Formel1

Piastri und Norris suchen Lücken Eskaliert jetzt der Fahrer-Zoff bei McLaren?

Kämpfen um jeden Zentimeter: Piastri und Norris.

Kämpfen um jeden Zentimeter: Piastri und Norris.

(Foto: picture alliance / HOCH ZWEI)

Es hat also "endlich" gerumpelt zwischen den McLaren-Rivalen um den Weltmeister-Titel der Formel 1. In Singapur rutscht Verfolger Lando Norris Spitzenreiter Oscar Piastri ins Auto, der danach mächtig bedient ist. Ein Vorgeschmack? Knallt es jetzt regemäßig im Papaya-"Bürgerkrieg", den die britische Bloodhound-Presse schon wittert?

Es ist ein in Asphalt gebrannter Satz von Formel-1-Ikone Ayrton Senna: "Wenn du nicht mehr in eine Lücke hineinstichst, die existiert, bist du nicht länger ein Rennfahrer." Ein Axiom vielleicht, ein nicht beweisbarer Grundsatz. Für Formel-1-Piloten gleichwohl eine Art Gesetz, um sich zu beweisen.

Lando Norris hat den Befehl des 1994 verstorbenen F1-Zeus vergangenen Sonntag in Singapur ausgeführt. Dem Briten öffnete sich unmittelbar nach dem Start zum Nacht-Grand-Prix in der ersten Kurvenkombination auf der Innenbahn eine Lücke - in die er folgerichtig hineinstach. Dass vor ihm Weltmeister Max Verstappen und zu seiner Rechten McLaren-Teamkollege Oscar Piastri fuhren, war Norris egal. Für den Rennfahrer hieß es: Boden gutmachen, Positionen gewinnen, im WM-Duell mit Piastri aufholen.

Es passierte, was Formel-1-Beobachter seit Monaten an die Wand gemalt hatten. Es kam zum unsanften Kontakt der McLaren-Rivalen. Weil Verstappen in der zweiten Kurve mächtig in die Eisen stieg, musste auch Norris abrupter bremsen als gedacht. Sein daraus folgendes Gegenlenken führte dazu, dass der Engländer mit seinem rechten Vorderreifen die linke Vorderseite Piastris traf. Keine schwere Kollision zwar, aber eine mit Würze.

"Beschissene" Aktion nervt Piastri

Piastri war wenig überraschend not amused. "Nicht fair" sei die "beschissene" Aktion seines Garagen-Nachbarn gewesen, mopperte der Australier im Team-Radio. Der Verweis seines Renningenieurs, Norris habe wegen Verstappen bremsen und ausweichen müssen, beruhigte das sonst so coole Gemüt Piastris auch nicht wirklich. Er hatte Platz drei an seinen WM-Verfolger verloren und spielte im Kampf um die Spitze keine Rolle mehr.

Als McLaren-Boss Zak Brown den Fahrern nach dem Rennen gratulierte und für ihren Beitrag zum zehnten Team-Titel des britischen Rennstalls dankte, stöpselte Piastri den Funk aus. Ein Hinweis, wie es in der Rennfahrer-Seele des WM-Leaders gärte. In der Fahrer-WM büßte Piastri zwar nur drei Punkte auf Norris ein. Aber: Er hat beim vielleicht ersten echten Zweikampf der Saison - jedenfalls seit klar ist, dass die McLaren-Piloten den Titel unter sich ausmachen - den Kürzeren gezogen. Ein Stich fürs Rennfahrer-Ego - zumal Oberboss Brown in dem Vorfall nicht mehr "als hartes Racing" erkannte.

Damit liegt Brown auf der Linie der Fans, die nach derlei Rad-an-Rad-Kämpfen auch unter Stallkollegen gieren - und auch auf Linie mit dem Senna-Diktum. Denn: Norris hat in Singapur nun wahrlich nichts verbrochen, verletzte auch nicht die sagenumwobenen "Papaya Rules", die McLaren seinen Fahrern auferlegt hat. Es darf hart zur Sache gehen, solange es fair bleibt, ist das Credo des orangen Regelwerks.

Ging es in Singapur hart zur Sache? Ja, aber auch nicht übertrieben hart, schließlich zerbarst kein Carbon (anders als Mitte Juni in Kanada, als sich Norris bei einer Attacke auf Piastri im Kampf um Platz vier schonmal den Frontflügel zerdepperte). Ging es auf dem Marina Bay Street Circuit "unfair" zu, wie Piastri im Schnellschuss-Frust beklagte? Nein.

Norris führte bei seinem Manöver nichts Böses, nichts Hinterfotziges gegen seinen Rivalen im Schilde. Dass er Piastris Auto traf, war den Umständen geschuldet. Und den Entschluss, in die Lücke zu stechen - den hätte Piastri genauso gefasst. Wie auch ein Verstappen, wie ein Lewis Hamilton, Charles Leclerc, wahrscheinlich auch wie ein Franco Colapinto. Wie wahrscheinlich jeder Rennfahrer nach Senna-Definition.

McLaren hat Erfahrung mit Stallkriegen

Ist das Klima bei McLaren jetzt vergiftet, hat der "Bürgerkrieg" begonnen, wie die "Daily Mail" reißerisch alarmierte? Werden Brown und Teamchef Andrea Stella "noch lange Kopfschmerzen haben", wie es die Migräne-Experten des "Guardian" befürchten?

Zum Thema Kopfschmerz. Ja, das Duell der McLaren-Kollegen wird in der heißen Endphase der Saison härter, sofern keiner der Kontrahenten durch Defekte zurückfällt. Singapur-Situationen und potenzielle Kollisionen dürften sich häufiger ergeben. Natur der Formel-1-Sache, ergo auch mehr Betrieb an der Kommandobrücke des Teams.

Aber miese Stimmung? Teamkrieg? Das ist dann doch etwas zu dick aufgetragen. Zum einen hat McLaren den Hersteller-Titel in der Tasche, was eine Grundruhe in den Stall bringt (auch, weil die Mechaniker einen satten Bonus damit sicher haben). Was sich nun - je nach Rennverläufen und Fortune - ergeben mag, ist eine "klassische" F1-Rivalität unter Stallkollegen.

Darin hat McLaren freilich Erfahrung. Der Rennstall hat seinen Fahrern immer eine längere Leine gelassen als etwa Ferrari. Ein "Let Michael pass for the championship" gab es nicht einmal, als Mika Häkkinen gegen Michael Schumacher um den Titel kämpfte und David Coulthard fest im Griff hatte.

Die legendärste McLaren-Fehde trugen Senna und Alain Prost aus, die sich in den Boliden aus Woking 1988/89 Saures gaben. Der Limit-Tänzer aus Brasilien und der französische "Professor" - da prallten Welten aufeinander. Senna verachtete den kalkulierten Stil Prosts. Der wiederum konnte mit dem heißblütigen Senna nichts anfangen.

"Irgendwann wird es krachen"

Der stets cool-kontrollierte Piastri und "Nervenbündel" Norris sind ebenfalls grundverschiedene Typen. Eine echte Formel-1-Feindschaft ist aus dem Duell aber (noch) nicht erwachsen. Bis dato auch eine Sache der Umstände. Norris stand das Angriffs-Fenster in Singapur geradezu sperrangelweit offen verglichen mit dem fingerbreiten Spalt, den Senna beim Saisonfinale 1989 in Japan ausmachte, ehe er in Prost rauschte. Piastri dürfte dies mit etwas ehrlichem Abstand auch so sehen - beim nächsten Mal allerdings natürlich genauso agieren.

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"Es wird selbstverständlich irgendwann krachen", prophezeite RTL-Experte Christian Danner schon Ende August im sport.de-Interview mit Blick auf den WM-Kampf. Und: "Wenn Piastri und Norris die WM unter sich ausmachen, wird das eine Prost/Senna oder Hamilton/Rosberg-Nummer."

Für diese Vorhersage muss man kein Prophet gewesen sein. Wohl aber Rennfahrer.

Quelle: ntv.de

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