Fußball

"Man muss sich kaum wundern" Chefkritiker Dietmar Hamann zählt Julian Nagelsmann an

Dietmar Hamann.

Dietmar Hamann.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Die Kritik an Bundestrainer Julian Nagelsmann will nach den DFB-Pleiten gegen die Türkei und Österreich nicht abreißen. Chefkritiker Dietmar Hamann zählt ihn öffentlich an. Ein stillerer Experte verweist im "Kicker" jedoch auf ein ganz anderes Problem des deutschen Fußballs.

Der Chefkritiker der Fußball-Nation hatte kurz geschwiegen. Es war wohl nur um kräftig Luft zu holen. Zwei Tage nach dem Debakel in Wien legte Dietmar Hamann endlich los. Der frühere Nationalspieler zählte Bundestrainer Julian Nagelsmann an. Der hatte nach dem 0:2 gegen Österreich, dem zehnten aufeinanderfolgenden Länderspiel mit mindestens einem Gegentor, ernüchtert gesagt: "Wir werden auch im Sommer keine Verteidigungsmonster werden." Und danach vorgeschlagen, die Zeit in der Verteidigung zu minimieren, um doch noch Erfolg zu haben.

Es war eine Aussage, die in der aufgrund der ewigen DFB-Krise ohnehin auf Krawall gebürsteten Expertenschar auf wenig Zustimmung traf. Schon im "Kicker" hatte Weltmeister Jürgen Kohler eine Breitseite gegen Nagelsmann gefahren, ihm empfohlen, das Verteidigungsverhalten vielleicht einfach einmal zu "üben".

Bei Sky legte Hamann dann nach und zählte den Bundestrainer an und schnappte sich nach einem Rundumschlag die Aussage zur deutschen Defensive. "Noch schlimmer war die Reaktion des Trainers nach dem Spiel, dass wir auch nächstes Jahr keine Verteidigungsmonster sein werden", sagte er: "Wenn ich mir die Aufstellung vom Dienstag anschaue, dann muss man sich kaum wundern, dass man keine defensive Stabilität oder Kontrolle über das Spiel hatte."

Boulevard fordert Ralf Rangnick

Hamann ging hart mit der Aufstellung von sieben offensiven Spielern ins Gericht. Damit meinte er neben Niclas Füllkrug, Serge Gnabry, Leroy Sané und Julian Brandt auch die auf dem Papier eher defensiv ausgerichteten Kai Havertz, Leon Goretzka und İlkay Gündoğan. Viel zu viele Offensiv-Kräfte für einen Stabilitätspakt. "Dann muss man eben eine Mannschaft aufstellen, die alle Facetten abdeckt", schimpfte Hamann und wich der Frage aus, ob Nagelsmann der richtige Trainer für die Heim-Europameisterschaft sei. "Das werden wir sehen", sagte der Sky-Experte, der zuletzt von Bayern-Trainer Thomas Tuchel und auch Köln-Trainer Steffen Baumgart für seine Art und Weise attackiert worden war.

Dass Hamann mit seiner Meinung jedoch nicht allein ist, zeigt auch ein Blick auf die "Bild"-Zeitung, die immer noch ein Taktgeber in der öffentlichen Diskussion ist. Neben der Erkenntnis des Chefkolumnisten Alfred Draxler, dass doch Österreich-Trainer Ralf Rangnick in Wahrheit der bessere Bundestrainer gewesen wäre, fand sich auch ein recht dünner, aber knallig überschriebener Text zum Unmut in der Kabine der Nationalmannschaft.

Nagelsmann kann letzten Eindruck bis März nicht korrigieren

"Vorwürfe aus der Mannschaft: So denken die Stars wirklich über Nagelsmann", stand dort über dem Text geschrieben, der sich um die Frage drehte, ob der Bundestrainer die Nationalspieler vielleicht überfordere. In der Mannschaft wolle man weniger Ideen, sondern mehr Pragmatismus. In der Mannschaft habe man die Entscheidung für Havertz als Linksverteidiger erst nicht verstanden, das Festhalten an der Idee aber für gut befunden. Insgesamt wolle der Bundestrainer zu viel und das sei das Grundproblem.

Wenig Substanz also für die großen Worte in der Überschrift, doch diese gaben zumindest seitens des Boulevards sehr wahrscheinlich den Ton für die nächsten Monate bis zu den Spielen im späten März vor. Bis dahin kann Nagelsmann den letzten, fatalen Eindruck des ohnehin vollkommen verpatzten Länderspieljahres nicht mehr korrigieren.

Fehlt es der deutschen Mannschaft am Ende einfach an Qualität?

"Die Spieler fühlen sich in dem, was sie da spielen sollen, nicht wohl", sagte auch der überzogener Kritik unverdächtige "Kicker"-Redakteur Matthias Dersch auf die November-Spiele bezogen und verdeutlichte damit, dass der Wind für den Bundestrainer auch abseits des Boulevards rauer geworden ist: "Die Mannschaft ist mit dem, was die da spielen sollte, nicht zurechtgekommen. Das geht natürlich auch auf die Kappe von Nagelsmann."

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Dann sagte Dersch etwas, was in der Diskussion momentan zu kurz kommt. "Da sind schon ein paar Themen, die der Bundestrainer mitzuverantworten hat und trotzdem badet er da jetzt auch eine Menge aus, was vorher schiefgelaufen ist", sagte Dersch. Es war ein Verweis auf die sich seit Jahren abzeichnenden Entwicklungen im deutschen Fußball, auf die dieser Tage auch der ehemalige Trainer des FC Schalke 04, Huub Stevens, hingewiesen hatte.

Vielleicht fehlt es der Nationalmannschaft und dem deutschen Fußball tatsächlich an ausgewogener Qualität? Vielleicht verzweifelte deswegen auch Hansi Flick bereits an einem Team, das nur noch auf einigen Positionen mit Spielern der gehobenen internationalen Klasse besetzt ist.

Quelle: ntv.de, sue

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