Emotionale Botschaft an Ukrainer Switolinas Wimbledon-Märchen endet in Tränen
14.07.2023, 07:23 Uhr
Im Halbfinale war Schluss für Elena Switolina.
(Foto: AP)
Die Wimbledon-Heldenreise der Ukrainerin Jelina Switolina endet im Halbfinale. Die 28-Jährige hadert nach der Niederlage gegen die Tschechin Marketa Vondrousova mit ihrer Leistung und ringt später mit den Tränen. Dennoch hat sie unglaublich viel erreicht. Auch für ihre Landsleute.
Langsam senkt sie ihr Haupt, ein Griff zur Tasche, dann schnell runter vom Platz. Profis können es nie ab, zu verlieren. Dann auch noch so kurz vor dem Ziel. Aber ein paar Schritte vor dem Ausgang des Centre Courts hält Elena Switolina inne. Sie hebt erst den Kopf, blickt sich noch einmal um zum Publikum, und dann die linke Hand. Sofort bricht die nächste Jubelwelle über das Rund her, als hätte die Ukrainerin doch noch das Finale erreicht.
Doch das Wimbledon-Märchen der 28-Jährigen ging an diesem Donnerstag jäh zu Ende. Switolina verlor beim Rasen-Klassiker im Halbfinale gegen die Tschechin Marketa Vondrousova mit 3:6, 3:6. Der Druck, ihre unter dem russischen Angriffskrieg leidenden Landsleute glücklich zu machen, schien dieses Mal für sie zur groß gewesen zu sein. Sie hatte in den vergangenen Tagen stets betont, dass sie mit ihren Erfolgen etwas Ablenkung für die Menschen aus ihrer Heimat verschaffen wolle.
"Ich bin heute enttäuscht von meiner Leistung. Insgesamt war es ein gutes Turnier. Aber heute habe ich nicht gut gespielt", sagte Switolina, die in der anschließenden Pressekonferenz immer wieder mit den Tränen zu kämpfen hatte. Von ihrem Power-Tennis, mit dem sie in der Runde zuvor die polnische Weltranglisten-Erste Swiatek aus dem Turnier geworfen hatte, war dieses Mal tatsächlich nichts zu sehen.
"Heute ist sie Britin"
Switolina erhält beim Abgang vom Center Court eine letzte und lange stehende Ovation. Von denen es in London so viele gab. Lauteren Applaus bekommt in London in diesem Jahr niemand. Die Zuschauerinnen und Zuschauer haben sie über die vergangenen Tage verguckt in die 28-Jährige. Kreischen und schreien sich die sonst so sanften Tennis-Publikum-Seelen aus dem Hals. Mit ihrem mitreißenden Spiel, ihrem kühnen Auftreten und ihrer Märchengeschichte ist die junge Mutter wie gemacht für eine Heldengeschichte. "Heute ist sie Britin", sagt ein Sicherheitsmann, als sie kurz vor der Niederlage im Halbfinale steht.
Womöglich schießen Switolina in diesem Moment, in dem sie noch einmal auf dem Grün verharrt, all die Dinge durch den Kopf, die sie in den knapp zwei Wochen erreicht hat. Dass sie trotz des Ausscheidens in Wimbledon so viel gewonnen hat wie noch nie zuvor in ihrer Karriere. Dass ein ganzes Turnier, ein ganzes Land sie ins Herz geschlossen hat. Und dass die Tennisspielerin eine Botschaft der Stärke für ihre gebeutelten Mitbürgerinnen und Mitbürger senden konnte, mitten im Angriffskrieg Russlands. Und so formulierte sie nach der Niederlage eine emotionale Botschaft an ihre Landsleute gerichtet. "Es geht darum, an sich selbst zu glauben. Und weiter zu träumen und alles zu tun, damit dein Traum in Erfüllung geht", sagte Switolina.
Vondrousova wackelt nur kurz
Switolina gab im ersten Satz dreimal ihren Aufschlag ab, nach nur 29 Minuten holte sich Vondrousova den ersten Durchgang. Auch im zweiten Satz gelang Switolina lange so gut wie nichts. Vondrousova zog schnell auf 4:0 davon, bekam es dann beim Stand von 4:0, 40:0 aber offenbar mit den Nerven zu tun. Switolina kam noch einmal auf 3:4 heran und schien die Partie doch noch drehen zu können. Aber dann fing sich Vondrousova wieder und machte den überraschenden Finaleinzug perfekt. Für die Tschechin ist es das zweite Finale bei einem der vier wichtigsten Turniere der Tennis-Saison. Die 24-Jährige stand bereits 2019 bei den French Open im Endspiel, musste sich in Paris allerdings der inzwischen zurückgetretenen Australierin Ashleigh Barty geschlagen geben. Nach langer Verletzungspause ist sie nun zurück - und steht vor dem größten Erfolg ihrer Laufbahn.
Auch was die Ukrainerin Switolina sportlich erreicht hat, ist trotz der Niederlage unglaublich. Sechs Monate nach einer Geburt fast die gesamte Welt-Elite hinter sich zu lassen – viel mehr geht nicht. Drei Monate ist ihr Comeback erst her. Unfassbar. Ein Grand-Slam-Titel zu gewinnen, haben erst drei Mütter geschafft: die Belgierin Kim Clijsters und Margaret Court and Evonne Goolagong (1980 als einzige Mutter mit Wimbledon-Titel).
Quelle: ntv.de, dbe/tno/dpa