Fußball

Hertha statt Halbfinale Die bitterste Pointe für Lucas Tousart

Herthas Trainer Bruno Labbadia mit seinem neuen Schützling Lucas Tousart.

Herthas Trainer Bruno Labbadia mit seinem neuen Schützling Lucas Tousart.

(Foto: picture alliance/dpa)

Er ist Stammspieler bei Olympique Lyon und ebnet den Weg vom Außenseiter zum Halbfinalisten der Champions League. Doch statt nun im Stadion in Lissabon weiter um Europas Fußball-Krone zu streiten, steht Lucas Tousart auf dem Trainingsplatz von Hertha BSC. Wie kam es dazu?

Dass sich Olympique Lyon an diesem Mittwochabend aus der Champions League verabschiedet, das ist ja eigentlich klar. Zu dominant trat Halbfinal-Gegner Bayern München in den vergangenen Monaten auf. Im nationalen Fußball, aber auch international. Einschüchternd wirkten die Ergebnisse gegen die Top-Teams FC Chelsea (3:0, 4:1) und FC Barcelona (8:2). So klar, wie der Abgang der Lyoner dieses Mal ist, so klar war er schon zweimal: im Achtelfinale gegen Juventus Turin und im Viertelfinale gegen Manchester City.

Doch entgegen aller Erwartungen und Überzeugungen ist Lyon noch dabei, nur ein Spiel vom großen Finale entfernt. Zu verdanken haben sie das auch einem Spieler, der längst nicht mehr dabei ist. Der sich in diesen Tagen, wo in Lissabon das Knockout-Turnier der Königsklasse ausgetragen wird, in Berlin tummelt. Hertha statt Halbfinale. Klingt nach einer bitteren Pointe für den Wegbereiter des Lyoner Wunders.

Damals im Februar, als das Stadion im Parc Olympique noch rappelvoll sein durfte, da verblüffte Lucas Tousart Cristiano Ronaldo und seine Turiner. In bester Thomas-Müller-Manier tauchte der damals 22-Jährige plötzlich im Strafraum auf, sprang in die Luft, um ein Zuspiel von Houssem Aouar in einen unhaltbaren Schuss in die linke Torecke zu verwandeln. Die geschockte Körpersprache von Juventus' Torwart und seinen Verteidigern drückten nur eines aus: Wo kam der denn jetzt her?

Der Marsch ins Halbfinale kam unerwartet

Die Antwort ist: Aus dem Nichts kam er nicht. Tousart spielte zwar seine erste Champions-League-Saison, war dabei allerdings in jedem Spiel in der Startaufstellung. In der Ligue 1 absolvierte er 24 von 28 Spielen, erzielte dabei zwei Treffer. Beide nicht so wichtig wie das Tor gegen Juventus. Es ebnete schließlich den unerwarteten Marsch ins Halbfinale. Denn trotz der 1:2-Niederlage im Rückspiel schoss Lyon die Italiener damit aus dem Turnier - weil die Auswärtstor-Regel griff.

Noch zu Beginn des Jahres hatte niemand mit dieser überraschenden Reise durch Europa gerechnet, auch Tousart selbst nicht. Die heftige 1:5-Klatsche im Pokal-Halbfinale gegen Paris St. Germain als schmerzhafte Erfahrung, die Überlegenheit von Turin (trotz Hinspielsieg) vor Augen und der Saisonabbruch der Ligue 1 - für Lyon war die Saison kein Vergnügen. Zum ersten Mal seit 2003 verpasste der Klub die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb.

Der geplante Gang nach Berlin fiel Tousart also nicht schwer. Hertha BSC hatte den Franzosen bereits im Januar verpflichtet. Eine Summe von rund 24 Millionen Euro soll geflossen sein. Damit wäre Tousart einer der Rekordtransfers der Klubgeschichte. Seiner neuen Mannschaft stand er nicht sofort zur Verfügung, er wurde in der Rückrunde an seinen bisherigen Klub aus der Ligue 1 ausgeliehen.

"Kein Rückschritt, eher etwas Neues"

Trotzdem erhielt die Entscheidung für einen Wechsel zum damals vom Abstieg bedrohten Bundesligisten Hertha BSC einen bitteren Nachgeschmack. Der Mann, der Lucas Tousart unbedingt haben wollte und für den der Fußballprofi den Wechsel angetreten ist, hieß Jürgen Klinsmann. Und dieser hatte im Februar mit einer läppischen Notiz auf Facebook seinen Rücktritt verkündet. Den Klinsmann-Abgang konnte auch Tousart nicht richtig verstehen, wie er im Interview mit der "Sport-Bild" zugab.

Zu Recht bezeichnete der Franzose seinen Transfer im französischen Fachmagazin "L'Équipe" als "ein bisschen bizarr". Tousart nannte aber auch die Gründe für seinen Schritt nach Deutschland: "Es gibt immer ein kleines Risiko bei einem Transfer, aber ich habe das Vertrauen der Vereinsführung gespürt." Die neue und alte Führung ist mit dem Kauf von Klinsmann auch weiterhin zufrieden.

Eine Investition in die Zukunft nannte Geschäftsführer Michael Preetz den Transfer damals. Und auch Herthas derzeitiger Cheftrainer Bruno Labbadia weiß, was er an dem Franzosen hat: "Er ist ein Fußballer, der unglaublich gutes Raumgefühl hat, der sehr schlaue Ballgewinne hat, relativ schnell nach vorne spielt, sogar eine gewisse Torgefahr hat. Das ist ein Typ, der hier reinpasst. Der hat Bock auf Hertha." Diesen Eindruck vermittelt er auch auf einem Instagram-Kanal. Auf einem Foto post er vor dem Olympiastadion, auf dem nächsten im neuen blau-weißen Trikot, mit der Bildunterschrift: #hahohe.

"Für mich ist es auf keinen Fall ein Rückschritt, eher etwas Neues", sagte der junge Franzose bei seiner Vorstellung Anfang des Jahres. Das alles im Unwissen, was diese kuriose Rückrunde so mit sich bringen würde. "In Berlin entsteht etwas sehr Spannendes, und ich möchte ein Teil davon sein!" Zunächst aber, so erklärte er damals, sei er froh und dankbar, seine Aufgabe in Lyon noch zu Ende zu führen. Sie endete für ihn im Mai. Was für eine bittere Ironie des Schicksals.

Quelle: ntv.de

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