Fußball

"Ich kann nichts machen!" Liverpools VAR-Protokoll ist ein Dokument der Panik

Schiedsrichter Simon Hooper und der FC Liverpool: Keine Freunde.

Schiedsrichter Simon Hooper und der FC Liverpool: Keine Freunde.

(Foto: IMAGO/Colorsport)

Jürgen Klopp tobt nach dem Spiel seines FC Liverpool gegen Tottenham: Statt in Führung zu gehen, werden die Reds Opfer einer peinlichen Fehlleistung des Schiedsrichtergespanns. Ein paar Tage später veröffentlicht die Premier League ein Dokument des Grauens.

Es ist die 34. Minute des Premier-League-Spiels zwischen dem FC Liverpool und Tottenham Hotspur vom vergangenen Samstag, als im VAR-Raum die Panik ausbricht: Liverpools Stürmer Luis Diaz bringt die Mannschaft von Jürgen Klopp in Führung - vermeintlich. Denn der Schiedsrichter entscheidet mit seinem Gespann auf Abseits, die Kollegen vor den Bildschirmen bestätigen die Entscheidung. Doch dann passiert, was Klopp später als "unfairste Umstände und verrückteste Entscheidungen" bezeichnet und was der englische Schiedsrichterverband PGMOL als "schweren menschlichen Fehler" eingestehen muss.

Der PGMOL veröffentlichte nun das Protokoll der Kommunikation zwischen den Videoschiedsrichtern Darren England und Dan Cook und Schiedsrichter Simon Hooper und seinem Team. Und das ist ein Desaster für alle Beteiligten. Den ersten Fehler machen Hooper und seine Assistenten, denn das Gespann entschied auf dem Feld, dass Diaz bei der Vorlage von Mohamed Salah im Abseits gestanden habe. "Ich überprüfe gerade das Abseits", heißt es aus dem VAR-Raum, Schiedsrichter Hooper solle die Spielfortsetzung hinauszögern, bis der Check abgeschlossen ist.

"Cheers, Kumpel"

Währenddessen sucht der Replay-Operator den Moment der Ballabgabe, lässt die Szene in Zeitlupe ablaufen. "So, da wären wir." Und der VAR fordert: "Ja, geben Sie mir eine 2D-Linie für das zweite Bild nach diesem." Der Operator findet das passende Bild, der VAR ist zufrieden: "Das ist in Ordnung. Perfekt, ja. 2D-Linie am linken Schuh." Die kalibrierte Linie, die dann am Fuß des letzten Tottenham-Verteidigers Cristian Romero angelegt wird, lässt nur einen Schluss zu: kein Abseits! Und zwar deutlich. VAR Darren "Daz" England hätte die Entscheidung des Schiedsrichtergespanns aufheben müssen. Die Konsequenz wäre gewesen: Tor und 1:0-Führung für den FC Liverpool. Doch stattdessen meldet England ins Stadion: "Check komplett, Check komplett. Alles in Ordnung, perfekt." Das Spiel wird mit einem Freistoß für Tottenham fortgesetzt, nachdem das Tor aberkannt wurde.

Schiri Hooper freut sich über die schnelle und klare Bestätigung seiner Entscheidung: "Cheers, Kumpel. Gut gemacht, Jungs, guter Ablauf." VAR England ist auch zufrieden: "Danke, Kumpel." Doch als der Ball wieder rollt, schaltet sich der Replay-Operator aufgeregt ein: "Warte, warte, warte, warte! Die Entscheidung war Abseits! Seid ihr damit wirklich zufrieden?" England bestätigt das zweimal - bevor er sagt "Abseits, Tor, ja." Dann dämmert es auch seinem Assistenten: "Das ist falsch, Daz", meldet Dan Cook nervös und der Replay-Operator sagt "Bist du wirklich zufrieden mit der Entscheidung? Das Bild, das wir dir präsentiert haben, zeigte, dass es kein Abseits war."

Währenddessen spielt sich das Geschehen längst wieder in der Hälfte Liverpools ab, als auch England klar wird, was passiert war. Die Folge ist eine Reaktion, die im Mitschnitt gepiept werden muss. Der Replay-Operator wünscht sich noch, dass das Spiel unterbrochen werden solle, damit die Entscheidung revidiert werden kann, doch da ist es längst zu spät: Laut dem VAR-Protokoll des International Football Association Board, dem weltweiten Regelwerk des Fußballs, kann der Schiedsrichter nach der Wiederaufnahme des Spiels keine erneute Überprüfung vornehmen, außer im Falle einer Verwechslung oder einer möglichen Roten Karte.

"Wir können nichts tun"

"Es gibt nichts, das ich tun kann", barmt England denn auch. "Wir haben das Spiel fortsetzen lassen. Es gibt nichts, das wir tun können. Es gibt nichts, was ich tun kann." Danach folgt ein erneutes Piepen. Wenige Augenblicke später geht Tottenham mit 1:0 in Führung, am Ende gewinnt der Außenseiter das Spiel 2:1. Vor der Situation hatte sich VAR England schon zu Recht und zuungunsten Liverpools ins Spiel eingeschaltet: Wegen eines harten Einsteigens kassierte Mittelfeldspieler Curtis Jones auf den Hinweis Englands eine Rote Karte - zurecht.

Liverpools Trainer Jürgen Klopp will es nicht bei den Versicherungen des PGMOL belassen, wonach geeignete Maßnahmen getroffen werden sollen, dass solch eine Fehlleistung nicht noch einmal passiert. "Es ist ein offensichtlicher Fehler", sagte Klopp vor Journalisten in Liverpool. "Das ist beispiellos, das hat es noch nie gegeben." Klopp betonte: "Ich bin es gewohnt, falsche und schwierige Entscheidungen zu treffen, aber so etwas ist noch nie passiert und deshalb halte ich eine Wiederholung für das Richtige."

Auch die Vorgeschichte von England und Cook, den beiden VAR, die die falsche Entscheidung bestätigten und offenbar eine "Konzentrationsschwäche und einen Verlust des Fokus" erlitten hatten, wie es der PGMOL in einem Rundschreiben an die 20 Klubs der Premier League nannte, wurde thematisiert: Beide hatten 48 Stunden zuvor ein Spiel in den Vereinigten Arabischen Emiraten geleitet. Was zu allerhand Aufregung im Königreich geführt hatte, weil die Eigentümer von Liverpools Hauptkonkurrenten Manchester City eben dort ansässig sind. Die PGMOL spielte jedoch Andeutungen über eine mögliche mentale Ermüdung herunter und betonte, dass die Reise mit der Leitung eines Champions League- oder Europa League-Spiels unter der Woche vergleichbar sei.

Quelle: ntv.de

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