnen.
Aber: Gute Trainer siegen in der Vorrunde, sehr gute Trainer hingegen in den Playoffs. Und da hapert es bei Tomlin seit Längerem. Seine K.-o.-Runden-Bilanz lautet 8:10. Der Super Bowl-Triumph ist bald 16 Jahre her. Die letzte Endspiel-Teilnahme gelang 2011. Und seit dem 15. Januar 2017 hat Pittsburgh kein K.-o.-Runden-Spiel mehr gewonnen. 2018, 2021, 2022 und in diesem Januar kam bereits jeweils im Wild Card Game das Aus.
Ob es dieses Jahr anders wird? Die bisherigen Leistungen geben durchaus Anlass für leichten Optimismus. Tomlin hat mittlerweile eine eingespielte Mannschaft mit viel Selbstvertrauen. Er habe "aus wenigen Zutaten ein Gourmet-Essen gekocht", heißt es gar bei sports.yahoo.com. Und Tomlin hat nun noch sechs Wochen Zeit, diese Mahlzeit zu verfeinern, damit sie dann auch die gehobenen Ansprüche der Playoffs erfüllen kann. Die Fans in Pittsburgh sind auf jeden Fall hungrig. Und sie hätten nach all den verbrannten, versalzenen und überkochten Speisen der jüngeren Vergangenheit endlich mal wieder ein Sterne-Menü verdient.
Quelle: ntv.de