WM-Ticket, oder was?Leroy Sané lässt es knallen bis zum Gehtnichtmehr

Leroy Sané macht im Kampf um ein WM-Ticket ernst. Der vom Bundestrainer Julian Nagelsmann angezählte Flügelstürmer liefert in den entscheidenden Qualifikationsspielen groß ab. Gegen die Slowakei spielt er so, wie sich der Coach das immer wünschen würde.
Noch bevor Leroy Sané am Freitagabend wieder das Trikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft anziehen durfte, lag ein viel diskutierte Satz in der Luft. Matthias Sammer hatte ihn gesagt. Ein Individualist wie Sané brauche Liebe, dass es knallt. Und nicht eine scharfe Ansage, wie der Bundestrainer sie zuvor ausgesprochen hatte. Radikal verkürzt sagte Julian Nagelsmann, wenn es mehr Alternativen auf den Flügeln geben würde, wäre der Mann von Galatasaray Istanbul wohl nicht dabei gewesen. Und er sollte diese Nominierung nun auch besser nutzen. Ewig viele Gelegenheiten, sich zu beweisen, würde er nicht mehr bekommen. Nicht von Nagelsmann.
Und was machte Sané? Der spielte in den beiden WM-Qualifikationsspielen in Luxemburg und gegen die Slowakei mit so viel Liebe, dass es knallt. Und er zog seine Mitspieler und den Ball mit in diesem Rausch der Liebe. Gegen Luxemburg nahm er den Ball vor dem wichtigen 1:0 so elegant an, dass der Bundestrainer sich verwundert die Augen rieb. Das könne nun wahrlich nicht jeder, sagte er später. Dass Sané ein Spieler ist, der weit über Jedermann-Level spielen kann, das ist hinlänglich bekannt. Ebenso wie sein Hang, so lässig zu spielen, dass man beim Zuschauen verrückt wird. Zwei Signature-Moves, die nicht unterschiedlicher sein können.
"Das ist Leroy, ne?"
Gegen die Slowakei packte Sané nochmal einen drauf. In den magischen zehn Minuten vor der Pause, die Deutschland von all den Fesseln der vergangenen Monate befreite, war Sané der Protagonist. Einmal wurde er vom seit Monaten kriselnden Genie Florian Wirtz wundervoll freigespielt, das zweite Mal vom mittlerweile wieder freudvollen Wirtz und von Woltemade, ebenfalls ganz fein. Beide Male vollendete der ehemalige Spieler des FC Bayern mit der Überzeugung eines Unterschiedsspielers. Der er selbst sein will, der er selbst sein kann.
180 Minuten haben den Wert des ewig polarisierenden 29-Jährigen wieder radikal verändert. Vom Spieler der letzten Chance zu einem Spieler, der ein sicherer Kandidat für die WM ist? Niemand weiß das jetzt. Der Bundestrainer legt sich nicht fest. Aber der Fußballer selbst hat das Ziel fest im Blick. Und seine Mitspieler schwärmen von den Qualitäten: unglaubliches Tempo, herausragende Technik, ein starker Abschluss. "Das ist Leroy, ne?", sagte David Raum nach dem ersten Spiel, "da brauchen wir uns nicht wundern, der Typ hat 'ne Wahnsinnsqualität, ist einer unserer besten Techniker. Genau so kann er uns helfen."
Sané stürmt los wie ein wilder Stier
Das Problem an Sané ist nicht der Ball, sondern bisweilen das Mindset. Seine Bereitschaft die Dinge zu tun, die die Mannschaft neben der Magie braucht. In Leipzig rannte er los wie ein wilder Stier. Schon in der zweiten Minute wurde er als Pressingbüffel wegen eines Stürmerfouls zurückgepfiffen. Und Sané machte weiter, rannte, presste. Versuchte sich mit traumhaften Annahmen und Hackenbällen. Dann erste Ecke für das DFB-Team. Sané hatte sie erzwungen. Danach hatte er kurz Sendepause. Auf die Bühne kamen Joshua Kimmich, der den Ball mit einer spektakulären Grätsche an der Seitenlinie erarbeitete, und Nick Woltemade, der das 1:0 erköpfte. Für das 2:0 war Serge Gnabry verantwortlich, nach Zauberpass von Leon Goretzka.
"Ich bin schon stolz auf die Mannschaft", lobte der Bundestrainer. "Wir hatten einen holprigen Start in die Quali, heute war Druck auf dem Kessel. Es war ein sehr gutes Spiel. (...) Jeder Spieler hat ein extrem gutes Spiel gemacht und gearbeitet wie das rosafarbene Tier." Was das rosafarbene Tier sein soll, ließ er offen. Ein Schwein? Ein Flamingo? Ein Rosapelikan? Ein Axolotl (lachender Fisch)?
Egal, nach dem 2:0 war wieder Sané-Zeit. Wie lässig er agierte. Lässig im besten Sinne. Wie eiskalt er war. Wie spektakulär. Beim 6:0 durch den Debütanten Assan Ouédraogo hatte er seine Hacke vorab grandios und gewinnbringend im Spiel. Nagelsmann weiß, was er an der "verdammt coolen Socke" hat, allerdings kennt er auch Sanés Launen. "Er war nicht auf Bewährung da", stellte Nagelsmann in Luxemburg klar, "er war da, um das Spiel zu entscheiden." Hat geklappt. "Er hat zwei gute Aktionen gehabt, die zu zwei Toren geführt haben. Die Kritik von Matthias Sammer über seinen Umgang mit dem "ewigen" Sorgenkind konterte er noch vor dem Spiel lässig: "Liebe, dass es knallt? Hat er von mir viele Jahre gekriegt." Nun knallt Sané zurück. Mit Liebe.