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Hymnen-Held und Trump-Opfer Zwingt Kaepernick die NFL in die Knie?

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Ein Kniefall, der um die Welt geht: Colin Kaepernick bei den San Francisco 49ers.

(Foto: AP)

Der kniende Protest von Colin Kaepernick wird zum Symbol des Kampfes gegen Rassismus - und kostet den Star-Quarterback seinen Job. Das jedenfalls will der Football-Profi vor Gericht beweisen, auch mithilfe von US-Präsident Trump.

Colin Rand Kaepernick ist dieser Tage ein gefragter Mann. Von Sängerin Beyoncé bekam der ehemalige Star-Quarterback der San Francisco 49ers den Muhammad-Ali-Vermächtnis-Preis der "Sports Illustrated" überreicht. Geehrt wurde der vertragslose Quarterback dafür, dass er "das Ideal von Sportsgeist, Vorbildfunktion und Menschenliebe verkörpert, um damit die Welt zu verändern." Für das "Time"-Magazin war er wegen seines Hymnen-Protests ein Anwärter auf die Auszeichnung als "Person des Jahres". Genau wie übrigens auch Donald Trump, was nicht einer gewissen Ironie entbehrte. Schließlich trägt der US-Präsident eine Mitschuld daran, dass Kapernick in der NFL seit Monaten keinen neuen Job findet.

"Wäre es nicht großartig", hatte Trump auf einer Veranstaltung in Alabama gefragt, "wenn jemand unsere Flagge verachtet und der Eigner darauf sagt, 'nehmt den Hurensohn vom Feld. Er ist gefeuert. Er ist gefeuert.'" Eine Aufforderung, der die Teams der National Football League (NFL) nicht einmal nachkommen mussten, denn Kaepernick ist seit seiner Vertragsauflösung bei den San Francisco 49ers im März 2017 ohnehin arbeitslos. Ändern wird sich daran kaum etwas, denn in der heilen Welt des populärsten US-Sports sind politische Statements ungern gesehen. Solche, die milliardenschwere Sponsoren verprellen, erst recht.

"Sportler sollen Produkte verkaufen"

Der Fall Kaepernick beginnt vor rund einem Jahr, als der Sohn eines Afroamerikaners und einer weißen US-Amerikanerin im August 2016 aus Protest gegen Rassendiskriminierung während der Nationalhymne niederkniete. Dutzende Sportler taten es ihm seither gleich, doch es ist vor allem Kaepernick, der mit seinem stillen Protest den Zorn einer Liga auf sich zog. Sportler, die sich als politisch denkende Menschen mit Anliegen inszenieren, sind für die NFL neu - und unbequem. "Sportler sollen Produkte verkaufen, keine politische Meinung", schrieb die "Zeit" treffend. Und so landete der Star-Quarterback, der mit seinem Einsatz für wohltätige Zwecke und einer bis dahin skandalfreien Karriere zu den Aushängeschildern seiner Zunft gehörte, auf dem Abstellgleis. Zu groß scheint die Angst vor einem Dominoeffekt in einer Liga, in der fast drei Viertel aller Sportler schwarz, der Großteil der Stadionbesucher aber weiß ist.

Colin Kaepernick

Colin Kaepernick gab sein NFL-Debüt im Jahr 2011 für die San Franciso 49ers, zuvor hatte er als Quarterback der Universität von Nevada im College-Football diverse Rekorde gebrochen. Nachdem er in seiner Rookie-Saison kaum zum Einsatz kam, führte er das Team in der darauffolgenden Spielzeit als Starting-Quarterback auf Anhieb in den Super Bowl XLVII, den die 49ers mit 31:34 gegen die Baltimore Ravens verloren. In der Saison 2015 verlor Kaepernick nach acht Saisonspielen seine Rolle als Starting-Quarterback der 49ers. Nach der Saison 2016 löste Kaepernick seinen Vertrag in San Francisco auf, um als Free Agent ein neues Team zu finden - ohne Erfolg. Als Grund werden auch seine politischen Statements vermutet.

Seit diesem März haben 41 Quarterbacks einen neuen Arbeitgeber in der NFL gefunden. Der Free Agent Kaepernick wurde von keinem der 32 Teams berücksichtigt. Sportlich ist das schwer vermittelbar, zumal mit Aaron Rodgers (Green Bay Packers), Jay Cutler (Miami Dolphins) oder Carson Wentz (Philadelphia Eagles) gleich mehrere prominente Starting-Quarterbacks verletzt ausfielen und Super-Bowl-Teilnehmer Kaepernick mit seiner Klasse und Erfahrung eine gute Zwischenlösung wäre. Naheliegend scheint, dass die NFL das Gesicht des Hymnenprotests aus dem Sport heraushalten will - auch wegen Präsident Trump. Nachdem die Liga und die Teambesitzer dessen "Hurensohn"-Hetze zunächst deutlich zurückgewiesen hatte, nehmen inzwischen nur noch wenige ihre Spieler öffentlich in Schutz. Auch NFL-Boss Roger Goodell vertritt inzwischen die Meinung, dass Spieler während der Hymne stehen sollten. Ebenso äußerten sich zuletzt die mehrheitlich konservativen Team-Besitzer.

Der vertragslose Kaepernick fühlt sich von der Liga ausgegrenzt, beweisen will er das vor Gericht. Explizit nehmen seine Anwälte in einem Schreiben an die NFL Bezug auf die Tweets des US-Präsidenten: "Sportlern sollte die Beschäftigung nicht verweigert werden auf der Basis von parteiischen politischen Provokationen durch die Exekutive unserer Regierung." Weiter heißt es, die Teambesitzer hätten "sich untereinander abgesprochen, um Mr. Kaepernick seiner Beschäftigungsrechte wegen eines Einsatzes für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit zu berauben." Sollte das zutreffen, würden die Teams gegen den geltenden Tarifvertrag der Liga verstoßen. Der Nachweis wird für Kaepernick und seinen Star-Verteidiger Mark Geragos, der schon Michael Jackson und Chris Brown vertrat, allerdings extrem schwer zu erbringen sein.

Daten müssen offengelegt werden

Einen ersten Teilsieg hat Kaepernick jedoch errungen: Nach Informationen von ESPN müssen mehrere Teambesitzer, darunter Jerry Jones von den Dallas Cowboys, Robert Kraft von den New England Patriots und Bob McNair von den Houston Texans zu einer eidesstattlichen Aussage vor dem Schiedsgericht der NFL erscheinen. Sie müssen zudem ihre privaten Handy- und E-Mail-Daten zur Verfügung stellen. Kaepernick und sein Team dürfen diese dann mithilfe selbst ausgewählter Stichworte nach Inhalten durchsuchen, die auf eine unerlaubte Absprache hinweisen. Besonders groß sind die Chancen, hier einen Volltreffer zu landen, dennoch nicht. US-Experten sehen kaum Hoffnung, den benötigten Nachweis zu liefern, dazu seien "die Gründe zu vielfältig, aus denen ein Klub individuell oder unabhängig keinen Vertrag anbieten würde", wie Rechtsexperte Matt Mitten der "New York Times" sagte. Und: Selbst wenn das gelingt, zwingen kann die NFL keines der Teams dazu, Kaepernick einen Vertrag zu geben. Er kann im besten Falle wohl mit einer saftigen Entschädigung rechnen.

Zieht man allerdings sämtliche Indizien zurate, die die milliardenschweren Klubbesitzer selbst geliefert haben, scheint die Lage eindeutig. "Dieser San-Francisco-Quarterback - von dem niemand je gehört hat - ich habe eine Story gesehen, dass ihn keiner holt, weil die NFL-Eigentümer Angst haben, einen bösen Tweet von Donald Trump zu bekommen. Glaubt ihr das?", hatte Trump im März auf einer Wahlkampfveranstaltung in Kentucky gesagt. Ob es Zufall war, dass er nur einen Tag zuvor mit Patriots-Besitzer Kraft in der Air Force One geflogen war? Vermutlich nicht.

Wie auch immer der Streit zwischen Kaepernick und der NFL nun ausgeht, sein großes Ziel, einfach wieder Football zu spielen, wird der Quarterback mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit verfehlen. Dafür scheint die Lage zu festgefahren und das System NFL zu mächtig. Wer Kaepernick einstellt, wird immer auch ein politisches Statement setzen. Und mit denen will die NFL offenkundig nichts zu tun haben, denn die sind vor allem eins: schlecht fürs Geschäft.

Quelle: ntv.de

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