Österreich jubelt, Foda-Kritik Das beinahe missglückte Alaba-Kalkül

Alaba wurde zum Spieler des Spiels gewählt.

Alaba wurde zum Spieler des Spiels gewählt.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Die Kritik an Nationaltrainer Franco Foda ist in Österreich groß. Beim EM-Spiel gegen Nordmazedonien probiert der Coach einen neuen, taktischen Kniff aus: Er stellt David Alaba zentral in der Dreierkette auf. Beinahe geht der Plan schief.

Was wäre Österreichs Nationalelf ohne David Alaba? Dass der Ex-Münchner und Bald-Madrilene seine Mannschaft unter Kontrolle hat, wird auch beim EM-Start gegen Nordmazedonien klar. Um den schimpfenden Angreifer Marko Arnautovic beim Jubel nach seinem 3:1-Treffer vor sich selbst zu schützen, versuchte Alaba dem mit den Händen den Mund zuzuhalten.

Arnautovic war damit und mit dem Fakt, dass er erst eine halbe Stunde vor Schluss in die Partie kam, sichtlich nicht einverstanden. Doch Alaba hatte dafür Verständnis: "Dass er nicht zu 100 Prozent zufrieden ist, ist klar. Man hat aber gesehen, was für ein Charakter er ist", sagte er über Arnautovic und ergänzte: "Deshalb habe ich ihn positiv wahrgenommen. Er war immer für die Mannschaft da, auch als der Trainer ihm die Entscheidung mitgeteilt hat, dass er erst auf der Bank sitzt."

Es sind solche Aussagen, die Hansi Flick verleiteten, ihn als das "Herz der Mannschaft" beim FC Bayern zu bezeichnen. Auch Österreichs Trainer Franco Foda kann sich glücklich schätzen, den 28-Jährigen in seinem Team zu haben. War es doch Alaba, der als Ersatzkapitän seine Mannschaft zum ersten EM-Sieg aller Zeiten geführt hat.

Eine Überraschung schon vor Anpfiff

Dabei sah es lange nicht danach aus. Zu unansehnlich war das Spiel. Die engagierten Nordmazedonier verteidigten ordentlich, den Österreichern fiel wenig bis gar nichts ein. Daran trug auch Trainer Foda eine Mitschuld. Der gebürtige Deutsche polarisiert in Österreich. Ihm wird vorgeworfen, die hochtalentierte Generation um Sala Kalajdzic, Arnautovic, Martin Hinteregger und Marcel Sabitzer zum Verwaltungsfußball zu zwingen. Der Spielaufbau sei zu behäbig, immer wieder werfe er das System komplett um. Zudem hat Foda für den Weltklassespieler Alaba noch immer keine passende Rolle gefunden. Mal taucht der 28-Jährige als Zehner auf, mal als Innenverteidiger.

Gestern gab es vor Anpfiff die nächste Überraschung. Plötzlich sollte Alaba dort spielen, wo er in der Nationalmannschaft noch nie gespielt hatte. Als eine Art Libero in der Mitte der Dreierkette sollte er das Spiel steuern, so das Kalkül von Foda. Die Idee, die Experte Lothar Matthäus in der "Kronen"-Zeitung lobte, funktionierte nur leider nicht wirklich.

Die Nordmazedonier, die immerhin im März das DFB-Team besiegten, störten den Spielaufbau so sehr, dass die Alpennation nach dem sehenswerten 1:0 durch den Gladbacher Stefan Lainer bisweilen plan- und ideenlos wirkte. Im Spielaufbau machten sie teils haarsträubende Fehler und waren ständig in Zweikämpfen verwickelt.

Quasi-Libero Alaba war von dem allen viel zu weit weg, um selbst für offensive Gefahr zu sorgen. Beim FC Bayern spielt regelmäßig auf Weltklasse-Niveau in der Innenverteidigung, doch es ist nochmal etwas anderes, wenn vor ihm Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Thomas Müller die Chancen kreieren sollen als Sabitzer, Konrad Laimer (beide Leipzig) und Xaver Schlager (Wolfsburg).

So kam es, dass auch die Nordmazedonien ihren historischen Abend bekamen. Dank reichlicher Hilfe der österreichischen Defensive konnte der nordmazedonische Methusalem Goran "der Große" Pandev das erste Turniertor für die kleine Nation überhaupt erzielen. Mit 37 Jahren und 321 Tagen ist er nun der zweitälteste EM-Torschütze. Mit ihrem mutigen Auftritt konnten sich die Nordmazedonier sowieso sehen lassen.

"Das bedeutet mir die Welt"

Denn sie konnten lange mithalten. So lange, dass auch Alaba irgendwann nervös wurde. Immer weniger hielt es den Real-Profi in der Dreierkette. Immer wieder stürmte er nach vorne und versuchte, Chancen einzuleiten. Doch es dauerte bis zur Schlussphase, bis Foda seine Aufstellung korrigierte und Alaba wieder auf die linke Seite beorderte. Kaum war er nicht mehr an die Defensive gefesselt, wurde Österreich gefährlicher.

Es vergingen nur wenige Minuten, bis sich diese Umstellung bezahlt machte. Denn es war ausgerechnet eine Alaba-Flanke von der gegnerischen Sechszehnerkante, die der eingewechselte Michael Gregoritsch zum wichtigen 2:1 verwandelte. Und ihm einen Abend beschert, den er so schnell nicht vergessen wird: "Das bedeutet mir die Welt. Für mein Land bei einer Europameisterschaft getroffen zu haben, das ist unbeschreiblich." Der 27-Jährige, der auf Schalke und in Augsburg eine schwere Zeit hinter sich hat, wurde ganz sentimental: "Ich hab' noch keine Kinder - aber ich stell mir das gleich schön vor wie Kinder kriegen."

Dass Österreich solche Momente erleben und jubeln durfte, war auch Alabas Verdienst. Obwohl er lange Zeit auf einer Position spielte, die nicht wirklich zu ihm passte, wurde er zum Spieler des Spiels gewählt und führte das Team zum Erfolg. Foda, der nie so richtig eine Rolle für den Weltklassespieler gefunden hat, ist sich auch noch sicher, ob Alaba am Donnerstag gegen die Niederlande wieder als linker Verteidiger aufläuft oder er an seinem Kalkül festhält. Eine Sache ist aber sich, was Matthäus in der "Kronen"-Zeitung auch anmerkte: Es sollte aufhören, dass Alaba immer "Hin und Her" geschoben wird.

Quelle: ntv.de

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