Fußball

Massenschlägerei im Superclásico Argentiniens wichtigstes Derby endet mit sieben Roten Karten

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Der argentinische Superclásico zwischen River Plate und Boca Juniors ist berühmt und berüchtigt. Diesmal entlädt sich die Gewalt in der Nachspielzeit auf dem Platz. Auf eine Massenschlägerei folgen sieben Platzverweise. Trainer Martin Demichelis spricht von einem "wild gewordenen Stier".

Ein Elfmeter, ein Treffer zum Sieg, überschäumender Jubel. Bis zur 94. Minute verlief der argentinische Superclásico zwischen River Plate und Boca Juniors in Buenos Aires gesittet, doch in der Nachspielzeit eskalierte die Lage auf dem Spielfeld, die Begegnung endet in einer veritablen Prügelei und mit sieben Rote Karten. Gute zehn Minuten lang dauerte die Explosion der Gewalt an und so wurde die Partie selbst für einen Superclásico historisch.

Seit knapp 100 Jahren gibt es das Stadtduell in Buenos Aires nun schon. Die Rivalität der beiden Klubs aus der Hauptstadt ist legendär. Selten geht es ohne Streit ab, der Zoff schwelt permanent. Doch diesmal wurde eine neue Eskalationsstufe auf dem Spielfeld erreicht.

In der 93. Minute bekam River Plate einen Elfmeter von Schiedsrichter Dario Herrera zugesprochen, den Miguel Borja zum 1:0-Siegtreffer verwandelte. Der Kolumbianer lief in Richtung Eckfahne, jubelte erst allein, dann mit seinen Teamkollegen, dann mit dem ganzen Stadion - und am Elfmeterpunkt entsponn sich eine Schlägerei, in die sich auch das Sicherheitspersonal einmischte. Die Schiedsrichterassistenten versuchten noch, die Streithähne auseinanderzuhalten, waren dabei aber hoffnungslos unterlegen.

Die argentinische Tageszeitung "La Nacion" beschreibt es Stunden danach geradezu poetisch: "Das Spielfeld verwandelte sich in eine riesige Manege, in der sich 22 Fußballprofis und diejenigen, die von der Bank aus dabei waren, von der Barbarei mitreißen ließen. Es herrschte ein heilloses Durcheinander, selbst die Sicherheitskräfte wälzten sich inmitten der Schläge, Tritte und Stöße auf dem Boden."

Provokation beim Torjubel

Vorausgegangen war dem Exzess der zumindest umstrittene Elfmeterpfiff. In der Wiederholung der als Foul geahndeten Szene ist zu sehen, dass River Plates Pablo Solari nach dem Kontakt mit Boca-Juniors-Verteidiger Agustin Sandez aufreizend willig fiel - allerdings offensichtlich keine Fehlentscheidung für den Videoschiedsrichter. Herrera entschied auf Strafstoß, Borjan verwandelte und der Jubel von River Plate war grenzenlos.

River-Profi Agustin Palavecino stellte sich direkt vor Gegenspieler Figal und jubelte - eine zu heftige Provokation für die Boca-Spieler. So sagte Torhüter Sergio Romero in der anschließenden Pressekonferenz noch immer wütend: "Wenn ein Junge, anstatt das Elfmetertor mit seinen Mannschaftskameraden zu feiern, anfängt, den gegnerischen Spielern ins Gesicht zu schreien, dann ist das in Wahrheit ein schrecklicher Mangel an Respekt", beschwerte sich der 96-fache Nationaltorhüter. "Ich habe es ihm gesagt, ich habe es dem Trainer gesagt. Es ist normal, dass die Leute darauf reagieren. Ich habe ihn nicht angegriffen oder geschlagen, ich habe ihn nur an der Taille gepackt und gesagt: 'Was machst du da, anstatt da rüber zu gehen, stehst du vor den Spielern.'"

River Plates Kapitän Enzo Perez sagte dazu: "Ich verstehe die Aufregung, aber die Akteure müssen die Aufregung abschwächen. Das habe ich gelernt, als ich aufgewachsen bin." Er kritisierte aber auch seinen eigenen Mitspieler: "Was Palavecino getan hat, ist nicht richtig. Ich bin nicht einverstanden mit dem, was passiert ist."

Demichelis über "wild gewordenen Stier"

Martin Demichelis hat River Plate Anfang des Jahres übernommen.

Martin Demichelis hat River Plate Anfang des Jahres übernommen.

(Foto: IMAGO/Photogamma)

Mittendrin im Geschehen waren der ehemalige Bayern-Profi Martin Demichelis sowie sein Assistent Javier Pinola, der früher für den 1. FC Nürnberg in der Bundesliga spielte. Im Winter hatte der inzwischen 42-jährige Demichelis River Plate als Trainer übernommen und einen beachtlichen Start hingelegt. 2003 war er von seinem Jugendklub nach München gekommen, nun war er von der Regionalliga-Reserve des FC Bayern durchaus überraschend in seine Heimat zurückgekehrt. Doch der Schritt zurück zu seinen Wurzeln zahlte sich bislang aus: Aus 15 Spielen stehen 12 Siege, 2 Niederlagen und ein Unentschieden zu Buche, River Plate führt die argentinische Liga souverän an.

Demichelis nahm die Schlägerei nach Abpfiff relativ gelassen hin: "Ein Gefühl, das in Argentinien alles andere übertrifft, ist die Leidenschaft, unbedingt gewinnen zu wollen. Wir können es nicht ertragen, zu verlieren und erst recht nicht, provoziert zu werden, also reagieren wir darauf", erklärte er der Presse. "Natürlich war das Ende nicht schön, ich habe mich vor Bocas Luis Vazquez gestellt und wollte ihn stoppen, aber das war unmöglich. Er war wie ein wild gewordener Stier. Er war nicht zu stoppen, nicht einmal die Sicherheitskräfte konnten ihn aufhalten."

Sechs Spieler und der Boca-Trainer fliegen vom Platz

FIFA-Schiedsrichter Herrera verteilte nach dem Aufruhr gleich eine ganze Reihe von Karten: Provokateur Palavecino flog mit Rot, genauso die Ersatzspieler Elias Gomez und Ezequiel Centurion. Bei Boca wurden Nicolas Valentin, Ezequiel Fernandez, Miguel Merentiel und Trainer Jorge Almiron des Platzes verwiesen. Die Rudelbildung zog sich hin, nachdem die erhitzten Gemüter etwas abgekühlt waren, mussten Herrera und sein Schiedsrichter-Team noch die Rotsünder ausfindig machen, wofür sie auch auf den Videoschiedsrichter setzten. Polizisten beschützten dabei das Gespann vor immer noch allzu erregten Spielern.

Im Anschluss wurde die Partie mit zehn River- und acht Boca-Profis fortgesetzt. Fast hätte River Plate noch das 2:0 erzielt, ehe der Abpfiff nach 20 Minuten Nachspielzeit erfolgte.

Dieses Ausmaß an Gewalt ist selbst für einen Superclásico neu. Aus Sorge vor Auseinandersetzungen sind in Argentinien Gästefans bei Fußballspielen bis auf wenige Ausnahmen in den Stadien nicht zugelassen. Im Jahr 2018 musste das Finale zwischen Boca und River in der Copa de Libertadores aus Sicherheitsgründen sogar nach Madrid verlegt werden, nachdem der Bus mit den Boca-Profis bei der Fahrt ins Stadion von River-Fans angegriffen worden war.

Quelle: ntv.de

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