Chaos-Rennen in Hockenheim Vettel rast im Regen von Platz 20 aufs Podium
28.07.2019, 17:05 Uhr
Was für ein Formel-1-Rennen in Hockenheim: Red-Bull-Pilot Max Verstappen gewinnt im Wetter-Chaos vor Sebastian Vettel. Der auf Platz 20 gestartete Ferrari-Fahrer überquert die Ziellinie als Zweiter. Das Siegertreppchen beim Deutschland-GP komplettiert ein Überraschungsgast.
Überglücklich reckte Sebastian Vettel den Fans in Hockenheim die Silber-Trophäe nach seiner atemberaubenden Aufholjagd im irren Regen-Chaos entgegen. Der von Platz 20 als Letzter gestartete Ferrari-Pilot musste sich beim actiongeladenen und womöglich letzten Formel-1-Rennen in Deutschland nur dem furiosen Niederländer Max Verstappen im Red Bull geschlagen geben. "Es war ein langes Rennen, an manchen Stellen hat es sich angefühlt, als würde es nie enden", meinte Vettel nach dem Sonntagskrimi mit einem Lausbuben-Grinsen. "Es hat richtig Spaß gemacht", fügte der zuletzt oft kritisierte Hesse voller Genugtuung hinzu. Beim Hockenheim-Spektakel mit vier Safety-Car-Phasen wurde der Russe Daniil Kwjat im Toro Rosso Sensationsdritter.
Mercedes erlebte bei seinem 200. Formel-1-Rennen dagegen ein Desaster. WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton holte erst nachträglich noch zwei WM-Punkte. Zunächst war er nach mehreren Ausrutschern und einer Zeitstrafe als Elfter ohne Punkte gewertet worden. Doch nach dem Rennen belegten die Rennkommissare beide Alfa-Romeo-Piloten mit einer 30-Sekunden-Zeitstrafe - und so rutschte Kimi Räikkönen aus den Punkten, wovon Hamilton profitierte.
Hamiltons Teamgefährte Valtteri Bottas schied nach einem Unfall kurz vor Schluss sogar aus. Teamchef Toto Wolff donnerte voller Frust mit der Faust auf sein Boxenpult, auch wenn der Brite Hamilton nach dem elften Saisonlauf weiter klar die Gesamtwertung anführt. Dagegen behielt Verstappen den Durchblick und die Nerven. Bei wechselhaftem Wetter und inmitten eines wilden Reifenpokers steckte der 21-Jährige auch einen verkorksten Start weg und holte sich mit einer Galafahrt seinen zweiten Saisonsieg. In der WM liegt er als Dritter nun 61 Punkte hinter Hamilton und 22 Zähler hinter Bottas.
"Eine fantastische Leistung von ihm"
Dem WM-Vierten Vettel indes gelang spektakuläre Schadensbegrenzung. "Eine fantastische Leistung von ihm. Das hat er gebraucht, das hat das Team gebraucht", lobte Teamchef Mattia Binotto den Heppenheimer. Dessen Vater Norbert ließ vor der RTL-Kamera erkennen, wie sehr er geschwitzt und gezittert hatte. Der Thriller nahm zunächst ein bisschen Anlauf, weil die Rennleitung entschied, das Feld zunächst für drei Formationsrunden hinter dem Safety-Car um den Kurs zu schicken. "Es ist doch nicht mal nass", funkte Hamilton an die Box.
Und so durften sich die 20 Piloten kurz darauf an der Startampel aufstellen. Hamilton verteidigte seine Pole Position mühelos, doch der zweitplatzierte Verstappen kam nicht in Fahrt. Prompt holte sich Bottas im zweiten Silberpfeil Rang zwei. Zum Jubiläum von 125 Jahren Motorsport bei Mercedes ein Start nach Wunsch des Autobauers.
Vettel reagiert am schnellsten
Auch Vettel hielt sich nicht lange auf, machte in den ersten zwei Runden sechs Plätze gut. Als der Mexikaner Sergio Perez seinen Racing-Point-Rennwagen in die Mauer beförderte und das Safety-Car wieder ausrückte, fuhr Vettel blitzschnell an die Box und holte sich Mischwetter-Reifen. Ein geschickter Schachzug. Die meisten Fahrer vor ihm folgten mit einer Runde Verzögerung, so konnte sich der Hesse weiter nach vorn arbeiten. Nach acht Runden war er Siebter.

Max Verstappen zeigte ein starkes Rennen. Der Red-Bull-Pilot feierte einen eindrucksvollen Sieg vor Sebastian Vettel und dem Sensationsdritten Daniil Kwjat.
(Foto: REUTERS)
Dann aber begannen wieder die Sorgen. Wie schon am Vortag schien der Turbo in seinem Auto nicht die normale Leistung zu liefern. Weil auch seine Reifen abbauten, war die Aufholjagd des Heppenheimers gebremst. An der Spitze hatte Hamilton ein Sicherheitspolster herausgefahren, dahinter duellierten sich Bottas und Verstappen um Rang zwei. Dann wurde es endgültig chaotisch. Die ersten Fahrer, darunter auch Vettel, holten sich Trockenreifen. Kurz darauf setzte wieder Regen ein. Zunächst rutschte Leclerc von der Piste, dann verlor auch Hamilton kurz die Kontrolle über seinen Silberpfeil.
Hamilton kürzt ab und wird bestraft
Der Brite beschädigte seinen Frontflügel, kürzte illegal den Weg zur Box ab. Vor der Garage musste er ewig warten, ehe die Reparaturarbeiten erledigt waren. Das hinderte auch Kollege Bottas am Reifenwechsel. Wieder war das Safety-Car im Einsatz. Profiteur der Turbulenzen waren Verstappen und Nico Hülkenberg, die nun vor Bottas das Rennen anführten. Hamilton ordnete sich als Fünfter ein, erfuhr aber bald von der Fünf-Sekunden-Strafe für den verbotenen Abzweig zur Garage.
Beendet war der wilde Ritt kurz darauf für Hülkenberg. Wie so viele vor ihm rutschte der Renault-Pilot aus Emmerich in der Südkurve über die spiegelglatte Auslauffläche und krachte in die Mauer. Auch in der Schlussphase ging der Krimi weiter. Hamilton drehte sich erneut und fiel aus den Punkterängen. Bottas knallte in die Mauer. Ein letztes Mal kam das Safety-Car - und danach holte sich Vettel noch den nicht mehr für möglich gehaltenen Podiumsplatz.
Quelle: ntv.de, Martin Moravec und Christian Hollmann, dpa