Fußball

Abschied von Keeper Weidenfeller Der BVB verliert eine Legende

Weidenfeller wird beim letzten Heimspiel gegen den FSV Mainz 05 in der abgelaufenen Saison frenetisch bejubelt.

Weidenfeller wird beim letzten Heimspiel gegen den FSV Mainz 05 in der abgelaufenen Saison frenetisch bejubelt.

(Foto: imago/Moritz Müller)

Roman Weidenfeller verkörpert einen Fußballprofi, von dem es nicht mehr viele gibt. 16 Jahre bleibt er dem BVB treu, erlebt unter Jürgen Klopp den ultimativen Höhenflug, aber auch Tiefpunkte. Nun feiert er seinen verdienten Abschied.

Fast wäre sogar Usain Bolt gekommen. Ein Olympiasieger als Beigabe zum letzten großen Auftritt von Roman Weidenfeller im Dortmunder Fußballtempel, das wäre doch was gewesen. Weil der selbsterklärte künftige Fußballprofi in diesen Tagen aber beim australischen Klub Central Coast Mariners an der Karriere nach der Karriere bastelt, ist er nun doch verhindert. Das ist aus Sicht des Hauptsponsors zwar schade, tut dem zu erwartenden Spektakel an diesem Abend (18.30 Uhr/Sport 1) aber keinen Abbruch.

Jürgen Klopp wird als Trainer der "BVB-Allstars" da sein, genau wie die Spieler Marcio Amoroso, Dede oder Sebastian Kehl, der inzwischen Leiter der Lizenzspielerabteilung beim Bundesligisten ist. "Ich empfinde es als riesen Wertschätzung, dass alle den Weg nach Dortmund finden", sagt Weidenfeller über sein Begleitpersonal, das nicht nur zu einem Viertel brasilianisch ist, sondern sich auch wie das Who-is-who der jüngeren Dortmunder Fußballgeschichte liest. Die von Peter Stöger gecoachte Elf ist nicht minder prominent besetzt. "Roman and Friends": Weggefährten und Freunde, davon hat Weidenfeller viele, und viele davon sind gekommen.

Das Weidenfeller-Abschiedsspiel

"BVB Allstars": Addo, Amoroso, S. Bender, da Silva, de Beer, Dede, Degen, Evanilson, Ewerthon, Frei, Frings, Großkreutz, Heinrich, Kehl, Kirch, Koller, Kringe, Lehmann, Oliseh, Owomoyela, Piszczek, Ricken, Santana, Schieber, Schmelzer, Smolarek, Subotic, Tinga, Weidenfeller, Wörns, Zidan - Trainer: Klopp.

"Roman & Friends": Ballack, Grammozis, Hengen, R. Kovac, Kramer, Lincoln, Lutz, Marschall, Mertesacker, Metzelder, Odonkor, Podolski, Ramzy, Reich, Riedl, Schjönberg, Strasser, Weidenfeller, Wiese - Trainer: Stöger.

Per Mertesacker, Christoph Kramer und Lukas Podolski, der extra aus Japan anfliegt, gehören dazu. Auch Kevin Großkreutz wird da sein, genau wie Michael Ballack und Dimitros Grammozis. Von den angefragten Spielern scheint bis auf die für die Nationalmannschaft im Einsatz stehenden Profis nur Mesut Özil der Einladung nicht gefolgt zu sein. Was in Anbetracht der jüngsten Ereignisse um seinen Rücktritt aus der DFB-Elf nachvollziehbar ist. Es wird auch so "A grandios Abschied" werden, wie der BVB in Anspielung auf ein Interview Weidenfellers auf Plakaten in der Stadt ankündigt. Ein Interview, das mindestens so legendär ist wie der Keeper selbst. Unter den großen Karrieren, die im Signal Iduna Park zu Ende gegangen sind, ist sein Abschied besonders gewaltig. Er wird dem BVB fehlen, wenn auch nicht unbedingt aus sportlichen Gründen.

Spieler wie Weidenfeller werden seltener

Sagenhafte 349 seiner 355 Bundesligaspiele hat Weidenfeller für den BVB absolviert, nachdem er 2002 ablösefrei vom 1. FC Kaiserslautern ins Ruhrgebiet gewechselt war. Das sind 16 Jahre, in denen er dem Bundesligisten treu geblieben ist. Vor dem Hintergrund streikender Profis und dem immer schnelllebigeren Fußballgeschäft ist das schon bemerkenswert. Weidenfeller verkörpert eine Art von Spielern, die seltener werden: Diejenigen, die sich dem eigenen Verein so verbunden fühlen, dass sie Chancen auf hochdotierte Verträge bei der Konkurrenz auslassen. Beim BVB ist die Zahl der Spieler, die in seine Rolle schlüpfen könnten, wie andernorts begrenzt. Das ist keineswegs wertend gemeint, sondern einfach eine Tatsache. Es sind die Spielregeln des internationalen Transfermarkts. Dass die nicht jedem gefallen, ist klar. Deswegen überrascht es nicht, dass am Abend wohl über 60.000 Fans kommen werden, um die verdiente Klublegende gebührend zu verabschieden.

Danke, Roman!

Danke, Roman!

(Foto: imago/Moritz Müller)

Einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie emotional es werden dürfte, hatte es bereits nach dem letzten Heimspiel der abgelaufenen Spielzeit gegen den FSV Mainz 05 gegeben. Obwohl die Fans angesichts der Leistung gegen den Abstiegskandidaten und im Saisonverlauf allgemein wenig Grund zum Feiern hatten, klammerten sie einen aus dem kollektiven Pfeifkonzert aus: ihren Keeper. Der hatte zwar 90 Minuten auf der Bank gesessen, wurde aber als einziger BVB-Profi mit tosendem Applaus gefeiert. Weidenfeller, das ist aus Sicht der Fans ein "Dortmunder Jung". Für jemanden, der aus dem Westerwald stammt, ist das eine ähnlich große Ehre wie die Berufung aufs Vorsängerpodest der legendären Südtribüne. "Das war einmalig", hatte Weidenfeller anschließend geschwärmt, "selbst wenn ich gestürzt wäre, hätten mich die Fans aufgefangen".

Zehn Jahre war der Keeper die unangefochtene Nummer eins im Klub, das schaffte vor ihm keiner. Zweimal Deutscher Meister, der Gewinn des DFB-Pokals, dazu das Champions-League-Finale 2013 gegen den FC Bayern München - Weidenfeller hat die erfolgreichste Ära der jüngeren Vereinsgeschichte entscheidend mitgeprägt, weil er mit seinem fast perfekten Spiel auf der Linie zu einem der besten Keeper der Bundesliga reifte. "Wir waren eine Einheit, die wusste, dass sie jedes Spiel noch drehen kann. Es war eine tolle Zeit, tolle Emotionen, tolle Bilder, sensationelle Spiele. Jeder hatte damals Freude an dieser Mannschaft", sagte er im Interview mit Sport 1 über die goldene Zeit unter Klopp. Der hatte dem BVB wieder eine Identität gegeben, Fußball als Vollgasveranstaltung begriffen und die Liga mit seinem Stil über Jahre geprägt.

Weidenfeller verzichtet auf Gehalt

Doch, und das ist womöglich noch entscheidender für den Stand des 38-Jährigen: Auch in einem der absoluten Tiefpunkte der Vereinsgeschichte, der Beinahe-Insolvenz im Jahr 2005, blieb er dem Verein treu, verzichtete auf Gehalt, damit es weitergehen konnte. An einen Abschied hat Weidenfeller im Gegensatz zu anderen Spielern nie gedacht: "Ich bin stolz darauf, dass die Fans und ich nicht nur durch die guten, sondern auch durch die schweren Zeiten gemeinsam gegangen sind."

Schwere Zeiten, wie sie der BVB auch in den vergangenen zwei Jahren erlebt hat. Da war der Anschlag auf den Bus, dessen Folgen Weidenfeller noch immer spürt, wie er gegenüber der "Bild" beschreibt: "Vor Kurzem war ich bei einer Veranstaltung, da ist ein Scheinwerfer mit einem Knall kaputtgegangen. Früher hätte ich gelacht, jetzt war es ein Schock, ich habe mich erst mal umgeschaut, ob alle in Ordnung sind."

Da war zudem der sportliche Absturz im Vorjahr, der auch vor dem Hintergrund der Sprengstoffattacke zu sehen ist, aber nicht nur. Viele Probleme waren hausgemacht und Weidenfeller hat das immer so benannt. Er hat sich nie zurückgenommen, wenn es darum ging, die eigene Leistung kritisch zu hinterfragen und zur Not auch mal unbequeme Wahrheiten ausgesprochen. Auch wenn im Kasten längst ein anderer den Vorzug bekommen hatte. Die Führungspersönlichkeit Weidenfeller wird der Mannschaft fehlen. Allerdings erst dann, wenn das letzte Beben auf der Südtribüne verhallt ist.

Quelle: ntv.de

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