WM-Countdown (45) Kommt, wir spielen Atomfußball!
30.04.2018, 12:52 Uhr
Jeder Spieler bekommt einen Ball - was Kritiker dem Fußball häufig wünschen, wird beim Atomfußball Wirklichkeit.
(Foto: imago/Zink)
Kaum stehen in Korea die Zeichen auf Abrüstung, da wird in Russland Atomfußball gespielt. Schauplatz ist die WM-Gastgeberstadt Kaliningrad. Sollte uns das Sorgen machen? Und was ist eigentlich "Das Schnelle Neutron"?
Kaliningrader müsste man sein. In der westlichsten WM-Gastgeberstadt - oder, genauer gesagt, im nahe gelegenen Strandbad Selenogradsk - steigt in diesen Tagen das Fish-Food-Festival. Der Name ist Programm, 40 Teilnehmer aus Russland, Weißrussland, Litauen, Polen und Italien bieten allerlei Leckereien an, die Fischliebhaber zum Strahlen bringen. Womit wir beim Thema sind.
Katrin Scheib ist Journalistin, Schalke-Fan und kommt aus dem Rheinland. Als die deutsche Mannschaft 2014 in Brasilien Fußball-Weltmeister wurde, war sie gerade nach Moskau gezogen. Seitdem bloggt sie unter kscheib.de über ihren Alltag und informiert mit ihrem "Russball"-Newsletter jede Woche über den Fußball und die WM-Vorbereitungen in Russland. Und nun schreibt sie für n-tv.de den Countdown, bis das Turnier am 14. Juni beginnt.
Denn als Begleitprogramm haben sich die Veranstalter ein Turnier in einer besonderen Sportart ausgedacht: Atomfußball. Nein, keine Sorge, das ist keine Bildungslücke - mir war der Begriff auch neu und ich habe versucht, herauszufinden, woher er kommt. Warum "Atom?" Die Spielregeln sind im Kern schon mal anders als beim klassischen Fußball: Sieben Leute pro Team, dazu je sieben Bälle in den Farben der beiden Mannschaften. Beide Seiten müssen nun all ihre Bälle ins Tor des Gegners bringen, wer das zweimal in Folge schafft, hat gewonnen.
Alles schön schräg also, aber wo ist da der Bezug zum Nuklearen? Müsste man da jetzt irgendeine Anspielungen erkennen auf radioaktive Moleküle? Sieben Atome müsst ihr sein? Ist es ein Witz über den "nuclear football", wie Amerikaner den Atomkoffer ihres Präsidenten nennen? Oder hat es ganz schlicht damit zu tun, dass die Firma Rosenergoatom, Betreiber eines guten Dutzends russischer Kernkraftwerke, die kollektive Fischfutterei und damit auch das Fußballbegleitprogramm sponsert?
Die weitere Recherche führt in abwegige Bereiche des Internets: Die wenigen Suchtreffer zu "Atomfußball" gehören fast alle zu einer Website, die flauschige Mitarbeitermotivation für die Angestellten der eben erwähnten Reaktoren von Rosenergoatom veröffentlicht: Hurra, die gemeinsame Mannschaft der Kernkraftwerke "Leningrad" und "Belojarsk" hat beim Pariser Fußballturnier für Mitarbeiter von Atomunternehmen aus aller Welt gewonnen - Gastgeberland nächstes Jahr ist Bulgarien! Hurra, wir können auch gut Drachenboot fahren! Hurra, die neue Ausgabe der Mitarbeiterzeitschrift "Das schnelle Neutron" ist soeben erschienen! Schöner leben mit Atomsport.
Zurück nach Selenogradsk. Das dortige Atomfußballturnier ist nicht nur als Fischbegleitprogramm gedacht, sondern soll zugleich ein paar russische Klischees bedienen. Darum, so die Ankündigung, werden alle Spieler eine Uschanka (Fellmütze mit herunterklappbarem Ohrenschutz) auf dem Kopf haben und an den Füßen Walenki, die traditionellen russischen Filzstiefel. Außerdem ist das nukleare Gekicke Teil eines größeren Unterhaltungsprogramms, zu dem auch Schiffe versenken, Galgenmännchen und Tic-Tac-Toe gehören. Alles unter dem offiziellen Motto: "Idiotenspiele". Spätestens hier ist dann auch klar, woher der Atomfußball seinen Namen hat: Wer immer ihn sich ausgedacht hat, war einfach komplett verstrahlt.
Quelle: ntv.de