Fußball

VfB-Star Chris Führich Der Ruhrpott-Robben soll das DFB-Team beflügeln

Chris Führich treibt den Höhenflug des VfB Stuttgart maßgeblich an.

Chris Führich treibt den Höhenflug des VfB Stuttgart maßgeblich an.

(Foto: picture alliance / Chai von der Laage)

Chris Führich ist einer der Shootingstars der Bundesliga. Nach dem überragenden Saisonstart steht er erstmals im Kader der deutschen Nationalmannschaft. Das war so nicht unbedingt zu erwarten.

Es ist nicht immer so, dass Ex-Profi Stefan Effenberg als Pionier Schlagzeilen macht, aber in diesem Fall war er allen voraus. Vor anderthalb Wochen brachte der nicht immer treffsichere Experte im "Sport1 Doppelpass" den Stuttgarter Mittelfeldspieler Chris Führich für die deutsche Nationalmannschaft ins Gespräch. "Er performt außergewöhnlich derzeit", erklärte Effenberg. Und genau darum sei Führich jemand, der "vielleicht auch mal eine Nominierung in der Nationalmannschaft verdient" habe. Was viele als unrealistisch erachteten, war wenige Tage später dann Realität: Der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann berief den Flügelspieler überraschend ins Aufgebot für die USA-Reise des Teams. Chris Führich wird also mit 25 Jahren Nationalspieler.

Ein Satz, der vor ein oder zwei Jahren wohl kaum jemand in Stuttgart unterschrieben hätte, in dieser Saison aber die verdiente Belohnung nach einem herausragenden Start für Führich und den Klub ist. Der VfB Stuttgart steht nach sieben Spieltagen so gut da wie noch nie in der Bundesliga-Geschichte und Chris Führich hat einen großen Anteil daran. Der Außenspieler war bis zur vergangenen Woche ein eher leiser besungener Held beim VfB. Der Fokus der Öffentlichkeit richtete sich naturgemäß auf Senkrechtstarter Serhou Guirassy (13 Tore in den ersten sieben Spielen) und Trainer Sebastian Hoeneß, der den Klub wiederbelebt hat.

Tempo, Dribblings, Torgefahr

Doch im Windschatten hat sich auch Chris Führich in eine Art Rausch gespielt. Der 1,81 Meter große Profi hat mit nun sieben Scorerpunkten jetzt schon so viele Torbeteiligungen wie in der gesamten Vorsaison eingeheimst. Zwei Tore und fünf Assists hat Führich schon gesammelt. Am vergangenen Wochenende kam ein weiterer hinzu, als er dem verdutzten Wolfsburger Ridle Baku den Ball klaute, in den Strafraum sprintete und Guirassy mit einem Steckpass perfekt bediente. Von den deutschen Bundesliga-Spielern hat nur Jonas Hofmann (Bayer Leverkusen) mehr Scorer-Punkte als er auf dem Konto.

Es sind aber bei weitem nicht nur die Statistiken, die den Hype um Führich erklären. Mit seinen Speed-Flügelläufen, Tempowechseln und schnellen Dribblings spielt der frühere Kölner die Gegenspieler reihenweise schwindelig und sorgt immer wieder für massive Torgefahr. Führich ist einer, der die Zuschauer aufspringen lässt. Weil sie wissen: Jetzt passiert etwas. Ein klassischer Führich ist das Mehrfach-Hakenschlagen sowie das von Außen nach Innen ziehen, gefolgt von einem Abschluss. So ein bisschen erinnern diese Moves dann an einen Arjen Robben, der einst bei den Bayern die gegnerischen Abwehrreihen vernaschte. Wenn auch als Linksfuß, Führichs starker Fuß ist der rechte.

Nun ist Führich natürlich noch ein großes Stück von der Weltklasse und den Erfolgen von Robben entfernt, trotzdem reißt der Durchstarter die Fans mit und begeistert auch seinen Trainer. "Ob über Links oder Rechts, im frontalen Eins-Gegen-Eins ist er ganz schwer zu verteidigen", lobte Sebastian Hoeneß. Der 25-Jährige gilt als bodenständig, nicht gerade als Lautsprecher. Nach Toren zeigt er gen Himmel und bedankt sich bei Gott. Mit seinem tiefen christlichen Glauben geht er offensiv um. Er ziehe Kraft daraus, erklärte er.

"Es war nicht immer einfach"

Führich ist ein akribischer Arbeiter. Seit einigen Jahren ernährt er sich strikt vegan, auch um muskulären Probleme vorzubeugen. Nicht nur in diesem Sommer hat er in Extra-Trainingseinheiten und mit Extra-Abschlüssen an seiner Torgefahr gearbeitet. Bislang zahlen sich diese Überstunden aus. In seiner Karriere hat er schon viel gesehen, oft das Team gewechselt. Führich ist ein echtes Kind des Ruhrpotts. Geboren wurde der Blondschopf in Castrop-Rauxel, mitten im Pott, wo Fußball quasi "Religion is". So durchlief er in der Jugend fast alle namhaften Klubs der Region. Schalke, Dortmund, Bochum, Oberhausen. Einmal den Pott durch. Nach eigenen Angaben war Führich früher Schalke-Fan.

"Der Ruhrpott ist meine Heimat. Meine Familie und viele Freunde leben dort und ich habe da eine schöne Zeit gehabt, auch wenn meine Nachwuchskarriere mit vielen Vereinswechseln nicht immer einfach war", sagte er dem Portal "BW24". "Ich freue mich immer wieder darüber, wenn ich dorthin zurückkehre." Während er sich im Herren-Bereich weder beim 1. FC Köln noch in Dortmund durchsetzen konnte, platzte dann in Paderborn der Knoten. Unter Steffen Baumgart entwickelte er sich in Ostwestfalen zum Scorer-Prinzen, erzielte 2020/21 14 Tore und sammelte 8 Vorlagen. 2021 folgte der etwas überraschende Transfer nach Stuttgart.

Im Ländle hakte es dann zunächst wieder. In den vergangenen zwei Saisons war er oft mehr Einwechselspieler denn Shootingstar. Führich wirkte dort oft wie ein Spieler kurz vor dem Durchbruch - bei dem die entscheidende Zündung noch fehlte. In einigen Spiele deutete er sein Können an, mitunter schlug er aber einen Haken zu viel, spielte den letzten Pass dann doch ungenau, ging der Abschluss weit drüber.

"Sehr, sehr gutes Momentum"

Vielleicht ist Führich ein perfektes Beispiel für einen Spieler, der in einem funktionierenden Kollektiv aufblüht. Genau das ist der VfB Stuttgart gerade - nach Jahren der Krise. Jüngere Menschen kennen den VfB ja fast nur als miserables Team, das meistens gegen den Abstieg kämpft. Nun ist der Klub die Überraschungsmannschaft der Liga und Führich ein wichtiger Teil davon.

Mehr zum Thema

So war es eigentlich auch nur logisch, dass in Stuttgart das Telefon klingelte. Hoeneß hatte Führich schon mal zur Sicherheit die Nummer von Nagelsmann gegeben - die Freude war dann riesig, als es wirklich passierte. "Ich freue mich mega, das ist für mich unbeschreiblich", sagte Führich. "Ich war überglücklich, konnte es kaum glauben. Für mich erfüllt sich ein Traum." Bundestrainer Nagelsmann begründete die Auswahl des Stuttgarters so: "Er hat gerade ein sehr, sehr gutes Momentum." Er sei ein "exzellenter- Eins-gegen-Eins-Spieler". Die Berufung als Zeichen: "Das wird uns guttun, neue Gesichter im Training zu haben, die ein Leuchten in den Augen haben, wenn sie ein Länderspiel bekommen."

Der Außen-Flitzer soll jetzt also auch das DFB-Team beflügeln, als Turbo für das Nationalteam. Führich profitiert zwar auch von den Ausfällen von Serge Gnabry (Unterarmbruch) und Kevin Schade (Adduktoren). In den Spielen gegen die USA und Mexiko wird der Außenspieler aber sicher seine Chance erhalten. Ob er auch ein ernsthafter EM-Kandidat ist? Mit seinem Tempo und der Unberechenbarkeit wäre er als Joker für Nagelsmann eine echte Option. Vielleicht sogar als einer den Unterschied machen kann. In Stuttgart ist er schon zu solch einem Spieler gereift und das weiß inzwischen nicht nur Stefan Effenberg.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen