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Interview mit Elias Nerlich "Sonst wird man irgendwann verrückt"

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Er zockt Videospiele, ist Werbegesicht, führt Unternehmen und ist Vereinspräsident seines eigenen Fußballklubs - als einer der bekanntesten und einflussreichsten Content Creator Deutschlands erreicht Elias Nerlich Millionen junge Menschen. Der 24-Jährige veranstaltet am Wochenende zum zweiten Mal seinen Real Life Eligella Cup (11. September/ab 14:45 Uhr bei RTL+) und versammelt für das Kleinfeldturnier das Who is Who der deutschen Streaming- und Youtube-Landschaft. Im Interview mit ntv.de spricht Nerlich darüber, welche Rolle Fußball in seinem Leben spielt, wie sich sein Verein Delay Sports Berlin entwickelt und warum Streaming wie eine Therapie für ihn ist.

ntv.de: Herr Nerlich, zum zweiten Mal wechseln Sie für Ihren Eligella Cup von der Konsole ans runde Leder. Dieses Mal findet das Turnier im ausverkauften Audi Dome in München statt. Wie kam es zu der plötzlichen Rückkehr auf den Platz?

Elias Nerlich: Von plötzlich kann man nicht sprechen. Mein Leben besteht aus Fußball und nur der Schicksalsschlag mit dem Wadenbeinbruch hat mich lange daran gehindert, noch einmal auf dem Platz zu stehen. Mittlerweile geht es wieder, aber ich merke schon, das ist alles nicht so wie früher. Das Interesse am Fußball war aber immer da. Jetzt habe ich die Möglichkeiten, meine Power zu nutzen, um Events auf die Beine zu stellen, ohne dass ich auf dem Fußballplatz wirklich aktiv sein muss. So ein Turnier hätte ich gerne schon vor vier Jahren gemacht, aber da hatte ich noch nicht die Möglichkeiten.

Was hat sich in den vergangenen vier Jahren geändert?

Zum einen natürlich die Reichweite. Die Projekte leben davon. Das würde nicht so gut laufen, wenn ich das damals mit 1000 Abonnenten gemacht hätte. Zum anderen kommen Kontakte und Management dazu. Ich hatte schon früher mein Management, aber mittlerweile bin ich ein gestandener E-Sportler und Content Creator.

Mit Trymacs, MontanaBlack, Gamerbrother oder Sascha Hellinger kommt beim Turnier die geballte Reichweite aus Streaming und Youtube in Deutschland zusammen. Ist das auch eine Art Klassentreffen, weil sich viele der Spieler beim Cup persönlich kennen?

Klassentreffen ist jetzt kein großes Thema, natürlich ist es schön, sich nochmal zu sehen und Spaß zu haben. Das Sportliche soll aber schon im Vordergrund stehen, auch wenn wir wissen, dass wir alle keine Profi-Kicker sind. Da wird es Stolperer geben, jemand der das Tor nicht trifft und auch ein paar lustige Szenen. Genau deswegen gucken uns die Leute. Wenn sie Profifußball sehen wollen, dann gehen sie ins Bundesligastadion. Aber der Hauptaugenmerk liegt darauf, Spaß zu haben und der Community etwas zurückzugeben. Da versammelt sich dann nicht nur meine Community, sondern die der größten Streamer und Youtuber Deutschlands.

Auf was freuen Sie sich am meisten? Gibt es irgendwas, was Sie besonders reizt?

Zum ersten Mal haben wir ein Event mit Zuschauern vor Ort, dazu noch ausverkauft. Allein die Tatasache, dass wir überhaupt eine Halle voll bekommen, zeigt, dass wir echt viel geschafft haben in den letzten Jahren. Die Tickets waren nach ein paar Stunden alle weg. Was ich sehr cool finde, ist dieses Danach - nach dem Turnier mit den Leuten zu reden, den Abend ausklingen zu lassen und am nächsten Tag die Nachrichten zu lesen, wie die Zuschauer das Event erlebt haben.

Mit RTL ist ein Fernsehsender als Streamingpartner eingestiegen. Das Event wird auf RTL+ übertragen. Was haben Sie gedacht, als Sie vom Interesse des Senders gehört haben?

Als ich davon gehört habe, war ich natürlich erst mal sehr überrascht, aber auch geehrt, dass so ein großer Sender mit uns zusammen das machen möchte. Es war wie im Fußball, wenn ein großer Verein auf dich zukommt.

Der Medienrummel nimmt also zu. Wie hat sich das seit der Vereinsgründung von Delay Sports, mit denen Sie in der Berliner Kreisliga C antreten, verändert?

Vorher war ich schon daran gewöhnt, Interviews zu geben. Aber ich muss sagen, seit Delay Sports ist es nochmal größer geworden. Es wird permanent berichtet. Ob es positiv oder negativ, das ist den Medien am Ende egal. Hauptsache viele Leute interessieren sich dafür. Und das ist bei Delay Sports der Fall. Ich will den Jungs keinen Druck machen, weil Medien natürlich immer bestimmte Dinge hochpushen. Wenn wir beispielsweise als "Influencer-Verein" bezeichnet werden, dann stimmt das gar nicht.

Warum nicht?

Der Verein wurde von Influencern gegründet, aber die Leute, die da spielen, sind keine. Es gibt vier Influencer im 35-Mann-Kader. Die meisten sind ganz normale Kumpels von mir. Die arbeiten als Polizisten, sind Studenten oder in der Ausbildung. Wenn sie sich dann plötzlich in der Sportschau am Sonntagabend sehen, denken sie sich 'Wo bin ich denn hier gelandet? Ich will einfach nur ein bisschen Fußballspielen.' Und genau das soll es eigentlich sein. Natürlich freut uns, dass sich so viele Leute dafür interessieren. Es gibt zwar den Gedanken, irgendwann sportlich größer zu werden, aber das ist alles noch so weit weg. Wir wollen einfach nur ein bisschen zocken. Das ist doch ein Traum, mit seinen Freunden einen eigenen Fußballverein zu gründen - und genau das haben wir gemacht.

Sind Sie dann gleichzeitig auch eine Art Mediencoach für die Mitspieler?

Sidney Friede als Ex-Profi von Hertha BSC, der Trainer und ich - es gibt eigentlich nur eine Handvoll Leute, die mit den Medien sprechen. Meine Mitspieler haben verstanden, dass hier alles gefilmt wird. Deshalb lassen sie sich auch nicht provozieren. Sobald wir irgendeinen Fehler machen, sind die Medien die ersten, die über uns berichten, weil sie wissen, dass das natürlich sehr gut ankommt. Wenn wir ein Spiel verlieren, eine Rote Karte bekommen, dann erscheint dazu irgendwo ein Artikel. Und in den Kommentaren findest du dann nicht die Supporter. Aber mein Vater hat mir gesagt und sagt das auch immer noch: 'Du machst viele Leute glücklich und das in einem Ausmaß, was du dir vielleicht nicht vorstellen kannst'. Das ist für mich eine wichtige Message. Wenn ich 900.000 Leute glücklich mache und 100.000 Leute nicht, dann sind 100.000 immer noch eine riesige Zahl. Aber im Vergleich geben wir mit Delay Sports so vielen Leuten etwas zurück. Das ist eine super Sache und dahinter stehe ich.

Delay Sports wird künftig zudem mit dem Logo der Deutschen Krebshilfe statt dem eines Trikotsponsors spielen. Was steckt dahinter?

Mit Delay Sports haben wir riesengroße Reichweiten und viele Möglichkeiten, auf Dinge aufmerksam zu machen. Im Sport gibt es das gar nicht so oft. Sponsoren und Werbung auf dem Trikot, das kennt man. Das ist auch nicht schlimm, schließlich muss sich der Verein finanziell tragen. Wir haben viele Ausgaben, müssen unsere Spieler aber nicht bezahlen - das gibt es bei uns nicht. Wir haben Möglichkeiten, Geld einzunehmen mit zukünftigen Trikotverkäufen, Mitgliedschaften oder Tickets. Und darum supporten wir die Deutsche Krebshilfe finanziell und - was eigentlich fast wichtiger ist - wir machen mit unserer Reichweite dieses Thema größer, auch wenn es vielleicht nur ein Prozent ist. Wir retten damit keine Leben, aber machen auf etwas aufmerksam, was die junge Zielgruppe so nicht kennt. Und das ist Gold wert.

Sie haben die junge Zielgruppe bereits erwähnt und das Wachstum des Vereins. Ist eine eigene Jugendabteilung geplant?

Ja, wir müssen in den nächsten Jahren auf jeden Fall Jugendmannschaften stellen. Das gibt der Berliner Fußballverband vor. Aber ich denke, das wird kein Problem. Wir könnten vom Interesse sicher zehn Nachwuchsteams aufmachen. Von der Logistik und der Organisation könnten wir das so derzeit zwar nicht leisten, aber die Bereitschaft der Leute ist da.

Heimspielkulisse von Delay Sports: Autogramme geben ist da Pflicht.

Heimspielkulisse von Delay Sports: Autogramme geben ist da Pflicht.

(Foto: IMAGO/Matthias Koch)

Von Seiten des DFB gab es die Kritik, Videospiele sorgten dafür, dass den Vereinen der Nachwuchs wegbreche und das Vereinsleben darunter leide. Jetzt kommt mit Ihnen ein Initiator aus dem Gaming-Bereich, der eben eine entgegengesetzte Bewegung ausgelöst hat.

Ja, das stimmt. Ich denke, die Zeit hat sich einfach geändert. Früher hast du dich eher mit Freunden getroffen und bist bolzen gegangen. Heute kannst du online sehr viel machen. Das stimmt schon. Und vielleicht ist es jetzt mal was ganz Erfrischendes, wenn jemand, der aus dieser Szene kommt, genau das Gegenteil macht.

Wenn man die langfristigen Ziele von Delay Sports betrachtet, sollen im Verein irgendwann professionelle Strukturen herrschen. Je höher es nach oben geht, desto mehr entfernt sich der Verein vielleicht von diesem Konstrukt, was Sie gerade geschaffen haben. Noch sind eben Ihre Freunde, die zusammen im eigenen Verein kicken.

Ich weiß, ich weiß. Wenn wir irgendwann mehrmals hintereinander aufsteigen sollten, dann sind wir dazu nicht mehr in der Lage. Ich kenne leider nicht so viele hochbegabte Fußballer, die in der Oberliga oder Verbandsliga spielen könnten. Vielleicht machen wir irgendwann mal ein öffentliches Probetraining. Und irgendwann kommt der Punkt, an dem man auch die Spieler bezahlt - in Berlin wird teilweise ab der Bezirksliga schon gezahlt. Irgendwann musst du die Strukturen ein wenig verändern, was völlig normal ist. Aber jetzt am Anfang ist das nicht angedacht.

Und wann stehen Sie selbst noch mal auf dem Platz?

Jetzt beim Real Life Eligella Cup natürlich und in zwei Wochen soll ich mein erstes Spiel bei Delay Sports machen. Aber ich merke, dass ich lange raus war. Meine Verletzungen haben mich sehr stark nach hinten geworfen. Ich habe zwar keine Schmerzen, aber merke, dass nicht alles rund läuft. Nicht das Fußballerische, sondern das Körperliche - wie sich mein Körper beispielsweise nach einem Sprint verhält. Das ist alles noch nicht sehr stabil. Ich werde da auch nie wieder bei 100 Prozent sein. Ich bin wirklich eher das Gesicht neben dem Feld und Sidney ist das Gesicht auf dem Feld.

Hab Sie nicht Sorge, dass Sie auf dem Platz zur Zielscheibe werden könnten?

Ich habe mit anderen darüber geredet, die einen Verein gegründet haben, in der Öffentlichkeit stehen und selbst spielen. Bei diesen Personen wird schon gezielt härter reingegangen. Vielleicht finden Leute das lustig, wenn sie mich umtreten. Da müssen wir mal gucken, wie wir das machen, weil ich habe so viele Projekte und so wenig Zeit. Da kann es dann nicht sein, dass ich irgendwie nicht laufen kann oder angeschlagen bin.

Sie streamen fast täglich, haben mehrere Unternehmen, sind mittlerweile Werbefigur für adidas. Selbst Ihren Urlaub halten Sie mit Videos auf Youtube fest. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?

Das Streaming fühlt sich nicht wie Arbeit an, muss ich sagen. Das ist wie eine Therapie für mich. Mich abends hinzusetzen, mit meinem Chat zu reden, ein bisschen vom Tag zu vergessen - das ist sogar ganz cool. Stressig ist das Davor, also die Arbeit in den Unternehmen. Da geht es dann um eine neue Geschmacksrichtung bei Vitavate, neue Designs für die Modemarke Elevate, mögliche Verpflichtungen für mein E-Sport-Team Fokus oder um die Fitness App "PerformAll". Es gibt sehr, sehr viele Sachen und Delay Sports kommt dann noch dazu. Auf Dauer ist das echt schwierig. Und da braucht es auf jeden Fall Leute, die dich dabei supporten, weil man auch noch ein Privatleben hat - sonst wird man irgendwann verrückt.

Wenn Sie Streaming als eine Art Therapie verstehen, dann kann die Vorfreude auf FIFA 23 nicht so groß sein. Das Videospiel steht nicht gerade für Entspannung.

FIFA 23 wird kein Entspannung (lacht), die Vorfreude auf FIFA ist aber immer da. Das ist irgendwie ein Hassliebe. Es ist sozusagen mein Hauptspiel, damit bin ich - was die Reichweite angeht - groß geworden. FIFA 22 hat mir aber nicht so gut gefallen und ich habe früh aufgehört, es zu zocken. Und weil ich dann auch andere Spiele gestreamt habe, konnte ich noch mal eine ganz andere Community erreichen. Früher hatte ich nur FIFA und mittlerweile sind Leute dazugekommen, die damit gar nichts am Hut haben.

Das heißt, es wird gespielt, worauf Sie Lust haben oder worauf die Community Bock hat?

Das mischt sich. Ich gebe ein Auswahl vor und lasse abstimmen. Ich mache aber grundsätzlich nichts, worauf der Stream gar keine Lust hat.

Als abschließende Frage: Wer gewinnt den zweiten Real Life Eligella Cup?

Ja, wir! Es wird zwar schwierig, weil die Teams stärker sind und das Niveau höher ist. Aber ich bin guter Dinge. Bei mir im Team sind allerdings vier Spieler angeschlagen. Das Gute bei uns ist, dass wir niemanden haben, der auf Ronaldinho macht. Wir versuchen da, miteinander Fußball zu spielen - so haben wir das letzte Mal den Cup gewonnen.

Mit Elias Nerlich sprach Michael Bauer

Quelle: ntv.de

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